Pressure Magazine sprach mit dem Rockmusiker Daniel Wirtz über die Entstehung seiner neuen Veröffentlichung „Unplugged II„.

Warum es ihm wichtig war, die Unplugged-Serie fortzusetzen, welche Aufwände mit der Produktion eines Unplugged-Albums verbunden sind und weshalb es den Frankfurter Musiker neuerdings zum Wasser hinzieht, das alles erfahrt ihr im nachfolgenden Interview mit dem charismatischen Sänger und Songwriter. Übrigens, ganz nebenbei verriet uns Daniel Wirtz, wann mit seiner nächsten Rockscheibe zu rechnen ist. Viel Spaß beim lesen.

Hey Daniel, du hast mal wieder Mucke gemacht, was gibt es Neues zu berichten?
Wir haben mit „WIRTZ – Unplugged II“ die kommende Tour, die ab März starten wird, schon im Vorfeld vertont.

Dann habt ihr Euch die Arbeit nach der Tour schonmal gespart, Haha!
Ganz im Gegenteil, eine Unplugged-Scheibe zu produzieren, war echt viel Arbeit. Beim ersten Mal war das „Unplugged-Exeriment“ für uns ein Feldversuch, bei dem wir nicht wussten, ob das Resultat gut wird oder voll in die Hose geht. Also haben wir uns anhand unserer Blaupausen entlang gehangelt, die besten Texte aus dem Archiv geholt und angefangen die Songs neu zu arrangieren.

So haben wir das auch diesmal gemacht. Mit dem Ziel, dass der ein oder andere Songs noch einmal mehr Tiefgang oder einen anderen Klang bekommt. Das ist uns aus unserer Sicht auch bei diesen „Zeitzeugen“ gelungen.

Das Jahr 2020 ist noch jung. Wie bist du ins neue Jahr gekommen?
Ich bin ruhig und gechillt ins Jahr 2020 gekommen. Vor Silvester bin ich aus der Stadt geflüchtet, weil die Frankfurter Taunusstrasse und das gesamte Bahnhofsviertel an Silvester komplett in Flammen steht und hier Kriegsähnliche Zustände herrchen. Da werden die Böller und Bengalos schon mal bis um 5 Uhr morgens gezündet und keine Rücksicht auf Verluste gemacht.

Meine kleine Familie habe ich eingepackt und wir sind im totalen „Off“ rausgefahren, um im Einklang mit der Natur ins neue Jahr zu rutschen. Raketen haben wir aus weiter Ferne nur erahnen können und das war auch gut so. Ich bin ohnehin nicht der Typ, der die Kohle in die Luft schießt und umweltverträglich ist die Böllerei ja ohnehin nicht.

Am 17. Januar war der Tag der Veröffentlichung deines neuen Unplugged II Albums, wie hast du den Tag verbracht?
Relativ Unspektakulär. Ich bin Abends mit Matthias (Anm. d. Redaktion: Matthias Hoffmann ist Produzent und Frankfurter Musiker) essen verabredet, weil es Tradition ist, dass man zumindest mit der wichtigsten Person an diesem Werk darauf anstößt. Immerhin haben wir mehr als 10 Monate jede Menge Energie, Schweiß und Liebe investiert. Und jetzt war der Punkt, an dem man nichts mehr am Ergebnis ändern kann. Jetzt ist das Ding in den Kanälen und die Leute können nun entscheiden, ob sie die Platte scheiße oder schön finden.

Wir freuen uns brutal darauf, das Material zusammen mit den Leuten in den Klubs abzufeiern.

Daher dreht sich aktuell alles schon um die Organisation der Wirtz Unplugged Tour 2020. Wir sind gedanklich schon auf der Straße. Wir wollen in Sachen Show natürlich eine Schippe draufzulegen. Es wird sehr künstlerisch und emotional und ich hoffe, dass es am Ende so wird, wie ich es mir vorstelle.
Eine Unplugged-Platte zu machen ist ein teures Vergnügen, da man auf externe Musikern zugreifen muss. Da will man natürlich auch die Besten ihres Fachs haben und das geht auch in der Realisierung der Liveshows ganz schön ins Geld. Wir sind faktisch mit zwei Bands unterwegs und das ist ein Luxus, den wir uns nur alle 6 Jahre leisten können und möchten. *lacht*

Was macht denn mehr Spaß: neue Songs zu produzieren oder alte Songs in ein neues Gewand zu packen?
Solange es nicht soviel Spaß macht, wie ein neuer Song, weiß ich, dass es noch nicht die richtige Version ist. Alle Songs, die jetzt auf die Platte geschafft haben, sind deswegen ausgewählt, weil mich der eigentliche Text selbst nochmal ergriffen hat und ich von mir selbst überrascht war, dass ich solch einen Text geschrieben habe.

In der Regel steckt in den Texten eine ganze Menge mehr drin, als man es in einer Rockversion verspüren kann. Das ist der Zauber daran.

Für meinen Partner Matthias, der für die Produktion im Studio verantwortlich ist, bedeutet das jedoch ein Energieaufwand, wie zwei Rockplatten auf einmal zu machen. Bei einem Rockalbum sitzen wir zusammen und spielen Schlagzeug, Gitarren, Chor, experimentieren mit Verzerrer und Effekten. Ich singe eine Melodie darauf und schreibe die Texte, fertig. Bei der Akustikplatte arbeiten wir mit begnadeten Berufsmusikern. Das Klavier kommt aus Berlin und die Streicher aus Hamburg, denen wir jede einzelne Note auf einem Blatt Papier vorlegen und die es dann so schön spielen, wie kein anderer. Da hört sich keiner meine Alben an, denn dafür haben die gar keine Zeit, weil Künstler, wie Rammstein oder Udo Lindenberg in der Zwischenzeit ähnliche Wünsche hinzusteuern oder sie Konzerte in der Oper spielen.

Matthias hatte eine Höllenarbeit, aus jedem meiner Song die entsprechenden Noten raus zuschreiben. Diese schickt man ab und wartet auf das eingespielte Ergebnis. Der eine Schuss muss da sitzen und wir hoffen darauf, dass nicht irgendwo einen Punkt in den Notenblättern vergessen wurde. Denn solche Fehler hört man im Ergebnis direkt und das wiederum kostet eine weitere Runde Zeit und Nerven. In der Vergangenheit ist es auch schon vorgekommen, dass ein vollkommen anderen Grundton gespielt wurde. Da können wir dann auch nicht hingehen und jemandem Vorwürfe machen, wenn die Profis haargenau die Noten nachspielen. Das ist ein anderes arbeiten, … mit solchen RICHTIGEN Musikern. *lacht*

Ich nehme an, dass nicht jeder Musiker in der Lage ist seine Songs in Noten niederzuschreiben.
Da gehöre ich voll dazu. Ich weiß bis heute nicht, was ich da spiele und könnte es auch nicht aufschreiben. Wenn mich einige Leute nach Noten oder Gitarrentabs fragen, habe ich keine fucking Ahnung, was das für ein Akkord ist. *lacht*

Welche Unplugged Alben findest du den abgesehen von deinen eigenen Produktionen gut?
Bei Alben, wie „Nirvana – MTV Unplugged in New York“ (Show bei YouTube ansehen), aus dem Jahre 1993 bleibe ich auch heute noch gefesselt mit offenem Mund davor sitzen.
Aber ich konnte mir da nichts abschauen. Das funktioniert im Hause „WIRTZ“ auch alles anderes, es geht ja nur noch merklich um den Text und wir versuchen herauszufinden, wie wir dem Text noch mehr Energie und Ausdruck verleihen können, damit. Der Grundgedanke ist, den Text heiligzusprechen.

Vor dem Anhören eines Wirtz Songs sollte man definitiv seinen Psychiater fragen, ob er einen „Muntermacher“ für die Zeit danach verschreiben kann. 

Die Texte kommen dadurch noch stärker zum Ausdruck. Nimmt man als Autor und Musiker selbst noch wahr, wie emotional die eigenen Songs sind?
Wir verlieren die Auswirkung selbst oft aus den Augen. Wenn du den eigenen Song oft genug hörst, dann ist das etwa zu vergleichen mit einem, der auf der Notfallklinik arbeitet. Da wird man selbst irgendwann Betriebsblind und immun dagegen. Ich habe die aktuellen Songs einem alten Kumpel vorgespielt. Der hat nach 3 Songs den Stecker aus der Wand gezogen, ist aufgestanden und war erst mal weg – Die Stimmung war total im Arsch. *lacht*
Das war auch live schonmal so krass, dass ich ein Konzert unterbrechen musste, weil ein erwachsener Mann unter Tränen zusammengebrochen ist. Daraus haben wir gelernt und haben für solche Fälle auch Taschentücher auf der Bühne, um den Mann oder die Frau im Publikum wieder aufzubauen. Wir werden unsere Setlist so aufbauen, dass wir Songs, wie „Auf die Plätze fertig los“ zum auflockern dazwischen schieben. Somit lassen wir das Publikum zwischen den emotionalen Tiefgängen auch mal durchatmen. Schließlich müssen wir sie über 2 Stunden am leben halten.

Nach einem Wirtz-Konzert gehst du erstmal nicht mehr in den Klub feiern!

Mit deinen Texten bohrst du tief in der menschlichen Seele und bringst Texte auf’s Papier, die dem Zuhörer schon ziemlich den boden uneter den Füßen wegziehen können. Obwohl du ja vom Typ her eher optimistisch und lebensfroh bist.
Mein Credo lautet: „Rausschreien, wo es geht“. Wir als Künstler haben das Glück, dass wir so einen tollen Beruf wir haben, in dem wir Dinge, die uns Belasten oder Berühren in Musik umzuwandeln können und von uns weg schicken. Das kann man nur jedem wünschen, dass er in welcher Form auch immer, einen Kanal findet, den seelischen Ballast zu kompensieren.

Mit jedem Song gehen wir dorthin, wo es weh tut.

Das ist oftmals kein Spaß, aber wenn das Werk vollbracht ist, kann man mit Fug und Recht behaupten, den inneren Schweinehund besieht zu haben oder mit sich selbst im reinen zu sein. deshalb bin ich auch ein relativ froher Mensch, da ich meine Ängste und Melancholie in der Musik auslassen kann.

Du hast kürzlich zwei Videos veröffentlicht: „Sehnsucht“ und „Wer wir waren“.  Wie sind diese entstanden?
Ich habe das Wasser für mich entdeckt, da es mir die totale Entschleunigung gibt. 
Frankfurt am Main ist eine pulsierende Stadt, die auf der einen Seite der Inspiration dient. Hier findest man Reich und Arm, Liebe und Drogen, verschieden Kulturen, die auf engsten Räumen miteinander klarkommen. Auf einmal habe ich entdeckt, was es für schöne Stellen am Wasser gibt, wenn man sich nur wenige Kilometer den Main abwärts treiben lässt. Daher habe ich einen Bootsschein gemacht und gönne mir da hin und wieder eine Auszeit. Das ist für mich wie Urlaub und alle Akkus sind wieder voll aufgeladen. Von dort aus bekommt man einen komplett anderen Blick auf diese Stadt, die man eigentlich dachte zu kennen. Insbesondere hat man da auf einmal eine Ruhe.

Für das Video habe ich mir meinen guten Freund Robert Bröllochs von Camelot Films mit einer Flasche Rotwein auf’s Boot gelockt. Auf dem Wasser habe ich ihm die Songs vorgespielt und da kam die Idee, das Video zu „Wer wir waren“ auf dem Fluss zu drehen.  Das sieht am Ende so aus, als hätten wir auf dem Amazonas gedreht. Und als wir dann die nächste Weinflasche geleert hatten, haben wir zusätzlich noch ein Video zu „Sehnsucht“ als one-take gemacht. Ich fühlte mich danach schon etwas, wie Robinson Crusoe, der den Amazonas entlang paddelt, um sich das Abendessen zu fangen.

WIRTZ – Wer wir waren (Unplugged)

Und beim Fischfang warst du offenbar auch erfolgreich .. hast Du einen Angelschein?
Nee.. *lacht“ da ich keine Geduld habe, stundenlang auf den Fang zu warten, habe ich den Fisch auch gekauft. Allerdings kann man nirgendwo Fische kaufen, die nicht ausgenommen sind. Da mussten wir mit sehr viel Geld und schwarzer Kohle einem Verkäufer bestechen, dass wir den vollständigen Fisch inkl. aller Innereien, verkauft bekommen haben. Nur so hatte ich die Möglichkeit, dass ich den Fisch entnehmen kann, um ihn zu grillen und anschließend zu essen. Schummeln ist beim Film erlaubt. *lacht*

Das physische Produkt ist für mich das, was die Firma „WIRTZ“ am Leben hält.

Ich gebe mir immer sehr viel Mühe meine Alben zu gestalten. Genau das möchte ich auch einmal an die nächste Wirtz-Generation weitergeben. Ich habe eine Kiste mit Erinnerungstücken für meinen Sohn angelegt. Diese Kiste bekommt er später mal mit 18 Jahren zum Auszug als Kehrpaket von mir in die Hand gedrückt. Da liegen Schallplatten und Dinge mit persönlichem Bezug als Erinnerung mit drin. Alles was mir wichtig war, als er klein war. Das finde ich wesentlicher geiler und persönlicher, als einen MP3 Stick zu übergeben. Lieber eine schöne, alte, abgerockte Vinyl, damit mein Sohn weiß, was der Papa gehört und gemacht hat.

Aber vielleicht sagt er auch „Geh mir nicht auf den Sack mit Deinem Retro-Scheiß“, und verkauft den ganzen Kram auf dem Flohmarkt. *lacht*

WIRTZ – Sehnsucht (Unplugged)

Wie steht Daniel Wirtz im Jahre 2020 eigentlich zu Streamingangeboten?
Das wird es nicht geben, weil 0,0034 Cent für ein Play ein Ding der Unmöglichkeit sind. 
Wenn ich das mit meinen Video YouTube Aufrufen vergleiche und hochrechne, dann käme ich über die letzten Jahre auf 4-5000 Euro. Als Entlohnung für ein Album, das mich in der Herstellung 90.000 Euro gekostet hat, da wir Musiker, Studiomiete, Video und Promotiontour davon finanzieren müssen. Da ist man schnell bei 150.000 Euro, die wir Vorleistung gehen, mit der Hoffnung, dass die Platten gekauft werden. Wenn ich das nun auf Spotify hochlade, dann kauft keiner mehr mein physisches Produkt und dann kann die Firma „WIRTZ“ dicht machen. Das können sich Musiker, mit relativ breiter Musikansprache leisten, wie Mark Forster oder Max Giesinger.

Ich habe eine unfassbar große Musik Library und habe mir alles brav gekauft. Sogar das Album „Ten“ von Perl Jam habe ich mir digital bestimmt acht Mal gekauft, weil die Musik beim Verschleiss der ersten Macintosh Rechner immer abhanden kam. Ich persönlich besitze kein Spotify Abo, obwohl ich es vom Prinzip her gut finde. Allerdings werde ich es nicht supporten, bis die Künstler gerecht entlohnt werden.

Jeder sollte sich die Frage stellen, warum er im Burger-Laden bereit ist, 1,50 Euro für ein „beschissenes“ Essen zu zahlen – der Song deines Lebens jedoch 0,0034 Cent wert sein soll. Das ist eine Entwertung der Kunst.

Wie geht es weiter im Jahr 2020? Stehen neue TV Projekte an, wie etwa das Grillen mit dem Henssler?
Die Grillsendung war ein Freundschaftsdeal für Stefan, der auch regelmäßig meine Live Shows besucht. Dieses Jahr steht voll und ganz im Zeichen von Unplugged. Wir spielen außerdem einige besondere Open Air Shows in der Zitadelle in Berlin, Nürnberg ein Amphitheater und mindestens drei Open Air Konzerte in einer lauen Sommernacht. 

Außerdem wollen wir an einer neuen Rockscheibe arbeiten. Viele Ideen liegen bereits vor und der Speicherplatz meiner Diktierfunktion im iPhone ist am Limit. Da steckt viel neues Material drin, das ich demnächst im Studio zusammen mit Matthias ausprobieren möchte. Wenn wir mit der Produktion zügig vorankommen, könnte es schon in neun Monaten die ersten Song-Snippets zu hören geben. 

So, Leute ich muss los! Augsburg führt 2:0 gegen Dortmund und die Frankfurter können auch noch etwas Unterstützung gebrauchen. Ich muss jetzt mal meine beiden Mannschaften anfeuern. Wir sehen uns auf Tour, Ciao!

Interview von Marcus Liprecht mit Daniel Wirtz am 18. Januar 2020

WIRTZ UNPLUGGED II Tour 2020 – Alle Termine im Überblick

Präsentiert von: Kulturnews | Pressure Magazine | Schall Magazin
 
06.09.2020  Stuttgart | Beethovensaal – verlegt vom 04.04.2020
07.09.2020  Hamburg | Friedrich-Ebert-Halle – verlegt vom 26.03.2020
08.09.2020  Hamburg | Friedrich-Ebert-Halle – verlegt vom 09.04.2020
10.09.2020  Erfurt | Alte Oper – verlegt vom 24.03.2020
11.09.2020  Leipzig | Haus Auensee – verlegt vom 22.03.2020
13.09.2020  Köln | E-Werk – verlegt vom 29.03.2020
14.09.2020  Köln | E-Werk – verlegt vom 07.04.2020
15.09.2020  Dortmund | Warsteiner Music Hall – verlegt vom 02.04.2020
16.09.2020  Nürnberg | Z-Bau – verlegt vom 31.03.2020
17.09.2020  München | Muffathalle – verlegt vom 05.04.2020
20.09.2020  Bielefeld | Lokschuppen – verlegt vom 28.03.2020
21.09.2020  Hannover | Swiss Life Hall – verlegt vom 21.03. & 08.04.2020
22.09.2020  Frankfurt | Alte Oper – verlegt vom 24.03.2020
 
WIRTZ | UNPLUGGED Sommer 2020
 
10.07.2020  Berlin | Zitadelle Spandau 
11.07.2020  Leipzig | Parkbühne
18.07.2020  Waiblingen | Homberg Sommer 2020
24.07.2020  Nürnberg | Serenadenhof
31.07.2020  Hanau | Amphitheater Hanau
01.08.2020  Karlsruhe | Zeltival – Ersatztermin vom 01.04.2020 Tollhaus
05.08.2020  Friedrichshafen | 36 Kulturufer
23.08.2020  Eschweiler | Marktplatz Eschweiler
28.08.2020   Dresden | Saloppe Dresden

Kommentiere den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte Namen eingeben