Stephan Weidner hatte es angekündigt: Es gibt Neues vom W! Am 26. Februar starten DER W mit einer satten Werkschau in die Zukunft, bevor später dieses Jahr 2021 das neue Album kommt. Mit dem Pressure Magazine sprach Stephan über das aktuelle Zeitgeschehen und seine bevorstehende Musik-Veröffentlichung.

Hi Stephan, wie sieht derzeit der Alltag bei dir aus und wie vertreibst du die Zeit ohne Konzerte und Live-Auftritte?

Es wird auf alle Fälle nicht langweilig. Wir hatten die letzten Jahre wahnsinnig viel mit den Onkelz zu tun, die Festivals, Album, Tour, DVD, Album und und und. Das war eine großartige Zeit und wäre auch genau so weitergegangen, wenn nicht alles so abrupt runtergefahren worden wäre. Die totale Entschleunigung hat dann ein Zeitfenster für DER W aufgemacht, das wir jetzt konsequent ausnutzen wollen. Die Onkelz geben aus guten Gründen den Takt für alles vor, DER W muss seine Nischen in dem ganzen positiven Wahnsinn finden. „Operation Transformation“ ist das erste Ergebnis, „V“ wird folgen. An meinem Alltag hat sich also wenig geändert, es hat sich höchstens der Fokus um ein paar Nuancen von der Onkelz-Arbeit hin zur W-Arbeit verschoben.

Was hat sich seit den Beschränkungen durch den Virus für dich persönlich geändert? 

Wie du weißt, lebe ich seit vielen Jahren nicht mehr in Deutschland. Durch die Einreisebeschränkungen waren mehrere persönliche Termine, die mir sehr wichtig gewesen wären, nicht erreichbar. Ansonsten geht es mir hier im Alltag wie jedem von uns. Wir Musiker sind aber in der glücklichen Lage, ohnehin in der Regel im Homeoffice zu arbeiten. Ich versuche wie viele aus der Situation das beste zu machen und kümmere mich vermehrt um Familie, Liegengebliebenes und persönliches.

Welche Chancen und Risiken siehst du in der Krise?

Es ist in meiner Situation natürlich anmaßend, über Chancen der Krise zu sprechen. Ich bin gesund, wir haben in den letzten Jahren sehr viel Geld verdient und auch wenn uns die augenblickliche Situation mit ausfallenden Konzerten sehr viel Geld kostet, geht es uns gut und wir können diese finsteren, belastenden Monate wirtschaftlich einigermaßen gelassen aushalten. Während andere Menschen, auch und vor allem in unserer Branche um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen, was von Chancen zu fabulieren, ist nicht wirklich angebracht, dennoch gibt es sie.

Die Risiken liegen ja auf der Hand: Wenn es so weitergeht, bleiben vor allem in der Livebranche eine Menge großartige Leute, Clubs und Infrastruktur auf der Strecke. Da wird einem schon Angst und Bange.

Eine Chance für Musiker besteht darin, dass der Zwang zur Untätigkeit im Livebereich zu neuer Musik und neuen Ideen führt. Das ist allerdings ein Privileg, auf das ich gerne verzichten würde.

DER W Interview Stephan Weidner über das neue Album Operation Transformation

Einige sehen in der Pandemie die Chance auf weniger Konsum. Die Natur atmet auf, einfach weil das öffentliche Leben in den letzten Monaten weltweit heruntergefahren worden ist. Tiere trauen sich wieder in Gebiete, die sie wegen der vielen Menschen sonst mieden. In Indien ging die Luftverschmutzung wegen der Corona-Maßnahmen so weit zurück, dass Bewohner des Bundesstaates Punjab nach 30 Jahren erstmals wieder das Himalayagebirge zu Gesicht bekamen – und in Venedig sind Fische in den Kanälen plötzlich wieder zu erkennen und das Wasser aufklart. Das sind nur wenige Beispiele von vielen.

Natürlich zeigt sich in großen Krisen stets Charakter einer gesellschaftlichen Struktur. Aber wie eine Gesellschaft mit einem tödlichen Virus umgeht, liegt vor allem auch daran, welches Verständnis sie von sich selbst hat, welchen Stellenwert das Individuum besitzt und welche technischen, organisatorischen, staatlichen und finanziellen Möglichkeiten existieren. Leider machen wir vieles falsch und ziehen zu wenig Lehren daraus.

„Grünes Licht“ für Veranstaltungen in Deutschland scheint leider noch nicht in Sichtweite zu sein. Wie beurteilst du die Lage aus der Perspektive eines Künstlers?

An meinem konkreten Beispiel: Wir haben uns ja mit den Onkelz ein spannendes Programm zu unserem 40. Bandgeburtstag ausgedacht. Und wie man uns kennt, wird das natürlich kein Jubiläum von der Stange werden. Nicht zu wissen, wann und wenn in welcher Form wir diese vielen, vielen Ideen ins Stadion und die Hallen bringen können, zehrt schon und ist natürlich unbefriedigend. Ein Luxusproblem, natürlich. Allgemein hat die Covid-Pandemie die Kulturszene arg gebeutelt und es finden sich keinerlei kreative oder politischen Konzepte die mich an ein baldiges Ende des Dramas hoffen lassen.

Ich befürchte, dass Impfpässe die neuen Eintrittskarten für Veranstaltungen werden. Das und strenge Hygienekonzepte werden unsere Konzerte wohl noch eine Weile zu verhindern wissen. Vielleicht sind Virtual Reality und Streaming Konzerte eine Möglichkeit mit der wir uns verstärkt auseinandersetzen müssen. Ein Ersatz für ein Live Erlebnis kann das aber nicht werden.

Wir drücken die Daumen und hoffen, dass Kunst, in der Form, wie wir sie kennen, schon bald wieder vor Publikum stattfinden wird. Lass uns über dein neues Album „Operation Transformation“ sprechen. Warum war es jetzt für dich an der Zeit eine musikalische Bestandsaufnahme in Form einer „Best Of“ zu produzieren?

Wir, vor allem Dirk und ich, werkeln ja schon seit längerem immer mal wieder an Ideen für „V“, das neue reguläre Studioalbum, das auch bald erscheinen wird. Das zieht sich schon so lange, besonders durch die vielen Onkelz-Aktivitäten, die natürlich Priorität haben. Es hat mich ein bisschen genervt, dass ich immer wieder Neues vom W angekündigt habe und es sich dann doch wieder weiter verschoben hat.

Ich fand dann die Idee reizvoll, endlich ein Lebenszeichen rauszustellen und den Fokus damit mal wieder, auch für mich, ganz konkret auf den W zu lenken. Die Sinne schärfen, Vorfreude auf „V“ aufbauen und vor allem ein erstes Jahrzehnt Bandgeschichte schön abschließen. Ich finde, das haben wir uns verdient. Es ist eine sehr schöne Zeitreise geworden und wir haben wirklich viel reingelegt, um eben kein normales, langweiliges Best Of abzuliefern. Und für die Arbeit an „V“, die die ganze Zeit parallel läuft, hat das ganze Ding auch schon wertvolle Impulse geliefert.

Was hat die Produktion des Albums diesmal besonders gemacht?

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist ja immer eine interessante, manchmal schmerzhafte, meistens aber lohnende Erfahrung. Sich noch einmal durch alles durchhören, was man bisher so gemacht hat, macht man auch nicht alle Tage. Es war auf alle Fälle ein schönes Gefühl, zu merken, dass da nicht viel ist, was man im Rückblick ganz anders oder viel besser machen würde – oder vielleicht am besten gar nicht. Im Gegenteil. Fürs Booklet habe ich zu jedem Song meine Gedanken aufgeschrieben und wie du vielleicht gelesen hast, bin ich sehr im Reinen mit meinem Werk.

Umso mehr, da sich im Laufe des guten DER W-Jahrzehnts auch wirklich vieles auf wundersame Weise zum Guten gewendet hat. Das ganz bewusst noch einmal nachzuvollziehen, war für mich eine schöne Seelenreise. Und ich hoffe, dass das auch viele nachvollziehen können, die seit Anfang an dabei sind und sich das Album mit dem Booklet in der Hand mal am Stück durchhören.

Ich verstehe „Operation Transformation“ ja aber auch als würdiges Aufwärmprogramm für „V“. Da steckt schon eine Art Dramaturgie drin. Eine Hinführung quer durch vier Alben aufs neue, das fünfte. Deswegen haben wir mit „Ruach V“ auch Musik vom nächsten „richtigen“ Album auf die Werkschau gestellt.

Ich nehme an, dass die Produktion in Zusammenarbeit mit Dirk Czuya und Michael Mainx stattgefunden hat? Wie hat sich Zusammenarbeit in diesem Team auf dieses gemeinsame Arbeitsergebnis ausgewirkt?

Mit den beiden zu arbeiten, ist immer eine Freude. Micha hat eine Menge Einsatz, Ideen und Archivarbeit zu „Operation Transformation“ beigesteuert und hat von der ersten bis zur letzten Sekunde Input geliefert. Ihn bei einer Produktion dabei zu haben, sorgt einfach immer für ein gutes Gefühl und Sicherheit. Ganz abgesehen von seinen technischen und menschlichen Qualitäten. Wir arbeiten nicht umsonst schon seit 25 Jahren zusammen. Und wenn er es noch aushält, können da gerne noch 25 weitere Jahre dazukommen. (lacht)

Mit Dirk treibe ich derzeit die Arbeit an „V“ vorwärts und ich kann versprechen: Die Platte wird verdammt gut. Musikalisch haben wir eine ganze Menge krasses Zeug zusammen, die Textarbeit läuft auch. Ich will noch nicht zu viel versprechen, aber das Ding wird knallen.

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Interviewfragen von Marcus Liprecht – Pressure Magazine.

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Konzertfotos von Der W