KISS Live in Leipzig 2019 - Foto Credits: Tilo Klein @Tilografie
KISS Live in Leipzig 2019 - Foto Credits: Tilo Klein @Tilografie

Wer kennt sie nicht? Die sagenumwobene „Abschiedstour“, die von Bands über Jahre hinweg gezogen wird und schlussendlich doch kein wirkliches Ende bedeutet. Auch bei KISS sah es 2019 danach aus, dass die „End of the Road“-Welttournee einfach eine weitere Cashcow im Abverkauf- Universum des US-Quartetts sein könnte. Doch durch die Corona-Unterbrechung und das runde Band-Jubiläum von 50 Jahren gibt es nun doch einen selbstbestimmten Abgang in Würde. München wird dabei auf dem Weg gleich zweimal beglückt. Schon 2019 gastierten die ursprünglich aus New York stammenden Mannen auf dem altehrwürdigen Königsplatz und ließen die umliegenden Gebäude aus dem 19. und 20. Jahrhundert ordentlich beben. Daher durfte man 2023 gespannt sein, inwieweit sich Show, Setlist und Band verändert haben.

Doch wie üblich will die Menge (diesmal 17.000 Leute) mit einem ordentlichen Support aufgewärmt werden. Diesen Job erledigen die hyperaktiven Airbourne aus Australien, die zwar nicht zu Unrecht Vergleichen mit AC/DC ausgesetzt sind, aber eine ganz eigene Art von Energie auf die Bühne bringen, die ansteckend ist. Die Fans fressen ihnen aus der Hand, während Frontmann Joel O’Keeffe sich bisweilen sogar auf Schultern durch den vorderen Bereich der Menge tragen lässt und immer wieder durch gezielte Würfe halb volle Bierbecher mit den durstigen Zuschauern teilt. Durch Musik und Wetter ordentlich angeheizt, ist München aber schnell bereit sich dem Mainact zu widmen, der so oft und nun zum letzten Mal in der bayerischen Landeshauptstadt angekündigt wird: „You want the best? You got the best! The hottest band in the world! KISS!“

Und so großmundig ist auch der Einstieg mit „Detroit Rock City“ und einer ganzen Batterie an Pyros und Explosionen on top. Schon ab diesem Moment merkt man wofür man die teils sehr hohen Kartenpreise bezahlt hat. Eine ähnlich große Produktion werden aktuell wohl nur die geschassten Rammstein haben. Genau auf diesem Niveau und mit Hit nach Hit geht es weiter. Ob Evergreens wie „Shout It Out loud“ und „Deuce“ oder Deep-Cuts wie „Cold Gin“ – es ist für jeden etwas geboten, der nur ansatzweise Begeisterung für die geschminkten Hardrocker aufbringen kann. Diese zu empfinden ist nicht schwer, wenn nicht nur großartiger Sound, sondern auch eine unvergleichliche Show geboten wird und von dieser nicht zu wenig. Es ist eigentlich schier unfassbar, dass sich ein 71- jähriger Paul Stanley in gigantischen Plateau-Schuhen über eine Seilbahn auf eine zusätzliche Bühne schwingt, um „Love Gun“ und „Black Diamond“ zu performen oder der 73-jährige Gene Simmons Feuer spuckt und sein berühmt-berüchtigtes Bass-Solo samt Blut-Gespucke zum Besten gibt, ohne dabei lächerlich zu wirken. Das nennt man wohl Bühnenerfahrung und Professionalität, die man sich nur über Jahrzehnte aneignen kann.

Im eben beschriebener Taktung ackern sich die vier Musiker durch ihre eigene Band-Geschichte und so gut wie alle Effekte, die man sich über die Dekaden drauf geschafft hat, bis die ersten Töne der Zugabe den finalen Abschied einer Legende einläuten. Der Drummer Eric Singer gibt hierbei das obligatorische „Beth“ am herbeigeschafften Klavier zum Besten, bevor die Show mit „I Was Made for Lovin’ You“ und „Rock and Roll All Nite“ ihren würdigen Abschluss findet. Zwar kam zu keinem Punkt das wehmütige Gefühl auf, sich nie wieder sehen zu können, aber vielleicht gehört das Sentimentale nach einer so langen Karriere auch der Vergangenheit an. Und so wie man den zuletzt auf die Leinwände projizierten Satz „KISS loves you, Munich“ unterstreichen kann, gilt das auch rückwirkend. Die Münchner werden Paul, Gene, Tommy und Eric vermissen, aber die Erinnerung wird bleiben.

KISS Konzertbericht von Igor Barkan

Kommentiere den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte Namen eingeben