Freitag, April 26, 2024

Die kleinen Götter – Der Schatz der Riffpiraten

Label: mossBEACH music
Veröffentlichung: 19. September 2005

Die kleinen Götter sind im Rest der Welt sicherlich noch nicht so bekannt, aber wer einmal das schöne Örtchen Konstanz seine Heimat nennen durfte, dem ist diese Band mit Sicherheit ein Begriff. Denn jede Stadt hat seine lokale Band – und in Konstanz sind das eben die Götter. Ich selbst habe auch vier Jahre in der Stadt am Bodensee gewohnt und kenne die vier daher. Ich bin durch Zufall auf die Band gestoßen, als sie als Vorgruppe für „Benzin“ im stadtbekannten KuLa gespielt haben. Ich hatte derart viel Spaß, dass ich mich schlau gemacht habe und seither verfolge, was die Jungs so treiben. Denn die kleinen Götter verstehen es, auf der Bühne Geschichten zu erzählen. Sie rotzen ihre Lieder nicht einfach nur runter, sondern kommunizieren mit dem Publikum und verpacken ihre Songs in eine zwar technisch wenig spektakuläre, aber dennoch sehr spaßige und vor allem rockige Bühnenshow, so dass man mit einem Lächeln auf dem Gesicht das Konzert verlässt. Klingt kitschig? Ist es auch! Denn diese Art, auf einer Bühne Geschichten zu erzählen, haben sie auch auf ihrer Platte „Der Schatz der Riffpiraten“ drauf – und die enthält nicht nur Piratenträume und Schifffahrtsromantik, sondern auch andere Storys über „das Leben“. Bisher kannte ich außer der Live-Performance nichts der Götter, deshalb ist es umso erfreulicher zu hören, dass der gute Eindruck, den sie sich live erspielt haben, auch auf CD gebannt werden konnte. Zunächst fällt mir auf, was mir zuvor nicht so in Ohr drang: Sänger Till klingt in manchen Liedern stark nach Bela B. Besonders fällt das in „Tage wie dieser“ auf. Das ist mit Sicherheit keine Absicht, doch eine weitere Ähnlichkeit mit den Ärzten fällt mir beim Durchblättern des Booklets auf: Mit der besten Band der Welt teilen sie auch noch den Größenwahn. So nennen sich die Burschen Till Toll, Schwester Tino, Dani Debilo und Bassgott Schock. Auch der Bandname spricht für sich. Selbst die Liedtexte zeugen von einer Selbstsicherheit ohne Gleichen: „Päpste mögen sterben, die Götter werden ewig leben“. Aber dieser Auszug stammt aus „Unsterblich“ und ist keineswegs als Hommage an sich selbst gedacht, sondern eigentlich an die Fans der Götter: „Hallo Freunde! Achtung, hier kommt die Botschaft: Nur weil es euch gibt, kann es uns geben. Götter Ultras, 1. FC Götter.“ – die beiden Fanclubs der Band. Ein schönes Geschenk. Die meisten der 14 Songs auf der Scheibe sind melodischer Punkrock, der in die Beine geht. Man möchte eigentlich sofort anfangen, wild zu tanzen und durchs Zimmer zu hüpfen. Etwas ruhiger kommt „R.B.Y.P.“ daher und macht auch textlich nachdenklich: „Was die Zukunft wohl noch bringt? Das Leben ist ein Labyrinth. Selten weiß man, wo man steht und wo der Weg noch hingeht. Schatten im Dunkel und im Licht. Ein Spaziergang wird das nicht.“ Dem Punkrock wird auch gewürdigt – denn „Wenn Annika träumt“, kann sie den Punkrock-Himmel sehen. Dabei fallen ein paar Klischees wie Piercings, Che Guevara und die berüchtigten fünf Akkorde. Generell kann man sagen, dass man bei den Texten etwas genauer hinhören sollte, denn die sind alles andere als sinnfrei oder einfach nur Beiwerk zur Musik. Mit einem feinen Gespür für die Kleinigkeiten des Alltags und in einfachen, aber eindringlichen Worten und Sätzen fassen sie ihre Welt zusammen. Mit diesen deutschen Texten kann eigentlich jeder etwas anfangen und eventuell auch seine eigene Geschichte darin wieder entdecken. Diese Kreativität zeigt sich auch im bereits angesprochenen Booklet. Mit stilvollen, feinen Zeichnungen ausgestattet kann man darin die Geschichte zum Schatz der Riffpiraten in nicht ganz vollständigen Kapiteln lesen. Insgesamt ist die Platte sehr rockig, aber dabei nicht hart und auf die Fresse, sondern eher sehr melodisch, mit Hooklines, die sich direkt in den Gehörgang bohren und auch Tage nach dem Hören der Platte noch zum Summen verführen. Alles in allem gut gemachter Punkrock mit hohem Spaßfaktor. Der lokale Einschlag kommt selten durch – live noch mehr als auf Platte gebannt. Nur einmal musste ich schmunzeln, als ich in „Springen“ vom Schwaketenbad – dem örtlichen Schwimmbad in Konstanz – hörte. Doch die Götter sollten keine lokale Größe bleiben – dafür sind sie einfach zu gut.

Wertung: 0=5 Sterne

Pressure Magazine
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