Vinyl-Liebhaber dürfen sich freuen und gespannt sein, denn in einem kleinen Atelier in Pforzheim werden seit März 2021 ganz feine Besonderheiten hergestellt, die jede Schallplatten-Sammlung aufwerten dürften. Nico Michaelis betreibt seine eigene Vinyl-Manufaktur und hat sich auf die Produktion von exklusiven Liquid filled Vinyls in Handarbeit spezialisiert. Mit Pressure Magazine sprach Nico über seine Leidenschaft für die besonderen Vinyls und die aufwendige Produktion dieser Kunstwerke.

Hey Nico, bitte sei so nett und stelle dich vor. Wer bist du und woher kommt dein Interesse für Vinyl?
Moin, ja mich hier kurz und knapp vorzustellen ist nach so vielen Stationen in der Musikszene nicht ganz einfach. Angefangen hat alles ca. 1998 im beschaulichen Schwarzwald, wo ich mit damaligen Kumpels und der Stadt Bad Wildbad gemeinsam ein Jugendhaus aufgebaut und dort erste Partys und Konzerte veranstaltet habe. Später zog es mich dann nach Pforzheim, wo ich seither wohne und arbeite. In Pforzheim habe ich schnell eine nette Gruppe an Menschen kennengelernt, mit der ich sowohl in der autonomen Antifa als auch als Konzertveranstaltergruppe tolle Sachen gerissen hatte. Nach dem Wegzug vieler aus der Gruppe habe ich dann eine eigene Konzertagentur ins Leben gerufen und viele große Bands wie Agnostic Front, UK Subs, The Vibrators, Dog Eat Dog, Fehlfarben uvm. veranstaltet. Gemündet ist das Ganze darin, dass ich über drei Jahre hinweg eine eigene Konzertlocation hatte.

Aufgrund verschiedener Umstände habe ich das dann allerdings beenden müssen und habe aufgrund der vielen Kontakte eine Booking Agentur sowie ein Label unter dem Namen „Subkultura Booking & Records“ gegründet und über fünf Jahre hinweg erfolgreich aufgebaut. Auch hier hat mir dann allerdings die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung gemacht und am Ende habe ich die Agentur an ein paar sehr nette Menschen übergeben und einige Zeit eine Pause eingelegt. Die Pause nutzte ich, um neue Ideen sprudeln zu lassen und gründete schließlich vor zwei Jahren das Online-Musikmagazin „Vinyl Keks“, welches ich mit unglaublich tollen Support einer tollen Redaktion ziemlich schnell aufbauen und im Vinyl Bereich etablieren konnte.

Gleichzeitig hat mich aber schon lange die Herstellung von Liquid filled Vinyl interessiert und habe mir schon während der Zeit bei Vinyl Keks viele Gedanken dazu gemacht. Durch verschiedene unangenehme Sachen habe ich dann im März den Entschluss gefasst, bei Vinyl Keks auszusteigen und die Vinyl Manufaktur zu gründen, um mich professionell mit der Herstellung von Liquid filled Vinyl zu beschäftigen. Neben all dem habe ich immer schon auch als Bürokaufmann die ein oder andere Abteilung geleitet, war im Vertrieb aktiv und nicht zu vergessen, steht eine tolle Familie mit zwei Kindern hinter mir, die mich bei all meinem Tun immer unglaublich unterstützt. 

Kannst du dich an die erste Schallplatte erinnern, die du möglicherweise in deiner Kindheit gehört hast?
Ja, das kann ich tatsächlich. Ich bin ja in der DDR in meiner Kindheit aufgewachsen und da war ja westliche Musik sehr verpönt. Allerdings waren meine Eltern auch Schallplattenliebhaber und haben damals teils ein Vermögen ausgegeben, um an gute Musik zu kommen. Und ich weiß nicht warum, aber Tina Turner mit der Platte „Break every Rule“ war mit die erste Schallplatte, die ich bewußt gehört habe. Ich muss damals vielleicht fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein und fand die Stimme von Tina Turner schon damals mehr als toll und so höre ich auch heute noch hin und wieder die Künstlerin an und erinnere mich dabei an diverse Kindheitssachen.

Wir greifen kurz vorneweg, dass wir über Instagram auf die Fotoaufnahmen mit den außergewöhnlichen Liquid filled Vinyls aufmerksam geworden sind. Was genau macht dieses Verfahren so besonders?
Ich bin natürlich nicht der Erste, der die sogenannten Liquid filled Vinyl herstellt. Allerdings habe ich mir schon immer gedacht, dass all die Platten, die es auf dem Markt gibt, irgendwie qualitativ eher nicht so toll sind und von der Verarbeitung her nicht auf Langlebigkeit geachtet wird. Das war für mich schon immer ein Dorn im Auge und habe ein Verfahren entwickelt, dass es so bisher nicht gibt und dafür sorgt, dass das Endprodukt einen sauberen Rand hat und die verarbeiteten Materialien miteinander verschweißt sind. Dadurch ergibt sich eine deutlich höhere Sicherheit gegen das Auslaufen der Flüssigkeiten, was natürlich nie zu 100% ausgeschlossen werden kann, aber durch das Verfahren deutlich minimiert wird. Hierzu wurde mit vielen Leuten vom Fach Brainstorming betrieben und sogar ein Kleberhersteller hat sich der Sache angenommen und hat mit mir unzählige Tests gemacht und das jetzige Klebeverfahren entwickelt.

Wie kamst du auf die Idee, dich damit zu befassen und weshalb sieht man diese Optik so selten auf dem Markt?
Ich habe schon vor vier oder fünf Jahren das erste Mal solch eine Liquid filled Vinyl gesehen und war damals schon ultra angetan, denn das gab es so noch nie und ist die Creme de la Creme der Veredelung eines Vinyls. Als ich das erste Mal solch eine Platte gesehen hatte, wurde mir klar, dass ich das auch können möchte und hatte mich erst lose und in letzter Zeit immer intensiver mit der Sache befasst.

Natürlich ist das alles zu 100% Handarbeit und entsprechend zeitaufwändig. Dadurch sind die Produktionspreise natürlich deutlich höher wie bei einem normalen Vinyl.

Das sorgt zum einen dafür, dass es nur eine Hand voll Produzenten gibt, die nur eine bestimmte Menge der Vinyls herstellen kann und zum anderen es aber eine sehr hohe Nachfrage diesbezüglich gibt und die Liquid filled Vinyls in der Regel binnen Stunden ausverkauft sind. Sprich, aktuell kommt man nur sehr schwer an die Platten als Musikliebhaber ran

Was macht die Produktion einer Schallplatte so reizvoll für dich und worauf ist bei der Produktion jeder einzelnen Schallplatte zu achten? 
Jede Schallplatte ist ein Unikat. Es ist ein Kunstwerk und eine der höchsten Stufen der Veredelung im Vinyl Bereich. Alleine das ist so reizvoll, dass ich mich immer wieder freue, wenn ich dann die Platten im Internet finde und die Leute davon begeistert sind. Bezüglich der Produktion gibt es unglaublich viele Dinge zu beachten, die mich schon öfters auch an Grenzen haben kommen lassen, aber mit jeder Problembehebung wird das alles immer spannender, da das Produkt dadurch ja schließlich auch immer besser wird. Es gibt natürlich einiges zu beachten und man muss hier immer zu 100% konzentriert ans Werk gehen, da jede misslungene Platte ganz schön ins Geld geht, so mal es sich um Ware der Kunden handelt. Daher wird immer mit höchster Achtsamkeit gearbeitet.

Ab welcher Produktionsmenge können sich interessierte Musikschaffende und Bands an dich wenden?
Ich produziere aus diversen rechtlichen Gründen nur für Bands, Labels und Agenturen und das geht ab einer Stückzahl von einer Schallplatte. Die Kunden liefern dazu entsprechend die bereits gepressten Platten an mich an und ich veredle diese dann entsprechend den Kundenwünschen. Für den Privatbereich produziere ich nicht. Ebenso habe ich einen gewissen Grundsatz, den ich verfolge und nehme keine Aufträge mit rassistischer, sexistischer oder homophober Musik an. Ebenso werden keine Bootlegs, also inoffizielle Aufträge angenommen.

Wenn wir schonmal die Gelegenheit haben mit einem Vinylexperten wie dir zu sprechen, bitte verrate uns, wie du die Entwicklung des Schallplatten-Marktes beurteilst. Wer ist die Käuferschaft, die sich für Vinyl interessiert? 
Ja, das ist eine gute Frage. In der Zeit, in der ich das Sammeln angefangen habe, war die Schallplatte eine absolute Nische und wurde lediglich von Punks, Metalheads und Teilen der Kraut- und Psychedelic Szene gekauft. Das hat sich in den letzten Jahren, vor allem seit auch die ganzen „Big Player“ wieder Vinyl produzieren, grundlegend geändert. Die Kundschaft ist deutlich vielseitiger und quer durch alle Schichten gemischt.

Es gibt die einen, die nur Vinyl kaufen, damit es im Schrank steht und einen „Sammlerwert“ erhalten bleibt und es gibt diejenigen, die aus den ursprünglichen Gründen des qualitativ hochwertigen Musik Hörens Platten kaufen.

Aktuell ist der Markt vollkommen überlaufen und mainstreamig, was dazu führt, dass natürlich auch die ganzen Presswerke vollkommen überlaufen sind und es dadurch zu unglaublich langen Wartezeiten kommt. Ich hätte ehrlich gesagt nichts dagegen, wenn die Schallplatte auch in 20 Jahren noch da ist und ein Teil der Musiklandschaft ist, aber so wie es jetzt ist, ist es eigentlich fast schon too much. 

Sprechen wir hier von einem kurzfristigen oder langfristigen „Trend“ rund um den vormals schwarzen Klassikers?
Ich denke, im Mainstream Bereich ist es ein derzeitiger Trend, der in ein paar Jahren durch ein anderes Medium (wer weiß was da kommt?) abgelöst werden wird. Eine Base wird es trotzdem immer geben und die Subkulturen wie Techno, Punk, Psychedelic usw. werden auch in Zukunft an dem Medium festhalten. Es wird für wirkliche Musikliebhaber das Medium bleiben, auf dem man die Musik qualitativ hochwertig auf der heimischen Anlage hören kann. Ich kenne kein Medium, dass solch eine Qualität, gepaart mit dem gewissen Etwas für´s Auge bietet. Die Entwicklung zeigt ja auch, dass gerade bei Vinyl Sammlern nicht nur die Musik, sondern eben auch das drum herum wichtig ist. Sprich, es ein tolles Cover gibt, ein Booklet dabei liegt, die Platten evtl. mit einer Spezialausführung versehen sind usw. Da wird inzwischen viel Wert drauf gelegt und da sind dann die Sammler auch bereit, etwas mehr Geld auszugeben.

Was hat sich aus deiner Sicht rund um die Abspieltechnik für Schallplatten verändert und worauf sollte ich beim Kauf eines vernünftigen Schallplattenspielers achten?
Puh, ich hab seit 15 Jahren den gleichen Verstärker und mir dieses Jahr endlich mal einen neuen Plattenspieler gegönnt. Mit der Technik befasse ich mich nicht wirklich, finde es aber großartig, dass man inzwischen eine Technik vorliegen hat, mit der man zum Beispiel fast Verlustfrei seine Schallplatten digitalisieren kann. Ansonsten beobachte ich immer wieder die News rund um die Weiterentwicklung der ursprünglichen Schallplatte hin zur HD-Vinyl, die ja noch mal mehr Abspielzeit sowie einen noch perfekteren Sound haben soll. Zudem soll die Herstellung dieser neuen Generation Vinyl deutlich einfacher sein, was dazu führen könnte, dass Engpässe aufgehoben werden können. Ob und wann diese neue Generation Vinyl kommt, ist derzeit noch ungewiss. Ebenso, ob diese von der Community überhaupt angenommen wird.

Herzlichen Dank für deine Zeit und weiterhin viel Freude beim herstellen vieler bunter Kunstwerke!
Ja ich danke dir für dein Interesse und wünsche allen Gesundheit und genug Zeit zum hören von ganz viel Musik auf Vinyl. Ach, und schaut einfach mal auf https://vinyl-manufaktur.de vorbei.

Das Interview mit Nico Michaelis von Vinyl-Manufaktur führte Marcus im Juni 2021