No Sports Ska Band (Offizielles Bandfoto)
No Sports Ska Band (Offizielles Bandfoto)

Es gibt Bands, die sind plötzlich da und fester Bestandteil deines Lebens, weil sie den Soundtrack liefern, der gerade zu deinen Gefühlen und Gedanken passt. Noch Jahre später erinnerst du dich beim Anhören ihrer Lieder an wichtige Ereignisse deines jugendlichen Lebens, die dich geprägt und damit ein Stück weit zu dem gemacht haben, der du heute bist.

Viele Anhänger der Ska-Musik nennen bei der Aufzählung der für sie bedeutendsten Bands „No Sports“, welche in den 80er Jahren das  Musikgenre in Deutschland bekannter machten und seitdem bei vielen Kultstatus besitzen. Auch deshalb, weil sie sich bereits früh politisch positionierten, indem sie gesellschaftlich relevante Themen (nicht nur) musikalisch aufgriffen.

Im Gespräch mit Pressure gibt Bandmitglied Micha Auskunft darüber, wie er die aktuellen gesellschaftlichen Diskurse und Konflikte miterlebt und welche Rolle der Ska bei der Lösung dieser Missstände haben könnte.

Mit welchen Gefühlen blickst du aktuell auf die bundesweit stattfindenden Demonstrationen gegen die AfD?

Hm, Gefühle weiß ich nicht. Wenn ich dort bin, und ich versuche selbst so viel wie möglich auch präsent zu sein, dann ist es Aufregung und Freude wenn die Teilnehmerzahlen hoch sind. Ansonsten sind es eher Gedanken und Wahrnehmungen. Ich bin der Meinung, dass wir diese Demos dringend brauchen und es höchste Zeit dafür war. Unsere Demokratie ist in Gefahr mit demokratischen Mitteln abgeschafft zu werden. Das ist das Ziel der Rechten und der AfD als ihrer Partei. Da sind klare parallelen zu 1933 wahrzunehmen. Ich hoffe sehr, dass die Demos bis zu den wichtigen Landtagswahlen im Herbst aufrechterhalten werden und nicht über den Sommer nachlassen.

Wenn du die aktuelle politisch aufgeheizte Stimmung mit den Zeiten zu Beginn der 90er Jahre, als ihr musikalisch auch in den neuen Ländern tourtet,  vergleichst, welche Parallelen bzw. Unterschiede stellst du fest?

Ich denke der Unterschied besteht tatsächlich in der Aufgeheiztheit und der krassen Spaltung die mittlerweile den Diskurs bestimmt. Das hat definitiv mit Internet und sozialen Medien zu tun. Es gibt inzwischen überwiegend die Tendenz zu schwarz/weiß, für oder gegen Denken. Zu Beginn der 90er hatte das ganze eher den Charakter von Jugendrebellion wenn ich z.B. an die damalige Skinheadszene denke. Heute ist das alles sehr verhärtet und natürlich auch durch die inzwischen “etablierten” Institutionen der Rechten befeuert.

Meinst du, dass Ska-Konzerten noch als Treffpunkte subkultureller Sozialisation und des gemeinsamen Austausches dienen oder finden auch in dieser Subkultur die sozialen Prozesse vornehmlich in den sozialen Medien statt?

Wie schon in der letzten Antwort angesprochen, der Austausch findet überwiegend in den sozialen Medien statt. Und es ist tatsächlich eher ein Schlagabtausch festgefahrener Meinungen als ein miteinander diskutieren bei gegenseitigem Respekt und Toleranz für die jeweils andere Sicht und Standpunkt. SKA Konzerte erlebe ich heute eher als Unterhaltungsveranstaltung. Was nicht heißt, dass bei den Veranstaltungen kein politischer Kontext vorhanden ist.

Wann hast die eigentlich dein letztes Ska-Konzert im ländlichen Raum besucht?

Hm, das kann ich gar nicht beantworten, weil ich nicht richtig zu sagen vermag wo der ländliche Raum beginnt. Auf jeden Fall sind unsere Konzerte und auch meine Konzertbesuche eher in der Stadt. Ich habe kein eigenes Auto mehr und will auch gar keins haben, was den Besuch “auf dem Land” nicht gerade einfacher macht.

Mein Eindruck ist, dass- bis auf wenige Ausnahmen- das subkulturelle Szeneleben mittlerweile vornehmlich in größeren Städten stattfindet. Siehst du das ähnlich und wenn ja, welche Möglichkeiten gibt es, diese Entwicklung zu verändern?

JA, das kann ich so bestätigen, wenngleich es auch “auf dem Land” immernoch engagierte kleine Venues gibt. Ich würde da die Trennung eher da ziehen wo man von Einzugsgebiert oder Ballungsraum spricht. Das heißt größere Städte und alles im Umland was per Nachverkehr noch gut zu erreichen ist. Grundsätzlich hat die Club-, Kneipen- und Kulturszene sich nicht von der Corona-Zeit erholt. Welche Möglichkeiten es gibt das zu verändern kann ich nicht sagen. Die Orientierung der jungen Menschen folgt definitiv dem “Trend” der Urbanisierung. Und wo kein Publikum, und damit Nachfrage, mehr ist, gibt es immer weniger Angebote.

Während der Kleidungsstil von etlichen Jugendsubkulturen bei Ü30-Menschen eher komisch wirkt, haben viele Anhänger der Ska-Subkultur wenig Probleme, ihren adretten Kleidungsstil bis weit ins Erwachsenenalter hinüberzuretten. Fällt es dir manchmal bei anderen Dingen schwerer, sie ohne Selbstschämfaktor immer noch zu zelebrieren?

Haha, das kenne ich nicht. Der Selbstschämfaktor ist bei mir persönlich Null. Ich finde jede:r darf und soll sich so ausdrücken und ausleben wie sie/er es möchte und vertreten kann. Ich finde Buntheit generell bereichernder als Gleichschaltung. Ganz gleich ob es um Mode, Musikgeschmack oder sonstwas geht. Getreu dem Motto “die Freiheit des einzelnen endet wo eine Beeinträchtigung des/r Nächsten beginnt”. Wir haben viel zu viel Schubladendenken in unserer Gesellschaft. Mich z.B. würden viele auf Grund meiner äußeren Erscheinung eher in eine Rockband als in eine SKA-Band stecken. Was mich immer wieder sehr amüsiert.

Inwieweit trifft auf dich bzw. auf die Band  noch euer No Sports Motto „Stay rude stay rebel“ zu? An welchen konkreten Ereignissen machst du das fest?

Das trifft immer noch auf mich und die Band zu. Die Bedeutung ist ja, unbequem und rebellisch zu bleiben. Und dazu braucht es eine Haltung. Inzwischen werden ja viele Diskussionen von Meinungen beherrscht und leider nicht von Haltung. Und das bedeutet für uns, dass wir den Song in jedem Konzert spielen und dabei klare Stellung gegen Rassismus, Faschisten und Nazis beziehen.

Gehört zum selbst ernannten Rebellentum, dass eure Alben mittlerweile auf dem explizit politisch-antifaschistischen Sublabel „Black Butcher Records“ veröffentlicht bzw. nachgepresst werden oder steckt eine andere Anekdote hinter der Zusammenarbeit?

Dahinter steckt zweierlei. Black Butcher hat uns angefragt ob wir auf dem Label eine Reissue unserer ersten Plate “King SKA” rausbringen wollen, weil, wie er sagte, diese Platte einen ganz wesentlichen Einfluss auf ihn hatte damals. Und zum zweiten natürlich, weil wir uns auf dem Label viel wohler fühlen als bei einem primär kommerziellen. Also haben wir die Zusammenarbeit gleich ausgeweitet und 2021 unser letztes Album “TWANG!” dort rausgebracht. Und jetzt m Dezember ’23 noch die “Early Sessions”, eine Zusammenstellung aus unseren allerersten Demotapes mit teilweise unveröffentlichten Titeln. In den kommenden Wochen werden wir auch wieder ins Studio gehen und eine Single produzieren. Ich hoffe, dass die dann auch dort erscheint.

Inwieweit ist linke Politik deines Erachtens mit Ska-Musik verknüpft? Welche Gemeinsamkeiten haben beide Lebensstile?

Ich weiß nicht ob sich das so pauschal sagen lässt. In den 90ern war SKA ja auch durchaus Musik der rechten Skinheadszene. Ich kann mich noch erinnern, dass Unterschiede nach der Farbe der Schnürsenkel in den Stiefeln gemacht wurden. Und ursprünglich hat sich “Stay rude, stay rebel” ja auch an die Skinheadszene gerichtet. Als “Hymne” für die S.H.A.R.P (Skinheads against racial prejudice) Bewegung, die damals aus den USA hierher kam.

Ob es einen Lebensstil “linke Politik” gibt möchte ich bezweifeln. In der linken Politik gibt es viele unterschiedliche Lebensstile. Gerade weil dort die Haltung der Vielfalt, Toleranz und Buntheit vorherrscht.

Muss man als Künstler, der in einer Ska-Band spielt, eigentlich Utopist sein?

Ob das mit SKA etwas zu tun hat weiß ich nicht. Als Künstler:in, egal ob bildend oder schreibend, schauspielernd, tanzend oder eben musizierend ist man es. Da lehn ich mich jetzt mal weit raus und behaupte das einfach 😉

Ernst Bloch sagte: „Hoffnung heißt, auch an etwas zu glauben, von dem man genau weiß, es wird zu seinen Lebzeiten nicht verwirklicht werden können.“

Welche Hoffnungen hast du diesbezüglich?

Darauf möchte ich gern mit zwei Zitaten antworten:

Gleichgültig gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit zu sein ist unverzeihlich. Wenn es um ein edles Ziel geht spielt es keine große Rolle ob wir seine Verwirklichung noch erleben oder nicht. Darum dürfen wir niemals nachlassen unserem Bemühen und in unserer Beharrlichkeit.

  • der 14. Dalai Lama –

Alles, was geschieht, geschieht.
Alles, was, wenn es geschieht, etwas anderes bewirkt, bewirkt, dass etwas anderes geschieht.
Alles, was, wenn es geschieht, bewirkt, dass es wieder geschieht, geschieht wieder.
Allerdings geschieht dies nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge.
– Douglas Adams, Mostly harmless

Welche näher liegenden Ziele habt ihr demnächst mit No Sports, nachdem jetzt nahezu zeitgleich  „Early Sessions“ und „Twang“ als Vinyl-Nachpressungen wieder erschienen sind?

Wie schon vorhin erwähnt planen wir demnächst eine Single aufzunehmen. Im Juli diesen Jahres werden für ca. 10 Tage auf unsere 3. Japan Tournee gehen. Und ansonsten hoffentlich viele schöne Konzerte und Festivals spielen.

Und zum Schluss deine Geheimformel für alle da draußen, die sich gerade überlegen, Musik zu machen und vielleicht eine Band zu gründen? Was bzw. wen und vor allem wie viele braucht es, um ordentlich Ska-Musik zu machen?

1) macht Euer Ding. Musik ist eine universelle Sprache und wird dringend gebraucht.

2) macht es auch wenn’s nicht jedem gefällt oder nicht so “perfekt” ist

3) wenn ihr SKA machen wollt braucht ihr eine solide Rhythmus Sektion. Allem voran Drums und Bass. Und dann natürlich Bläser. Ich würde sagen mindestens zwei. Und zu guter letzt einen guten Sänger und Entertainer der einen guten Kontakt zum Publikum hält. Denn darum geht es bei Musik. Sie wird für Menschen gespielt, nicht um selbst zu glänzen.

Das Interview mit Micha von No Sports führte Sveni im Februar 2024

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