Verein zur Pflege der Live-Musik e.V.
Verein zur Pflege der Live-Musik e.V.

Der Dossenheimer „Verein zur Pflege der Livemusik e.V.“ fördert auch in Zeiten der Pandemie Liveacts

Im Live-Interview mit Pressure verrät Pressesprecher Dett Nolze, wie der Verein bis jetzt Corona getrotzt hat und wann die erste Didgeridoo-Hardcoreband“ im vereinseigenen „Haus der Musik“ zu proben beginnt.

Bitte schildere die Entstehungsgeschichte „deines“ Vereins.

Dett Nolze: Es begann vor etwa zwanzig Jahren, als die ersten „legendären“ Open-Air-Konzerte bei den „drei Eichen“, zu denen gefühlt die Hälfte der Dossenheimer Bevölkerung erschien, stattfanden. Daneben wurden einige Kneipenkonzerte veranstaltet, als es in Dossenheim noch entsprechende Kneipen gab. Die gibt es allerdings seit einigen Jahren nicht mehr und das Ganze drohte einzuschlafen, wenn nicht der damalige und aktuelle Vorsitzende Florian Knappe mit viel Elan „die Sache in die Hand genommen hätte“. Es gab also ein „Relaunch“ der Vereinsaktivitäten, aus der sich u.a. die erfolgreiche Blues-Session in der Museumsscheuer entwickelte. 

Im Rahmen dieser Konzertreihe tritt die „ElVille Bluesband“ regelmäßig alle vier Wochen auf. Die Band bringt jedes Mal andere Gäste mit nach Dossenheim und mittlerweile taucht- bei aller Bescheidenheit- die Crème der deutschen Blueser wie Kai Strauss oder der Gitarrist von Grönemeyer, Stephan Zobeley, bei uns auf. 

Das Ganze ist mittlerweile sogar soweit überregional etabliert, dass manche der Gäste längere Anfahrtswege auf sich nehmen. 

Daneben gab es in den letzten Jahren noch einige Konzerte im auf dem alten Dossenheimer Steinbruchgelände „Leferenz“. Hier schmetterte übrigens „Freddy Wonder“ sein 30-jähriges Bühnenjubiläum ab. Weitere musikalische Höhepunkte waren ebenso die Auftritte von „Dirty Deeds“, einer hervorragenden AC/DC-Coverband oder der Grönemeyer-Band „Star Boyzz“. 

Gerne ich erinnere ich mich natürlich auch an das zweitägige Open-Air-Festival „50 Jahre Woodstock“ mit sechs Coverbands im Jahr 2019. Da kamen insgesamt 2000 Menschen. Viele davon wie ich aus der Woodstock-Generation waren in alten Hippie-Klamotten mit Stirnbändern und allem was noch sonst dazugehört gekleidet und sind anschließend völlig beseelt wieder nach Hause gegangen. Das war für unseren kleinen Verein mit etwa 100 Mitgliedern ein „Riesending“. 

Das alles ist durch die Corona-Entwicklung 2020 jäh ausgebremst worden.

Wie habt ihr auf das kulturelle Vakuum während der Lockdowns reagiert?

Dett Nolze: Zuerst gab es natürlich einen völligen Stillstand. Nach langer Überlegung entschlossen wir uns, im vereinseigenen „Haus der Musik“ sogenannte Wohnzimmerkonzerte stattfinden zu lassen. Dazu muss ich erklären, dass diese Lokalität ein ehemaliges Sendergebäude des Südwestfunke (SWF) ist und in den letzten Jahren ein wenig brach lag. Also haben wir ein eigenes Nutzungskonzept für dieses Gebäude entwickelt und den lokalen politischen Entscheidungsträgern präsentiert. Die Unterstützung kam über die Parteigrenzen hinweg, sodass wir jetzt im „Haus der Musik“ die Möglichkeit haben, drei Bandproberäume Interessierten für sehr wenig Geld zur Verfügung zu stellen. Das soll aber kein fester Bandproberaum, sondern eher ein zeitlich begrenzter „Ort des Ausprobieres“ sein. 

Und aktuell gibt es skurrile Sachen, wie z.B. einen Tangokurs und eine Schwertkampftruppe, für die die Räumlichkeiten genutzt werden. 

Und vielleicht gibt es irgendwann einen „Akustik-Punkchor“ oder eine „Didgerdidoo-Hardecoreband“, die sich bei uns einmieten (lacht).

Verein zur Pflege der Live-Musik e.V.
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Aber zurück zu den Wohnzimmerkonzerten: Die wurden also von unserem Vorsitzenden Florian Knappe ins Leben gerufen. Wir haben den Solo-Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit gegeben, im Technikraum im „Haus der Musik“ aufzutreten, haben das Ganze professionell abgemischt und gefilmt. Diese Mitschnitte waren (und sind es immer noch, Anmerk. d. A.) zuerst auf der Homepage www.haus-der-musik.de abrufbar und wurden erst später zusätzlich auf Youtube hochgeladen.

Das war eine solidarische Aktion des Vereins zugunsten der Musikerinnen und Musiker in Zeiten ohne Auftrittsmöglichkeiten. Rein wirtschaftlich betrachtet war es nicht lukrativ. Aber das ist nicht so schlimm, da wir ein gemeinnütziger Verein sind.

Wurde die Bekanntheit und Reichweite Eures Vereins durch die Wohnzimmerkonzerte sogar gesteigert?

Dett Nolze: Das glaube ich nicht. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer von Youtube, mir inklusive, konsumieren ausschließlich. Die meisten davon entscheiden nach wenigen Sekunden, ob sie ein Video weiterschauen wollen oder eines der unzähligen Alternativangebote wählen. Die Verweildauer ist demnach in vielen Fällen sehr begrenzt. Also haben sich manche unserer Künstler dazu entschieden, zusätzlich zum gesamten Konzert einzelne Titel herauszuschneiden und anzubieten. Die Klickzahlen sind zwar erfreulich, aber weit davon entfernt, gigantische Werbeinnahmen für den Verein zu erzielen.

Aber noch einmal: Darum ging es uns bei dieser Aktion nicht. Für uns war dies während des Lockdowns ein Akt der Solidarität mit den Musikern. Auch wollten wir unseren Vereinsmitgliedern und den Gästen, die normalerweise unsere Veranstaltungen besuchen, weiterhin gute „Live“-Musik bieten.

Seit Mai/Juni sind Konzerte mit Einschränkungen wieder möglich. Was ist seitdem gelaufen?

Dett Nolze: Wir haben wieder „Garten-Konzerte“ im Haus der Musik und weitere  „Rock im Bruch“-Konzerte u.a. mit „Balsamico“ und „Nordakas“ veranstaltet. Allerdings gab es einige behördliche Einschränkungen, dass beispielsweise nicht getanzt werden und wir maximal 750 Personen Einlass gewähren durften. Letzteres konnten wir leicht kontrollieren, das Tanzverbot war dann weitaus schwerer durchzusetzen (lacht).

Welche Prognosen hast du, falls es im Herbst/Winter wieder einen kulturellen Lockdown geben sollte?

Dett Nolze: Das ist etwas, was ich geradezu mit Ängstlichkeit verfolge. Ich habe das Gefühl, dass wir offenbar 80 Millionen Virologen in Deutschland haben. Ich selbst weiß nicht, wie sich das alles weiterentwickeln wird. Kein Mensch weiß, wie die Pandemie beispielsweise in Afrika (…) wütet und sich weiterentwickelt. 

Auch fällt es mir schwer, die Argumente vieler Menschen gegen einen bestimmten Impfstoff oder generell gegen die Impfung nachzuvollziehen.  

Wenn ein erneuter Lockdown kommen sollte, reagieren wir als Verein entsprechend und loten die Möglichkeiten aus. Ob das Wohnzimmerkonzerte sind oder was ganz anderes kann ich dir noch nicht sagen. Ich möchte auf jeden Fall momentan kein gewerblicher Konzertveranstalter sein. Die meisten im Kunstbereich arbeitenden Menschen tragen die Maßnahmen und Einschränkungen mit. Ausnahmen wie „Nena“ gibt es zwar, befinden sich meines Erachtens aber in der Minderheit. Zum Glück.

Das Interview führte Sveni im August 2021 für Pressure Magazine

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