Von der Depression zur Hoffnung: Wie die Hamburger Skapunk-Band RANTANPLAN mit ihrem neuen Album ‚AHOI‘ ein neues Kapitel aufschlagen.

Nachdem das für Januar 2022 ursprüngliche geplante Album aufgrund der depressiven Stimmung während der Corona-Pandemie abgebrochen wurde, hat die Band all ihre kreative Energie in die Produktion eines optimistischen Album-Konzepts gesteckt, das den Hafen, das Meer, die Seefahrt, die Liebe und den Aufbruch thematisiert.

Das Album ist voller positiver Vibes und lässt den Hörer in eine Welt des Eskapismus und der Hoffnung eintauchen. Wir haben uns mit Bandleader Torben Möller-Meissner zusammengesetzt, um mehr über das Album und ihre Erfahrungen während der Produktion zu erfahren.

Was bedeutet es für euch, nach 26 Jahren immer noch aktiv zu sein und was motiviert euch weiterzumachen?

Torben: Es bedeutet mir nach wie vor unglaublich viel live zu spielen. Das ist eine der besten Sachen, der ich seit langem nachgehen darf und solange es geht, mag ich das gern weiterhin tun.

Musik ist mein Ventil. Da kann ich Dampf ablassen und mit anderen total abrocken. Das bringt nebenbei auch Dampf auf den Kessel und funzt live deluxe.

Wie habt ihr es geschafft, über die Jahre hinweg kontinuierlich neue Musik zu produzieren und eure Fans bei Laune zu halten?

Ich schreibe Songs als Reaktion auf die Welt. Das hilft mir, mit allgemein deprimierenden Tatsachen besser umzugehen. Ich bekomme auch Feedback von Leuten, die beim Hören der Songs ähnlich empfinden. Dafür macht man‘s dann auch gerne.

Die Kontinuität ist schon durch die Ventilfunktion gegeben. Klar. Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass man neue Sachen macht. Aber wir entwickeln immer irgendeine Spinnerei und meistens mündet sowas in Songs…

Wie habt ihr eure Wurzeln in der Hamburger Punkszene gesehen und wie hat diese eure Musik beeinflusst?

Du spielst auf den Titel unseres Debut-Albums an *lacht*
Das ist auch die einzige Verbindung. Wir haben früher scherzhaft gesagt, wir sind die Raucherecke der Hamburger Schule. Das ist total witzig: von der damaligen Hamburger Musikszene kam fast keiner aus Hamburg. Aber ich muss gerade rumtönen. Teile von Rantanplan sind mittlerweile auch über die Republik verstreut, oder kommen von ganz woanders her.

Ich wusste von Anfang an, wie Rantanplan klingen sollte und meine Einflüsse lagen eher bei Operation Ivy, Rancid, NoFX oder Mighty Mighty Bosstones, als beim heimischen Sound.

Aber klar war auch: Die textliche Messlatte liegt hoch.

Wie wichtig ist euch die Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Kantigkeit in eurer Musik?

Wer, außer Dieter Bohlen, würde das für unwichtig erachten? Ich mache hanseatischen Reggae. Das ist auch ein bisschen wie Fahrradfahren mit Gullydeckeln. Unsere ganz persönliche Nische.

Wie lautet euer Urteil, wenn wir diese Attribute einmal auf die heutige Gesellschaft und Politik übertragen?

Politik und Ehrlichkeit schließen sich aus. Unsere Gesellschaft ist zu einer dauershitstormenden Like/Dislike-Gesellschaft verkommen, deren Rahmen immer enger, alles immer mainstreamiger wird. Wir crashen da rein. Ich bin Syndikalist und bei Rantanplan bekommt jeder seinen gleichen Teil. Im Freundeskreis ist Ehrlichkeit eigentlich das höchste Gut und bei jahrelangen Freundschaften unabdingbar.

Wie wichtig sind euch politische und gesellschaftliche Themen in euren Texten und wie nutzt ihr eure Musik, um diese zu vermitteln?

Das ist uns sehr wichtig.

Die Welt steht am Abgrund und ernsthafte Ansätze dem Klimawandel oder dem Kriegstreiben adäquat zu begegnen gibt es nicht. Die Politiker von Heute sind immer mehr Marke Vollpfosten und reißen letztendlich in große Schei**e rein.

Dennoch sind unsere meisten Lieder nicht vordergründig politisch, eher subtil.

Zu Tagespolitischem findet man auf der „Ahoi“ höchstens was bei „Plädoyer für die Elbmündung“, in dem es um Elbvertiefung und Flutkatastrophe geht. Wir machen immer mal wieder politische Lieder, aber es ist schwer, dabei nicht allzu platt zu sein.

Nur weil wir versuchen den Veganismus voranzubringen, heißt das nicht, dass wir jetzt Tierschutzlieder schreiben werden. Obwohl das eine sehr gute Idee ist. Aber auch eher schwer…

Wie beschreibt ihr eure Musik und was inspiriert euch bei der Entstehung eures Sounds?

Wir machen rotlichtnahen Sankt Pauli Skapunk. Hergestellt, um getanzt zu werden. Wir versuchen immer auch die Kniekehle anzusprechen und am Ende gehen alle mit einem Lächeln nach Haus.

Ich befinde mich schon seit sehr langer Zeit auf der Jagd nach dem perfekten Punkrock-Song und die geht wohl auch noch eine Weile so weiter.

Wie gespannt seid ihr auf den bevorstehenden Release und wie geht es euch mit den fertigen Songs?

Die Songs sind Klasse geworden. Benno Kupsa hat die Produktion getaktet und dem ganzen ein kleines Krönchen produziert. Wir sind natürlich gespannt wie Flitzebogen, ob das Album den Leuten taugt. Wir sind da aber auch zuversichtlich, denn das Zeug ist echt stark.

Der 24.2. als Release-Tag ist natürlich etwas unglücklich, weil sich da ja der Ukrainekrieg jährt. Andererseits begann dieser Krieg eigentlich am 20.2.2014 und in kriegerische Handlungen verstrickt sich die Menschheit seit einem Vierteljahrtausend durchgehend (!).

Es gibt eh bald keinen Tag mehr, an dem nicht mal etwas Schreckliches passiert ist und der Release der „Ahoi“ wurde ja auch schon seinerseits um 13 Monate verschoben und da konnte hier noch niemand voraussehen, dass Putin in die Ukraine einmarschieren würde. Upps.

Außerdem muss man sowas zumindest am Rande versuchen, positiv zu besetzen.  Bei all dem schrecklichen in der Welt brauchen wir umso mehr Musik auf die Ohren, um das zu ertragen.

Wie habt ihr während der Pandemie an der Entstehung des Albums „AHOI“ gearbeitet und was waren die Herausforderungen?

Man durfte sich ja nicht treffen und deshalb fing ich an mit und bei unserem Manager Flo erste Songs zu produzieren. So nahm man step by step auf und läpperte erste Nummern zusammen. Aber das Ganze war nicht dasselbe und auch das Songmaterial ging ins Düstere über. Säufer-Depri-Lyrik, wird zu gegebener Zeit hoffentlich mal wieder in sein, aber wir wollten das nicht.

Wir wollten nach all der Kackzeit ein positives Zeichen setzen und Leute dazu einladen, kurz etwas bei uns zu entspannen.

Wir haben dann auf halber Strecke einen Cut gemacht und alles über Bord geworfen, sind mit unserem alten Buddy Benno Kupsa ins Clouds Hill Studio und haben nochmal neues Zeug ganz von vorne aufgenommen und doch noch die Kurve zum Licht bekommen.

Wie beschreibt ihr den Sound des neuen Albums im Vergleich zu euren früheren Arbeiten?

Also Benno hat uns da einen soliden modernen Sound hingezaubert. Produktionstechnisch haben wir ja schon ’ne Menge durch bei zehn Alben. Gemischt hat er das neue Album bei seinem Vater im Tao Studio.

Am Ende sind die Unterschiede zwischen den Alben für mich immer nur Nuancen. Die „Licht und Schatten“ hat krachige Gitarren und Synthies – Die „Stay Rudel – Stay Rebel“ hat mehr Bass-Verzerrer… Wir spielen immer Gitarre, Bass und Schlagzeug live ein, denn wenn das zusammen schon nicht bockt, ist es auch nicht der weiteren Mühe wert.

Heutzutage ist es mit Computern relativ leicht, einen vernünftigen Sound aufzunehmen und man hat viele Schneidemöglichkeiten. Die meisten Rantanplan Alben sind noch echte Tonbandproduktionen, da musste noch wirklich Band zerschnitten werden und deshalb konnte man besser seinen Part auch tatsächlich zu Aufnahmen spielen. Wir spielen eigentlich immer jeden Song komplett durch. Sowieso. Das ist ein Vorteil, wenn man jahrelang zusammen Musik macht. Dann füllt jeder seinen Raum, selbst in den einfachsten Riffs. Da kannst du noch so viele Spuren aufnehmen, diese Power bekommst du nicht.

Welche Emotionen oder Erfahrungen habt ihr in die Lieder eingeflochten?

Mir fällt es anscheinend recht leicht, Lieder übers Meer zu schreiben. Erstmals bei einer Rantanplan-Produktion hatte ich keinerlei Textnotizen, oder sowas. Die Texte saßen alle 100% und eigentlich ist das an sich ein guter Qualitätsmesser. Mütterlicherseits waren da einige Männer Seeleute und mein Opa hat mich öfter mal mit raus auf die Ost- und Nordsee genommen. Das war eine 7,40m lange Segeljacht mit vier Schlafplätzen und ich durfte stundenlang auf dem offenen Meer steuern und die Piratenflagge haben wir auch gehisst. Das steckt natürlich auch alles in der „AHOI“

Das Album musste auch einfach raus. Ich wäre fast geplatzt. Es tat so gut, als alles im Kasten war.

Was inspirierte euch bei der Schaffung des Albums und welche Ziele hattet ihr dabei im Hinterkopf?

Die Inspiration liegt in Familie und Herkunft. Der Hamburger Hafen ist ein Industriekoloss. Das prägt.

Wenn man das zehnte Studioalbum als Punkrock Underground Band rausbringt, steckt man sich keine großen Ziele, sondern macht einfach.

Natürlich möchte man gerne höhere Verkaufszahlen, aber die sind nun mal allgemein unaufhaltsam rückläufig und gehen irgendwann gen null. Woran also den Erfolg messen? Wovon den ganzen Scheiß bezahlen? Egal. Dafür gehen dann halt die Gagen drauf. Im Falle der „AHOI“ hatten wir das ungemeinen Glück eine Förderung der Initiative Musik erhalten zu haben, die es uns ermöglichte, in einem guten Arbeits-Rahmen anständig zu produzieren. 

Könnt ihr uns etwas über die Bedeutung des Titels „Ahoi“ erzählen?

Der Song ist wie ein Piratenschiff auf dem du spontan anheuern kannst, um mal kurz der grauen Alltagshölle zu entkommen. Aber der Albumtitel war vor dem Lied da und mit dem wollten wir einfach ein grundpositives Komm-mit-an-Bord-und-Leinen-los-Signal raushauen. Die Zeiten waren und sind einfach hart genug. Alles hängt im Seil und irgendwo da draußen sind unsere Leute versprengt in den Gräben. Denen wollen wir mit Rantanplan ein Radio sein.

Kannst du über einen bestimmten Track auf dem Album sprechen, auf den du dich besonders freust, wenn die Fans ihn hören?

„Süßwasser“.

Den Track habe ich anfangs immer im Wohnzimmer mit meiner kleinen Tochter am Keyboard zelebriert und ein paar Freunde haben auch sehr auf die akustische Version schon geflasht.

Ich mag die Nummer einfach unglaublich gerne hören. Bin gespannt wer das noch so sieht!?

Welche Reaktionen erwartet ihr von euren Fans auf das neue Album?

Ich hoffe es kommt gut an, aber eigentlich sind wir da auch alle sehr zuversichtlich. Wenn jemand nun partout keine Lieder über das Meer mag, dann ist die „Ahoi“ natürlich nix. Wäre schon cool, wenn viele Leute zu den Gigs kommen, um das neue Zeug mit uns zu tanzen.

Wie seht ihr die Zukunft von Rantanplan und welche Projekte habt ihr als nächstes geplant?

Gerade heute sind wir mit dem Heimspieltermin in Hamburg rausgekommen. 16.12. Uebel&Gefährlich. Markthalle mit ZSK am 25.Februar ist ja seit Ewigkeiten ausverkauft.

Ich möchte unbedingt mein nächstes Soloalbum machen. Mit der Zeit haben sich da einfach zu viele Songs angestaut. 

Als Band wollen wir erstmal schauen, wie die AHOI letztlich funzt. Danach dann aber wieder die nächste Scheibe in Angriff nehmen.

Rantanplan - Ahoi - Album Plattencover 2023
Rantanplan – Ahoi – Album Plattencover 2023

Inwiefern hat sich die Pandemie auf eure Planung ausgewirkt, zu proben und euch auf Live-Auftritte vorzubereiten?

Im Lockdown war ja nix mit treffen, oder gar proben. Wir haben uns einmal alle per Zoom gemeinsam getrennt besoffen. Ich dachte irgendwann, wir werden nie wieder Musik machen und als es dann langsam wieder losging, waren wir alle furchtbar schlapp. Ich hab mich mit einem Freund, in seiner Bar auf St.Pauli getroffen und wir haben Songs geschrieben und gesoffen. Dabei ist „Ein Zwei Drei“ entstanden. Draußen war andauernd die Schmiere mit Blaulicht am Start und wir haben uns dann immer geduckt.

Als wir dann irgendwann in einem bestuhlt und betischten Zirkuszelt ohne Wände und mit Lüftung einen Gig hatten, mussten wir mit improvisierter Besetzung spielen, weil der Lockdown-Babyboom auch vor unserer Band nicht haltgemacht hat 🙂

Probetechnisch sind wir echt faul geworden. Das machen wir nur noch äußerst selten.

Was können die Zuhörer bei einem Konzert von Rantanplan erwarten und wie wichtig ist euch die Interaktion mit eurem Publikum?

Wir spielen live energetischen Punkrock ohne Netz und doppelten Boden. Dh bei uns läuft kein Sequenzer mit, der Spuren abspielt damit es fetter klingt. Wenn es gut läuft, ist der ganze Saal am tanzen und wir schwingen uns, vor allem mit den Leuten aus den ersten Reihen, eh gegenseitig hoch. Jedenfalls ist so ein Rantanplan-Konzert eine schweißtreibende Sache und ziemlich gut für die Durchblutung.

Was sind eure Pläne für die Zukunft und worauf können die Fans von Rantanplan in den nächsten Jahren gespannt sein?

Ich treffe mich schon wieder mit Benno zwecks Songs für die nächste Scheibe. Wir diskutieren auch gerade, ob wir vom letzten Heimspielkonzert im Uebel&Gefährlich vielleicht ein Live-Album rausbringen sollten. Wir haben da teilweise zu 11. auf der Bühne gestanden und eine ganz geile einmalige Stimmung eingefangen.

Im April 2020 hätten wir eigentlich in Moskau spielen sollen und hatten uns wie kleine Kinder drauf gefreut. Jetzt sieht alles so aus, dass es uns dort niemals live geben wird.

Wir hoffen immer noch inständig darauf, dass die Welt einen Frieden finden mag, der diese Bezeichnung nicht lästert. Danke für das Interview.

Das Rantanplan Interview mit Torben Möller-Meissner führte Marcus Liprecht im Februar 2023

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Videogruß von Rantanplan Sänger Torben Möller-Meissner an die Pressure Magazine Community (Februar 2023)

RANTANPLAN – AHOI Tourdaten und Termine:

23.02.2023 (GER) Berlin, SO36

24.02.2023 (GER) Essen, Don’t Panic

25.02.2023 (GER) Hamburg, Markthalle

24.03.2023 (GER) Weinheim, Café Central

25.03.2023 (GER) Köln, Live Music Hall

21.04.2023 (GER) Göttingen, Musa

22.04.2023 (GER) Unterwaldhausen, Querbeat Festival

29.04.2023 (AUT) Wien, Arena

30.04.2023 (GER) Coesfeld, Punk In Den Mai

04.05.2023 (GER) Deutzen, Rock Am Kuhteich

19.05.2023 (GER) Kassel, Goldgrube

20.05.2023 (GER) Bielefeld, Leinenweber Markt

02.06.2023 (GER) Karlsruhe, AKK Sommer Festival

09.06.2023 (GER) Auhausen-Dornstadt, Wudzdog

30.6.-2-7.23 (GER) Seligenstadt, Rock Am Main Open Air

30.6.-2.7.23 (GER) Hünxe, Ruhrpott Rodeo

29.07.2023 (GER) Montabaur, SUBWOOD Festival

20.08.2023 (GER) Karben, Karben Open Air

25.08.2023 (GER) Hameln, Paddy Rock Open Air

26.08.2023 (GER) Hamburg, Damage Done

6.-7.10.23 (GER) Menden, Hardcore Hills

09.12.2023 (AUT) Wien, Arena

16.12.2023 (GER) Hamburg, Uebel & Gefährlich

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