Samstag, April 27, 2024

Rocko Schamoni & Little Machine – Rocko Schamoni & Little Machine

Label: Trikont / Indigo
Veröffentlichung: 26.01.2007

„Dorfpunks“ habe ich mir aus einer Laune heraus gekauft. Die Thematik sprach mich (als ex-Dorfbewohner) an, das ganze schaute wie ein Sammelsurium von tragikomischen, teils fast surreal anmutenden Anekdoten aus: Jemanden ablehnen, weil er sich anders kleidet und andere Musik hört? 2006 unvorstellbar. Da wird der Teilzeitpunk doch in schwedischen Billigmodehäusern massenkompatibel gemacht, während MTV & VIVA das zugehörige Airplay liefern und minderjährige Magdeburger als harte Rocker gelten.

 

Well, so lustig war der Roman nicht immer, eigentlich sogar eher selten. Weil er an eine Zeit erinnert hat, die jeder, der es ernst meint mit dem Außenseitertum, selbst erfahren hat. Ab etwa der Hälfte des gar nicht mal so dicken Buches, das binnen einer Nacht verschlungen wurde, stand die geöffnete Flasche Single Malt in Greifweite, nach der letzten Seite war einiges davon vernichtet, mehrere Stellen im Buch mit Marker versehen und dennoch nichts besser. Dafür war ein Name seither präsent und der Eindruck, dass jemand wirklich weiß, wovon er redet, wirklich dort war: Rocko Schamoni.

Selbiger ist nicht nur Autor, sondern auch Betreiber des wohl wichtigsten Ladens in Hamburg, dem „Pudelclub“ – und nebenbei Musiker. Nun meldet sich letzterer mit einem neuen Album zurück. Zusammen mit der Zwei-Mann-Band Little Machine und dem Toningenieur Tobias Levin entstanden zehn Stücke, die vielleicht nicht jedermann’s Nerv treffen, aber schließlich findet sich in dem Header etwas oberhalb dieses Textes auch das kleine Wörtchen „Alternative“. Das passt zwar nicht wirklich, denn hier handelt es sich viel mehr um Indipop, aber aufgrund der Vergangenheit (und daraus resultierenden Bedeutung!) Schamonis sollte die Scheibe wirklich nicht vernachlässigt oder gar unterschätzt werden. Die Grundstimmung auf „Rocko Schamoni & Little Machine“ ist – ähnlich denen der Bücher – erst mal düster anmutend. Verlust, Vergänglichkeit und Rückschläge bestimmen die meisten der Texte.

 

Schamoni verarbeitet seinen eigenen Worten zufolge damit die persönlichen Ereignisse der letzten Jahre. Zeilen wie „Leben heisst sterben lernen“ im Opener lassen erst mal nicht auf schönes Wetter hoffen. Unterlegt werden die auf ein Maximum komprimierten Emotionen vom bisweilen fast discoartig anmutenden Klangteppich der beiden Mitstreiter, die sich dafür schon mal an Hammond-Orgel, Cembalo oder Synthie-Bass begeben. Glatt kommen die Tracks dennoch nie rüber, dafür sorgt schon das unglaubliche Charisma in Schamonis Stimme. Oberflächlich betrachtet muten die Lyrics wie gesagt alles andere als fröhlich an. Liest man jedoch zwischen den Zeilen, findet sich Schamonis Botschaft an die Hörer recht bald: Weitermachen, denn es gibt etwas, dass all die Anstrengungen wert ist. Dass es sich dabei nur um Liebe handeln kann, erkennt früher oder später auch der härteste Straßenköter, seit Mike Ness‚ Ansprache auf der „Live in Orange County“-DVD sollte es auch zum letzten Tigerfellkragenträger durchgedrungen sein: „Even tough guys fall in love.“

Schamoni sucht sich als Vielleser seine Inspiration derweil quer durch die deutschsprachige Literaturlandschaft. Damit ist auch klar, dass es sich nicht um ein weiteres Produkt für den Teenie-Massenmarkt handelt, mit dem Schamoni übrigens in den Songs „Zum dumm um frei zu sein“ und „Jugendliche“ abrechnet. „Rocko Schamoni & Little Machine“ richtet sich an ein erwachsenes Publikum, bietet eine erwachsene Perspektive auf die Dinge.

 

Wer auf der Suche nach kurzweiligem Entertainment ist, wird schnell die Lust verlieren. Wer sich statt dem Einheitsbrei-Geschrei der hiesigen Rock-, Punk- und Mainstream-Alternative-Szene den wirklich wichtigen Dingen gewachsen fühlt und eine Konfrontation mit dem eigenen ich nicht scheut, muss bedenkenlos zugreifen.

Wertung: 0=6 Sterne

Pressure Magazine
Pressure Magazine ist ein Online-Musikmagazin, das sich auf die rockige Musikszene spezialisiert hat. Unsere Autoren sind leidenschaftliche Musikfans und liefern dir Artikel, Rezensionen, Interviews und Ankündigungen zu bevorstehenden Musikveranstaltungen. Unser Ziel ist es, dich als Musikfan auf dem Laufenden zu halten und dir eine Plattform für Feedback, Anfragen und Kommentare zu bieten.

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