Lange noch nicht ausgestorben! Interview mit Gerre, Sänger der Trashmetal-Saurier Tankard, über die Vorzüge physischer Musikdatenträger im Zeitalter von Streamingdiensten.

Als Tankard vor 40 Jahren gegründet wurde, gab es erste Musik-CDs auf dem Markt (vgl.: Rolling Stone Artikel über 40 Jahre CD).

Lieber Gerre – weißt du, welche Band damals als erste ihr neuestes Album als CD veröffentlichte? 

Nein, da müsste ich passen. Aber aus meiner Erinnerung heraus habe ich gedacht, dass die CD erst am Ende der 80er Jahre bzw. zu Beginn der 90er Jahre herausgekommen wäre.

Ich gehöre selbst der Gattung der physischen Tonträgersammler, einer aussterbenden Spezies, an. Ich persönlich brauch´noch was in der Hand – ein Cover, einen Tonträger. Da bin ich, wie übrigens viele andere Metal-Fans auch, recht konservativ. Allerdings ist das Unterfangen, einem 14-Jährigen zu erklären, was eine Kassette ist, beinahe aussichtslos.

Gibt es eine persönliche Anekdote über den Kauf deiner ersten CD? 

Das war der Kauf  einer CD von Anvil zu Beginn der 90er Jahre. Das Album hatte ich als echter Fan natürlich bereits in mehreren Vinyl-Versionen und wollte es der Vollständigkeit halber auch als CD besitzen. Es war gleichzeitig der Startschuss, dass ich mir fortan mehr und mehr CDs kaufte.

Wie war das in den Anfangstagen Eurer Band im „dunklen“ Kassetten-Zeitalter und im Zeichen des Bandsalats? Habt ihr wie andere Bands  ständig „Acht-Spur“-Proberaumaufnahmen auf Tape angefertigt?

Oh ja, ich habe wahrscheinlich noch tonnenweise Aufnahmen auf Kassette, die ich mal sichten müsste. Vielleicht ist da noch was Gescheites dabei. Das war schon eine andere Zeit, mit diesen Aufnahmen im Proberaum, in dem die Hinweiszettel hingen, wie oft man den Teil A eines Liedes zu spielen hatte, bevor der Refrain einsetzte usw. Das ist heute doch ganz anders…

Wann begann für Tankard das Zeitalter der CD? Wann habt ihr mehr Tonträger auf CD als auf Platte verkauft? 

Das war wohl im Jahr 1992 mit dem Album „Stone Cold Sober“.

Welche Bedeutung haben Streamingdienste? Können sie deiner Meinung nach die Nachfrage nach guter Musik befriedigend decken? 

Streamingdienste sind die Zeichen der digitalen Zeit. Klar, in den 80er Jahren ohne Internet hast du Platten gekauft nach Plattencovern. Du hast dir beim Anblick des Covers überlegt, ob dir die Musik gefallen könnte und hast dir nicht selten danach ein Album gekauft oder eben nicht gekauft. Darauf legen heute die Konsumenten von Streamingdiensten keinen großen Wert.

Leider gerät bei diesen digitalen Angeboten völlig aus den Augen, welche Arbeit hinter einer Plattenveröffentlichung steckt.

Wie lukrativ sind diese Dienste für euch als Band? 

Aus finanzieller Sicht sind die Streamingdienste, ob sie nun Spotify oder anders heißen, total uninteressant. Die Beträge, die eine Band selbst bei vielen Tausend gestreamter Lieder vom Anbieter erhält, können nicht ansatzweise die Kosten der Produktion decken. Deswegen lohnt es sich für die meisten Bands aus finanzieller Sicht seit Jahren nicht mehr, Alben herauszubringen. 

Wenn diese Dienste schon nicht so viel Geld einbringen, sorgen sie wenigstens dafür, dass viel mehr Menschen auf die Musik aufmerksam werden und sich dann vielleicht doch eine Platte von euch kaufen?

Ja, vielleicht, aber es handelt sich wahrscheinlich um eine sehr überschaubare Anzahl von Menschen, die so handeln. 

Euer letztes Album „For a thousand beers“, das anlässlich zum 40-jährigen Bandjubiläum veröffentlicht wurde, erreichte Platz 14 in den deutschen Charts. Wie viele Tonträger wurden dafür etwa verkauft?

Genau weiß ich das gar nicht. Heute reichen ein paar Hundert oder Tausend verkaufte Tonträger, um in die Charts zu gelangen. Das ist etwa lediglich 10% dessen, was man vor 30 Jahren hätte verkaufen müssen, um eine ähnlich hohe Chartpositionierung zu erreichen. Allerdings ermitteln sich die Platzierungen nicht nach reinen Verkaufseinheiten, sondern nach Erlösen und die sind bei einer sehr aufwendig gestalteten Fanbox mit 9 LPs und 1 DVD größer als bei einer „normalen“ CD. Und dennoch hat uns die Platzierung sehr überrascht. Das ist aber sicher das Ergebnis der intensiven Promo im Vorfeld, die uns unglaublich viele Interviewanfragen bescherte.

Die Box ist durch die Gestaltung der LPs Jahre ein echter Hingucker und dazu recht kostengünstig zu erwerben. Habt ihr Euch zum Bandjubiläum komplett finanziell verausgabt?

Nein, das nicht, zumal alle Entscheidungen im engen Kontakt mit unserer Plattenfirma abgesprochen wurden. Die Zusammenarbeit hat sich in der Vergangenheit bewährt und wird auch bei der Veröffentlichung des am 30. September erscheinenden Albums „Pavlov´s Dawgs“ sichtbar. Auch hier gibt es wieder mehrere limitierte Fan-Editionen als Vinyl. Sehr schicke Teile.

Hinweis: Das neue TANKARD-Album „Pavlov’s Dawgs“ wird am 30. September 2022 über Reaper Entertainment veröffentlicht.

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So wird es eine auf 800 Stück limitierte Fanbox geben, die weitere physische „Tonträgerfossilien“ in Form der ersten Tankard-Tapes beinhaltet. Wurden die Originalaufnahmen hierfür überarbeitet?

Die Grundidee war, wie beim Bandjubiläum, etwas Besonderes auf die Beine zu stellen. Und so habe ich der Plattenfirma die zwei Original-Tapes gegeben, die sie dann in der Qualität 1 zu 1 kopiert hat.

Nutzt ihr die anstehende Clubtour als Werbung für das neue Album? 

Das ist nicht gar nicht so einfach nach 40 Bandjahren, eine „neue“ Playlist zu erstellen. Manchmal muss man aber doch neue Songs auszuprobieren, um festzustellen, ob sie live zünden können. Es gibt allerdings eine Reihe von Klassikern, die wir nicht von der Playlist nehmen können, weil sie das Publikum immer verlangt. Zu recht.

Bleibt bei den ganzen Aktivitäten noch Zeit, für das zweitschönste Hobby der Welt, den Fußball?

Ich bin immer noch angesichts des Erfolgs der Frankfurter Eintracht im Europapokal ganz benommen. Deswegen haben wir gemeinsam entschieden, eine neue Version unseres Klassikers „Schwarz-weiß wie Schnee“ als EP aufzunehmen. Das ist die mittlerweile 3. EP und wahrscheinlich kursieren weitere 800 Versionen des Songs im Netz… Der Veröffentlichungstermin ist auf Anfang August datiert und neben uns gibt es zwei weitere Versionen des Liedes, eingespielt von befreundeten Bands. So interpretiert „Revolte Tanzbein“ den Song auf die eigene- sehr reggaelastige- Art und Weise erfrischend neu. Und alles steht ganz im Zeichen und in dankbarer Erinnerung an „unseren Jürgen“ (Jürgen Grabowski, Anmerk. S.D.).

Letzte Frage: Welche Zukunft hat noch euer Nebenprojekt Tankwart? Nach 26 Jahren Stillstand könnte es wieder losgehen!? 

Ich sag’s mal: Sag niemals nie. Es gibt keine Denkverbote. Allerdings wurde die zweite und letzte CD bereits 1996 veröffentlicht und ich sehe aktuell keine dringende Notwendigkeit, eine weiteres Album aufzunehmen.

Das Interview mit Gerre führte Sven Dehoust für Pressure Magazine im Juli 2022

Das neue TANKARD-Album „Pavlov’s Dawgs“ erscheint am 30. September 2022.

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Tankard – Schwarz-weiß wie Schnee | Das offizielle Musikvideo

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