Pop ist Tot Autor Thomas Mulitzer Foto © PunktFormStrich
Pop ist Tot Autor Thomas Mulitzer Foto © PunktFormStrich

In seinem neuen Buch kapert Thomas Mulitzer die Roadmovie-Form, spielt den Mythos Punkband laut und dreckig, verzerrt jedes einzelne jaulende Klischee und zertrümmert es in kleine Splitter. Ein bitterernster und zum Brüllen komischer Roman über die grenzenlose Freiheit, das Ende der Naivität und natürlich über die beste Musik!

Pop ist tot“, das war die glorreichste, lauteste, leidenschaftlichste Punkband der Welt in der österreichischen Provinz der Neunziger. Die ehemaligen Bandmitglieder zehren im gleichnamigen Roman „Pop ist tot (Kremayr & Scheriau, Erschienen am: 16. August 2021) von Thomas Mulitzer heute noch von ihren Erinnerungen an den Lärm, die Drogen, den Spaß und das jugendliche Gefühl der Unsterblichkeit. Die einen kämpfen sich durch den grauen Alltag ihrer spießbürgerlichen Existenz, die anderen bekommen ihr Leben nicht auf die Reihe. Bei der erstbesten Gelegenheit fliehen sie auf Teufel komm raus in eine Reunion-Tour quer durch das Land. Dass das in ihrem Alter nicht gutgehen kann, liegt auf der Hand…

Lieber Thomas, Bitte beende den folgenden Satz: Punk ist das ideale Werkzeug, …

um Alltagszwängen und gesellschaftlichen Normen zu entfliehen!

Und was findet man stattdessen? 

Thomas Mulitzer: Ein Spielfeld der Freiheit, auf dem man das tun kann, was man tun will, und die Person sein kann, die man sein will, ganz egal, was andere denken.

Wie erlebt das der Protagonist in „Pop ist tot?“ Versucht er durch das Bandrevival seinem „bedeutungslosen“ Leben zu entfliehen um- frei nach Friedrich Schlegel- wieder „am großen Weltenspiel“ teilzunehmen?

Thomas Mulitzer:  Der Protagonist fühlt sich in seinem Job und seiner Beziehung nicht hundertprozentig wohl, sein Leben engt in ein, die Stadt, in der er wohnt, ist voller Touristen, er kann sich nicht kreativ entfalten. Vielleicht wär das gar nicht so schlimm, aber eben weil er früher die Freiheit auf Tour erlebt hat, sehnt er sich nach Veränderung. Und den anderen Bandmitgliedern geht es ähnlich. Ihre Zeit mit der Band fiel in die Lebensphase, in der man zum ersten Mal eigene Wege geht und Erfahrungen macht, die einen nachhaltig prägen.

Es ist natürlich sehr verlockend, diese Zeit wieder aufleben zu lassen, wenn man die Gelegenheit dazu bekommt. Und da erscheint eine Tour durch kleine Clubs schon mal als großes Weltenspiel.

Lärm, der Trost der Einsamen.“ Was soll der Lärm beim Protagonisten von „Pop ist tot“ mehr überdecken; das Gefühl der inneren Leere oder das Gefühl, seine Jugend und damit seine wildeste Zeit des Lebens unwiederbringlich verloren zu haben? 

Thomas Mulitzer: Der Lärm überdeckt den Tinnitus des Protagonisten und somit sinnbildlich alle seine Probleme. Es ist nur leider so, dass jeder Song, jedes Konzert, jede Tour ein Ende haben. Dann sind der Tinnitus, der Schmerz, die Probleme wieder da.

Wie ist das bei über 40-Jährigen im „realen Leben“- können sie trotz veränderter Lebensumstände ein eigenes Punk-Revival erleben oder ist das deines Erachtens reines Wunschdenken? 

Thomas Mulitzer: Ich bin ja erst knapp über 30, aber schon jetzt ist es schwierig, Brotberuf und Punkleidenschaft miteinander zu vereinbaren. Ich finde, man muss ja nicht gleich wochenlang auf Tour gehen, aber wenn man sich im Alltag ein gewisses Maß an Autonomie, Widerstandskraft und Humor bewahrt, hat man schon eine gute Basis. Die Musik ist eigentlich nebensächlich, für mich geht es eher um die Einstellung zum Leben. 

„Zu jung, um zu sterben und zu alt, um jung zu sterben.“ Ist das die Chance von Subkulturen, das Leben der Junggebliebenen mit neuer „Sinnhaftigkeit“ zu erfüllen? 

Thomas Mulitzer: Das wäre schön! Noch schöner wäre es, wenn neben den etablierten Bands, die es schon Jahrzehnte gibt, auch mehr Nachwuchs nachrückt. Nur so kann die Szene lebendig bleiben und sich weiterentwickeln. Ein Song meiner Mundart-Punkband Glue Crew heißt „Bleib nid so wiesd bist“ und genau das ist wichtig, finde ich: nicht so zu bleiben, wie man ist. Sich die Ideale bewahren, aber offen sein für Neues. Zumindest ist das besser als alten Erinnerungen nachzuhängen und „Früher war alles besser“ zu jammern.

Wie viel autobiografische Erlebnisse stecken eigentlich in der Figur des Protagonisten? 

Thomas Mulitzer: Autobiografische Elemente sind für mich genauso Material wie Erzählungen von Freunden oder Themen, die mir irgendwo unterkommen – alles, was thematisch passt, wird verarbeitet. Der Protagonist arbeitet in der Werbebranche, das hat er mit mir gemeinsam, ich habe aber viele Elemente reingebracht, die mit mir und meinem Leben nichts zu tun haben. Ich kann am besten über Dinge schreiben, die ich aus eigener Erfahrung kenne.

In vielen Gesprächen mit Freunden, die etwas älter sind als ich, hat sich gezeigt, wie sehr sie ihre Jugendzeit glorifizieren, manchmal spürt man auch die Enttäuschung, dass sich ihre Band oder Punk generell nicht so entwickelt hat wie erhofft.

Vor 20 Jahren war die Szene ja um einiges größer. Was bleibt von all den Bands: ein paar Platten, ein paar Poster und die Erinnerung an wunderbare Momente.

Die im Buch beschriebene Punkbewegung Mitte der Neunziger mit Bands wie Offspring, Lagwagon, NOFX und Co. hast du aufgrund deines Geburtsjahrs definitiv nicht wie der Protagonist wahrnehmen können. Wo sind deine Verbindungen zu den eben genannten Bands? 

Thomas Mulitzer: Das stimmt! Mein Einstieg in die Punkwelt fand über Bands wie Die Ärzte statt, natürlich auch The Offspring (allerdings erst bei „Americana“ und „Conspiracy of One“, nicht schon bei „Smash“) und Blink-182. Irgendwann bekam ich einen Fat-Wreck-Sampler in die Hände („Survival oft he Fattest“) und dann hat man auf einmal 15 oder 20 neue Bands vor sich, von denen man natürlich mehr hören möchte und so arbeitet man sich durch zig Alben und kommt zu Bad Religion, Descendents, Dead Kennedys und so weiter. Und heute bin ich immer noch am Entdecken.

Welche Ziele hast du dir vorgenommen, wenn du mal 40 bist? Immerhin liegt die Latte durch das Startstipendium des österreichischen Bundeskanzleramtes sowie die Unterstützung der Stadt Salzburg (die im Buch nicht so gut wegkommt, Anmerk. der Redakteurs) recht hoch. 

Thomas Mulitzer: Ich möchte weiter Musik machen und hin und wieder ein Buch schreiben. Idealerweise habe ich mit 40 weitere Platten und Bücher veröffentlicht und muss weniger arbeiten, weil sich das Zeug so gut verkauft, haha. Vielleicht kommt ja noch das lang ersehnte Punk-Revival, dann bleibt das kein Wunschtraum.

Das Interview führte Sveni für Pressure Magazine im August 2021

E-Mail-Interview mit dem Autoren Thomas Mulitzer

Pop ist tot“ gibt es als Download oder gebundenes Buch bei Amazon.de

Erscheinungstermin am 16.08.2021

„Pop ist tot“ Buch von Autor Thomas Mulitzer
„Pop ist tot“ Buch von Autor Thomas Mulitzer
  • Herausgeber : ‎ Kremayr & Scheriau
  • Sprache ‏: ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe : ‎ 192 Seiten

Thomas Mulitzer, geboren 1988, aufgewachsen in Goldegg im Pongau, lebt und arbeitet in Salzburg. Macht Musik, unter anderem als Singer-Songwriter und in der Mundart-Punkband Glue Crew. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien. 2017 erschien sein Romandebüt „Tau“ bei Kremayr & Scheriau.

„Nie gab es einen schöneren Klang auf der Welt als den krachenden Akkord einer E-Gitarre über dem treibenden Beat eines Schlagzeugs und einem wummernden Bass. Wir waren Helden. Ruhestörer. Krawallmacher, Schreihälse, lärmende Heiden. Würgeengel der Besinnlichkeit.“

Zitat von Thomas Mulitzer