Damals, erinnert ihr euch? Vor einer Ewigkeit, als die Pandemie die Welt auf den Kopf stellte und wir mit Masken umherliefen wie futuristische Ninjas? Die Zeit, als „Freunde treffen“ bedeutete, sich in einer Zoom-Session zu „versammeln“ – für diejenigen unter uns, die überhaupt Freunde haben und hatten. Unsere Wohnzimmer wurden zu den neuen Hotspots, und alles spielte sich online ab: von der Arbeit über das Privatleben bis hin zu den Hobbys. Es war die Ära, in der uns Namen wie Julienco, Dagi Bee, Rezo, Alicia Joe, Knossi und MontanaBlack mehr vertraut waren als der eigene Nachbar! Sie wurden gefeiert wie Rockstars und vielleicht sogar mehr als die echten.
Ja, ich frage mich: Laufen diese YouTuber und Streamer den echten Rockstars den Rang ab? Haben sie den „coolen Kids“ im Musikgeschäft vielleicht schon die Show gestohlen?
YouTuber vs. Streamer: Die Unterschiede
Aber fangen wir mal ganz von vorne an: Es gibt YouTuber und es gibt Streamer. Auch wenn die Unterschiede nicht riesig sind, so sind sie doch da. YouTuber produzieren Content hauptsächlich in Form von Videos – von Tutorials über Vlogs bis hin zu den schrägsten Challenges, die man sich vorstellen kann.
Streamer hingegen übertragen live und präsentieren ihre Inhalte in Echtzeit auf Plattformen wie Twitch oder YouTube Live. Das ermöglicht ihnen direkt mit ihrem Publikum zu interagieren. Die Streams landen dann oft auch als Videos auf YouTube, sodass die Grenzen zwischen den beiden Formaten ziemlich verschwommen sind.
Und hey, wenn wir schon beim Thema sind: Klar, alle diese Namen haben einen Instagram-Account mit Followerzahlen in schwindelerregenden Höhen, aber sie sind in erster Linie keine Instagrammer oder Influencer. Auch wenn das natürlich manchmal vermischt wird, sollte das an dieser Stelle aber erwähnt werden!
Warum sind sie so beliebt?
Die Begeisterung für Menschen wie Rezo und MontanaBlack rührt vor allem von ihrer direkten und unverblümten Art, ihre Meinungen zu äußern. Diese Persönlichkeiten sprechen offen über Themen, die viele von uns betreffen und sie tun dies oft in einem Stil, der ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit erzeugt. Im Vergleich zu traditionellen Rockstars erscheinen sie nahbar und zugänglich. Sie sind keine unerreichbaren Idole, sondern wirken wie Freunde, die in unserem Wohnzimmer sitzen und ihre Gedanken teilen.
Es ist aber nur die Illusion von Nähe. Wir sehen nur einen Teil ihres Lebens. Es entsteht der Eindruck, wir wüssten viel über sie, da sie regelmäßig online präsent sind und ihre Ansichten mit uns teilen. Diese vermeintliche Intimität lässt uns glauben, dass wir Teil ihrer Welt sind, auch wenn wir in Wirklichkeit nur Zuschauer sind. Psychologisch gesehen kann dieser Effekt stark sein; wir identifizieren uns mit ihnen, weil sie in ihrer Authentizität und ihren Herausforderungen so menschlich wirken, wie wir alle eben sind.
Es bleibt jedoch zu beachten, dass diese Menschen nicht alles preisgeben. Was ihre Follower und Abonnenten aber oft nicht hinterfragen. Zum Beispiel wird oft über MontanaBlack’s rechtliche Probleme (Hintergrundbericht) berichtet, aber viele Details bleiben unklar. Rezos politisches Engagement (Video ansehen), das die CDU ins Visier nahm, zeigt ebenfalls, wie seine Äußerungen viel Staub aufwirbeln können, aber ich habe keine Ahnung, wie Rezo als Mensch wirklich tickt. Ich kenne ihn nämlich nicht persönlich. Und er weiß noch nicht einmal, dass ich existiere. Und das zeigt schon, dass diese Menschen eben nicht unsere Freunde sind. Das, was wir über sie wissen, stammt oft aus Presseberichten und Medien und das Bild, das sie projizieren, wird sorgfältig von Presseteams gemanagt. Es entsteht der Eindruck von Ehrlichkeit und Direktheit, obwohl die Realität oft komplexer ist.
Sind Streamer und YouTuber also die neuen Rockstars?
In gewisser Weise ja, aber nur für die, die das Phänomen nicht richtig durchschauen. Für die Menschen, die in der oberflächlichen Social-Media-Blase leben, sind sie die coolen neuen Idole. Allerdings werden sie Rockstars nicht ersetzen. Dafür braucht es mehr als nur eine Meinung zu einem Thema. Streamer und YouTuber sind vielmehr eine neue Art von faszinierenden Persönlichkeiten, die uns in unseren einsamen Momenten begleiten während wir auf unsere Handydisplays starren, ganz allein in unserem Wohnzimmer. Und im Hintergrund zum Beispiel Guns N‘ Roses hören. Sie bringen uns zum Lachen und bieten uns Unterhaltung, selbst wenn wir mutterseelenallein im Wohnzimmer sitzen.
Eine Frage der Perspektive
Für die einen sind YouTuber und Streamer also echte Stars, für die anderen lediglich Menschen, die ihre Meinungen äußern und dabei clever wirken. Denn kurzum ist es nicht mehr und nicht weniger, als das, was sie sind. Aber vielleicht ist das auch einfach eine Frage der Perspektive? Denn ich habe auch echte Freunde, mit denen ich im Wohnzimmer sitze, Guns N‘ Roses höre und darüber diskutieren kann, wo wir Pizza bestellen sollen. Andere haben eben eine 14-stündige Handybildschirmzeit.
Was sind Youtuber und Streamer also für euch? Die coolen Kids der Neuzeit oder ein wenig Zeitvertreib in der Bahn?
Text von Mia Lada-Klein
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Der nächste Kolumnenbeitrag erscheint am 24. Oktober