Label: Sunny Bastards
Veröffentlichung: 20.11.2006
Der erste Gedanke, nachdem Track Nummer eins 37 Sekunden lang aus den Lautsprechern scheppert: Onkelz. Phase um 1990. Prollig, laut, solide, textlich irgendwo zwischen Gosse und Vorlesungssaal. Und immer von sich selbst überzeugt. Überhaupt die Geilsten. Auch wenn das alle anders sehen.
Das schaut dann im Falle von Drop Out Chaos so aus: „Hier ist die Band / die bald jeder kennt / hier ist die Band / mit Gewaltpotential / schöne Grüße an den Staatsanwalt / ihr werdet viel von uns hören„. Hässlich, brutal und gewalttätig? Aber nein doch, auch wenn das wiederholt gut gebrüllte „Jaaa!“ nicht nur original Russell klingt, sondern auch zum Ballen der Faust einlädt. Sänger und Gitarrist Dennis geht selbigem übrigens in steter Regelmäßigkeit nach, bekleidet als Profi-Boxer derzeit bundesweit den vierten Rang und ist kurz davor, die Deutsche Meisterschaft zu erkämpfen.
Musikalisch lassen sich die Berliner Drop Out Chaos am ehesten als Streetrocker beschreiben. Melodischer Gesang, ordentliche Arbeit an Schlagzeug und Gitarre. Und vor allen Dingen Format. Attitüde und Lyrics stimmen. Prolligere Songs wie „Länderspiel“ oder „Du bist die Schönste“ sollten – ähnlich den Onkelz-Frühwerken – mindestens mit einem Augenzwinkern genossen werden. Wer das nicht packt, wird natürlich auch hier einmal mehr die geistigen Brandstifter ausmachen. Dem sei schon mal entgegengesetzt, dass Drop Out Chaos auf Sunny Bastards erscheinen, einem Label, dass sich generell um jene Bands und vor allem Filme kümmert, die eine wirkliche Aussage haben und dabei der Szene auch gerne den Spiegel vorhalten. Ideologien finden sich auf der Scheibe also keine, selbst wenn man altbekannte Themen wie Fußballgewalt, übertriebene Männlichkeit und Sex beackert.
Generell sei angemerkt, dass jedes der Themen aus einer extremeren Perspektive besungen wird. Suizid ist die Lösung, Selbstliebe gut, Angst nicht vorhanden und die Ex eine Schlampe. Nachzulesen ist alles im wirklich gut aufgemachten Booklet. Hier wurde nicht gegeizt, selbst ein ordentlich gephotoshopptes Bandfoto ist dabei.
Fazit: Das rund 42 Minuten lange Debut kann sich wirklich sehen lassen. Songs, Texte und Aufmachung stimmen, geboten wird erdiger Rock aus den Straßen der Hauptstadt, mal melodisch, mal eher neue deutsche Härte, aber immer glaubwürdig. Textlich manchmal diskutabel, dennoch nie stumpf, stattdessen sogar hier und da richtig reflektiert. Anspieltipps sind der Opener „Drop Out„, der arg an „Für immer“ erinnernde Lovesong „Nie vergessen“ und „Ich gegen alle„, das nun auch als Hymne bei Dennis‘ Einmarsch in den Ring läuft. Stimmlich sind zwar die Onkelz allgegenwärtig, dennoch handelt es sich hier nicht um einen weiteren Abklatsch, sondern ein eigenständiges Produkt. Und das überzeugt in seiner Gesamtheit wirklich.
Wertung: 0=5 Sterne