Rock-O-Rama – mehr als ein stinkender Label-Mythos?

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Wer kennt sie nicht, die Fotos ausgezehrter Soldaten der letzten Weltkriege, die die Plattencover zahlreicher Punkbands wie „OHL“ (Oberste Heeresleitung) zu Beginn der 80er Jahre „schmückten“ und zu deren Bekanntheit sicherlich ihren Teil beitrugen? Während sich die erwähnte Band selbst für das punkuntypische Cover entschied, übernahm das in anderen Fällen der Chef von „Rock-O-Rama“ (ROR), Herbert Egoldt. 

Björn Fischer, Autor des Sachbuches „Rock-O-Rama – als die Deutschen kamen“, setzt sich mit dem Schmuddel-Label und seinem Chef Egoldt auf über 400 Seiten auseinander. 400 Seiten, die Zeugnis davon abliefern, wie die Gesetze des Marktes bereits wenige Jahre nach dem Entstehen der Jugendsubkultur Punk diese vereinnahmen konnten.

Denn das Label mit Sitz in Brühl produzierte zuerst ausschließlichTonträger deutscher Hardcore-Punkbands wie „Brutal verschimmelt“, die sich auf die Fahnen schrieben, härter, aggressiver, provokanter als andere Punkbands in der damaligen Szene zu sein. Und wahrscheinlich waren sie wie im Fall von „Cotzbrocken“ auch unpolitischer, kognitiv und musikalisch unambitionierter als andere und ließen sich auf die Knebelverträge von „Rock-O-Rama“ bereitwillig ein… Oder sie haben einfach zu viel Alkohol konsumiert, anders kann man sich aus heutiger Sicht manche der Liedtexte nicht erklären oder schönreden.

 Im Fall von „Cotzbrocken“funktionierte wenigstens das Provozieren recht erfolgreich, da die Platte „Jedem das Seine“ von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurde und trotz der miesen Aufnahmequalität Kultstatus erreichte und dadurch kommerziell „interessant“ wurde. 

Mitte der achtziger Jahre fanden sich wahrscheinlich aus diesen kommerziellen Gründen im Label-Repertoire bald Veröffentlichungen von Rechtsrockbands, wie „Endstufe“, „Störkraft“ und „Skrewdriver“ usw. Egoldt unterhielt selbst Kontakte zum Sänger und Gründer der „Blood and Honour“-Bewegung Ian Stuart und verdiente sich durch den Verkauf mehr als ein goldenes Näschen. Laut den im Buch zu Wort kommenden Zeitzeugen war dieses Interesse vermutlich tendenziell eher wirtschaftlicher Natur, weil man eben mit Rechtsrock gute Umsätze und auch Gewinne einstreichen konnte. Und immer noch kann.

Nichtsdestotrotz wurde „Rock-O-Rama“ durch dieses Engagement in Sachen Rechtsrock endgültig zum NO-GO vieler Punkrocker. Völlig nebulös blieb bis zum heutigen Tag die Rolle der „Figur Egoldt“ in diesem Spiel. Egoldt blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2005 der medienscheue Label-Chef, der an seinem perfiden Geschäftsmodell festhielt.

Mehr als ein bisschen Licht ins Dunkel kann das Buch von Björn Fischer liefern, ebenso welche „Macher“ heute hinter „Rock-O-Rama“ stecken. 

Meine Empfehlung: Kaufen und lesen; und es würde mich nicht wundern, wenn die Gesetze des Marktes auch beim Buch „Rock-O-Rama – als die Deutschen kamen“ (zurecht) greifen werden, da es u.a.  ein eigenes Kapitel über die „Böhsen Onkelz“ gibt, die ihre ersten drei Tonträger („Der nette Mann“, „Mexiko“ und „Böse Menschen – böse Lieder“) bei „ROR“ veröffentlichten und schnell zu einem der „Zugpferde“ des Labels wurden. 

Buchkritik von Sven im April 2022

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Rock-O-Rama – mehr als ein stinkender Label-Mythos?
Rock-O-Rama – mehr als ein stinkender Label-Mythos?

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