Nicht über jeden Tänzer lässt sich sagen, dass er für Pop-Ikonen wie Cher, Madonna, Michael Jackson, Dolly Parton, Kenny Rogers, Lionel Richie und Gloria Estefan auf der Bühne stand. Über Michael „Mykal“ Perea indes schon. Er war einer der Backup-Tänzer, die für all jene Pop-Ikonen performte. 1989 starb er im Alter von 34 Jahren an AIDS.
Anlässlich seines Geburtstages – er wäre heute 69 Jahre geworden – nahm Pressure Magazine Kontakt mit Pereas Weggefährten auf und erinnert an diesen außergewöhnlichen Tänzer, der wie so viele seiner Branche, viel zu früh starb.
Caesars Palace, Las Vegas. 1981. Auf der Bühne des Circus Maximus Showrooms macht sich eine fünfköpfige Tanzgruppe für die Audition warm, als eine weibliche Stimme aus dem Off die Nummer 89 zum Vortanzen aufruft und ein in schwarz- und pinkfarbenem Dress gekleideter Mittzwanziger mit Stirnband und Tanzstulpen aus der Reihe tritt. „Michael Perea. Schön, dich wiederzusehen. Kennst du Peter Tramm? Würdet ihr mir bitte die letzten acht Takte der Jazz-Kombination geben?“ Was das Publikum dann zu sehen bekommt, ist eine Performance, bei denen die beiden Tänzer ihren Körper mehrfach um die eigene Achse drehen und durch synchrone Tanzfiguren zu Irene Caras Song „Fame“ beeindrucken, ehe es zum Schluss aus dem Off heißt: „Danke, ihr könnt euch entspannen, ihr habt alle den Job“. Tatsächlich war Michael Perea bereits seit 1979 als Backup-Tänzer für Cher engagiert und die einstudierte Choreografie ein Teil der Show „A Celebration at Caesars Palace“, mit der die US-amerikanische Sängerin und Schauspielerin Cher, deren Stimme aus dem Off zu hören war, den Auftakt ihrer Take Me Home-Tour gab.
Vom Cheerleader zum Profitänzer
„Der Höhepunkt seiner Karriere war wahrscheinlich die Tournee mit Cher, die eine enge Freundin wurde“, so Raymond Minkle über seinen damaligen und langjährigen Freund Michael Perea, mit dem er in El Monte, eine von Los Angeles ungefähr eine Auto-Viertelstunde entfernte Stadt, zur High-School ging und mehrere Jahre als professioneller Cheerleading-Trainer zusammenarbeitete. Nicht nur von Minkle erfuhren wir mehr über den Menschen Michael Perea, dessen Leben am 13. Mai 1955 in Van Nuys, Los Angeles, begann. Michael wuchs als jüngstes der drei Kinder von Margie Perea Marez auf. Über Michael und seine beiden älteren Brüder Joey und Larry sagt Minkle, dass sie ein sehr unterschiedliches Leben führten. Während sich Larry und Joey als Gangmitglieder herumgetrieben hätten, sei Michael mit ihnen als Cheerleader abgehangen, so Minkle. An die beginnende Tanzkarriere seines Freundes Mykal, wie er ihn nannte, erinnert sich Minkle noch gut. „Mykal hat es in das Junior-Varsity-Team und schließlich in die Uni-Mannschaft geschafft.
Sein insgesamt fünfköpfiges Team nahm an allen großen Wettbewerben in Süd- und Mittelkalifornien teil und belegte bei jedem den ersten Platz“, so Minkle.
Auch Susan Kaitukoff, die mit Perea während ihres zweiten und dritten Schuljahres auf der High-School befreundet und von 1972 bis 1973 Cheerleader in El Monte gewesen sei, erinnert sich: „Er war ein unglaublicher Choreograf und einer der Gründe, warum unsere Cheerleader so viele Wettbewerbe gewonnen haben“, schreibt Kaitukoff. Mike, wie sie ihn nannte, sei lustig und nie ernst gewesen. „Ich mochte ihn als Freund, aber wir bewegten uns wirklich in unterschiedlichen Kreisen“, so Kaitukoff. Ihren Schulfreund Mike wird sie nach seinem Abschluss 1973 jedoch nie mehr wiedersehen.
Perea habe für einen nationalen Cheerleader-Verband gearbeitet und Tanz an der renommierten DuPree Academy in Los Angeles studiert. „Die Fähigkeiten, die er im Cheerleading entwickelte, nahm er mit auf die Tanzfläche“, so Minkle über Perea, der 1979 mit der „Goddess of Pop“ Cher auf der ganz großen Showbühne stand und zu Beginn der 1980er-Jahre Bekanntschaft mit Madonnas späteren Choreografen Brad Jeffries machte.
Von der „Goddess of Pop“ zur „Queen of Pop“
„Ich traf Mykal zum ersten Mal etwa 1981 in Los Angeles. Er arbeitete damals als Tänzer in Chers Las-Vegas-Show mit ein paar meiner Freunde. Zwei weitere Tänzer in der Show waren Peter Tramm und Bobby Walker sowie meine Freundin Leslie Mogell“, erzählt uns Brad Jeffries.
Während Pereas Stern aufging, zogen dunkle Wolken über Hollywood und der Tod in Gestalt einer ominösen Krankheit durch die Straßen von Los Angeles. Sie wird als AIDS bekannt und auch der Tanzwelt gefährlich nahkommen. An jene Tage erinnert sich Susan Kaitukoff. „Mike war schwul und die Zeit, bevor AIDS entdeckt wurde, war eine gefährliche Zeit, um schwul und männlich zu sein. Viele schwule Männer versuchten nicht, es zu verbergen, und es war eine Zeit, nachdem die ‚freie‘ Liebe in den USA Einzug gehalten hatte, und die Gefahr, sich anzustecken und die Krankheit zu verbreiten, war groß. Ich wusste, dass er schwul war, aber erst später erfuhr ich, dass er ein schnelllebiges Leben in Hollywood führte.“
Mehr über das Showbiz und Pereas Karriere erfuhren wir von Brad Jeffries. „Mykal und ich haben ein paar Mal bei den American Music Awards zusammen getanzt, und ich erinnere mich, dass wir an mehreren Projekten für den Choreografen Kenny Ortega gearbeitet haben“, sagt Jeffries. „Tatsächlich war es eine dieser AMA-Shows, bei der Madonna mich tanzen sah und daraufhin Kontakt mit mir aufnahm, um mir den Job als Choreograph für ihre Virgin-Tour anzubieten. Ursprünglich hatte ich Mykal gebeten, mich bei den Auditions für die Tour zu unterstützen. Nachdem wir mehrere hundert Jungs tanzen gesehen hatten, beschloss sie oder beschlossen wir, dass Mykal in der Show sein sollte, anstatt nur auf der Produktionsseite zu arbeiten. So bekam Mykal den Job“, erklärt Jeffries.
Während der Virgin Tour im Frühjahr 1985 sei es zu Spannungen zwischen Perea und der späteren „Queen of Pop“ gekommen, wie uns Madonnas damaliger Bassist Bill Lanphier (1949-2022), den wir für unsere Recherchen bereits vor drei Jahren kontaktierten, verriet. Unmittelbar vor einem Auftritt der Virgin Tour sei jemand, möglicherweise Madonnas Manager, in den Green Room gestürmt und habe Verträge verteilt, die die Bandmitglieder unterschrieben, während Perea zugesehen habe, lässt uns Lanphier wissen und ergänzt: „Irgendwann später auf der Tour erfuhr ich, wahrscheinlich von einem Bandmitglied, dass Perea das Gefühl hatte, dass die Band aufgrund der überstürzten Unterzeichnung unter Zwang unterschrieben hatte, und das brachte Perea in Konflikt mit Madonna. Die Verträge waren für das Video der Virgin Tour, und ich erinnere mich, dass wir bei der Unterzeichnung einige, wenn nicht sogar alle unsere Rechte an dem Video abgaben, das wahrscheinlich am selben Tag wie die Vertragsunterzeichnung aufgenommen wurde“, so Lanphier. Von Pereas Tod hat er erst durch uns erfahren.
„Die Kamera liebte Mykal und er liebte die Kamera“
So Raymond Minkle über seinen langjährigen Freund Perea, für den das Video zur Virgin Tour bei weitem nicht die einzige TV-Aufnahme blieb. Unter anderem war Perea 1980 in der Musikfernsehserie „Solid Gold“ zu sehen, 1984 im Emmy-Award-prämierten Spielfilm „A Christmas To Remember“ mit Dolly Parton und Kenny Rogers, 1985 an Madonnas Seite in ihrem Video zur Single „Material Girl“ und 1986 mit Lionel Richie im Clip zu „Dancing on the Ceiling“. Auch hinter der Kamera spielte Perea eine Rolle, wie wir von dem Schauspieler und Tanzkollegen Kenneth „Kenny“ Jezek erfuhren. Bekannt wurde Jezek unter anderem durch seine Rolle als Lars Englund Mitte der 1980er-Jahre in der US-amerikanischen TV-Serie „Days of Our Live“. Für den Pilotfilm „Jump!“ stand Jezek gemeinsam mit Brad Jeffries und Peter Tramm (1957-1991) vor der Kamera. Im Videotelefonat mit uns erinnert sich Jezek an Perea, der damals Star-Choreograf Kenny Ortega (bekannt für die Choreografie für den Film „Dirty Dancing“) assistierte.
„Mykal war immer sehr freundlich und immer sehr geduldig. Ich glaube nicht, dass ich Mykal jemals wütend oder verärgert gesehen habe. Er war immer für alle Tänzer da, fragte, ob es uns gut gehe, ob wir etwas brauchten. Es war kein Wunder, dass er Kenny Ortegas Assistent war.“ Mitte der Achtziger stand Jezek erstmals mit Perea gemeinsam auf der Bühne. Ihren Auftritt während der American Music Awards im Shrine Auditorium in Los Angeles scheint Jezek noch lebhaft vor Augen zu haben. „Ich erinnere mich, wie ich dort in meine Garderobe ging. Ungefähr dreißig Minuten vor der Show kam Kenny Ortega rein und sagte: Oh, du musst noch eine Nummer lernen. Ich sagte: ‚Was? Ich habe 30 Minuten Zeit, um eine 2-Minuten-Nummer zu lernen. Ja, du schaffst das‘. Also nahm mich Mykal mit auf die Bühne und zeigte mir die Nummer. Er trat auch auf, aber es war ihm wichtig, dass ich es wusste und mich wohl fühlte. Er war geduldig und professionell wie immer. Und ich hatte dabei nie das Gefühl, in Panik zu geraten, weil Mykal da war und so sorgfältig war, dass ich wusste, dass alles, was er mir zeigte, genau so war, wie die Choreografie sein sollte. Er musste nicht alle 18 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne sehen und die Kreuzungsmuster, die wir machten. Aber er wusste genau, wo ich hingehen sollte. Das war Vertrauen. Ich habe noch nie mit der ganzen Gruppe geprobt. Ich habe keine Ahnung, wie es aussehen wird. Und als wir es gemacht haben, war es buchstäblich exakt. Das war Mykal. So präzise, weißt du. Ich glaube, die meisten Tänzer, die ich kenne und die Mykal kannten, würden das Gleiche über Mykal sagen. Er war so präzise“, so Jezek über seinen Weggefährten, der 1987 auch für den „King of Pop“ tanzte.
„Er verbarg die Tatsache, dass er im Sterben lag, bis zum Schluss“
„Wir haben für Smooth Criminal im Debbie Reynolds Studio in North Hollywood in Kalifornien vorgetanzt“, erinnert sich Todd Niles an die gemeinsame Audition mit seinem Tanzkollegen Perea, dessen Talent und großartige „Personality“ ihm noch in Erinnerung geblieben seien. Als Perea in Michael Jacksons Video zu Smooth Criminal tanzte, sei er jedoch ziemlich krank gewesen, meint Pereas langjähriger Freund Raymond Minkle. Ihm zufolge habe Mykal seine Krankheit vor seinen Freunden verheimlicht. Von Pereas Verschwiegenheit berichtet uns auch Star-Choreografin Doriana Sanchez, die mehrfach mit Perea zusammengearbeitet habe und eine Erklärung für das Stillschweigen von HIV-Infizierten hat: „Damals wollten die Erkrankten nicht, dass andere davon erfahren, weil sie Angst hatten, gefeuert zu werden. Michael hielt das Geheimnis vor uns geheim, bis er sehr krank war“, meint Sanchez, die gemeinsam mit Kenny Ortega als dessen Assistentin die Choreografie für die American Music Awards am 25. Januar 1988 einstudierte. On stage war damals auch Perea. Sein Auftritt mit Gloria Estefan, mit der erstmals eine Latino-Künstlerin die AMA-Bühne betrat, wird einer seiner letzten öffentlichen Auftritte sein.
Die Zeit danach ist Minkle in trauriger Erinnerung: „An Thanksgiving, bevor er starb, war er sehr krank und lag im Sterben, aber dann wurde sein Bruder erschossen und er hat sich selbst aus dem Grab zurückgeholt, damit seine Mutter nicht beide Söhne gleichzeitig verlieren musste“, erinnert sich Minkle. Michaels überlebender Bruder Larry sei schließlich aus den Gangs herausgekommen. Michael jedoch verlor am 9. August 1989 im Alter von 34 Jahren den Kampf gegen AIDS.
„Als ich von seinem Tod erfuhr, flog ich sofort nach Kalifornien, um bei seinem Partner Chuck zu sein. Mykal hinterließ ihm alle Tantiemen, die ihm zustanden. Ich weiß nicht, ob er HIV-positiv war, aber er behielt Mykal zu Hause und pflegte ihn dort, bis er starb“, schreibt Minkle und berichtet von einem Besuch einer Freundin Pereas an dessen Sterbebett. „Cher besuchte ihn kurz vor seinem Tod, aber Mykal war sehr auf sein Äußeres bedacht und hasste es, wenn sie ihn so sah. Er verbarg die Tatsache, dass er im Sterben lag, bis zum Schluss. Wir hörten Gerüchte, dass er krank sei, aber ich wollte es nicht glauben! Es tut mir so leid, dass ich ihn damals nicht erreicht habe“, so Minkle, der seinen Freund Michael 1986 das letzte Mal gesehen habe.
Die Welt des Tanzes und des Cheerleadings nachhaltig beeinflusst
„AIDS hat einen begnadeten Performer und Choreographen und einen sehr lieben Freund gestohlen. Ich konnte ihn bei Auftritten mit Madonna und Cher erleben, und er nahm mich mit hinter die Bühne, um Cher zu treffen, und ich lernte auch ihren Sohn (jetzt) Chaz kennen, als sie 14 war. Mykal hat seine bescheidenen Anfänge nie vergessen und einen großen Einfluss auf die Welt des Tanzes und des Cheerleadings“, schreibt Minkle über seinen Freund Michael Perea, über den Susan Kaitukoff noch heute zu staunen scheint: „Er war so ein Künstler“, so Kaitukoff.
Unvergessen bleibt Perea auch in der Tanzwelt, wie uns Doriana Sanchez wissen lässt: „Michael war wunderschön und ein so erstaunliches Talent und erstaunlicher Mensch. Die Aids-Epidemie war schrecklich für die Tanzgemeinschaft, und ich persönlich hatte 50 Freunde, die im Laufe der Jahre daran starben, einschließlich Michael. Er war auch einer von Micheal Peters Assistenten und arbeitete an der Spitze des Tanzbereichs in unserem Fernsehen, auf Tourneen und bei Auftritten mit Berühmtheiten. Er war in unserer Gemeinde sehr beliebt und wird immer vermisst werden.“
Text und Recherche von Markus Vögele
Michael Jacksons „Smooth Criminal“
Cher „Dancer Audition – A Celebration at Caesars“