Freitag, April 19, 2024

Lieber Bar als Couch: WIRTZ im Interview über die fünfte Dimension

Daniel Wirtz feiert dieses Jahr ein ganz besonderes Jubiläum: Vor 10 Jahren entschied sich der ehemalige Frontmann von Sub7even für sein Soloprojekt. Das aktuelle WIRTZ-Album heißt „Die fünfte Dimension“.

Daniel Wirtz ist Künstler und betreibt sein eigenes Label, der Do-It-Yourself-Prototyp, der den Gegenpol zu Hype, Mainstream und dem Musikzirkus im Allgemeinen darstellt. Nach zehn Jahren harter Arbeit, einer gesund wachsenden und dankbaren Fangemeinde, stetig größer werdenden Clubs, einiger TV-Auftritten, einem eigens für ihn konzipierten TV-Format, Support-Shows für u.a. Udo Lindenberg und unzähligen Festivalauftritten belohnt Daniel Wirtz sich und seine Fans mit dem was er am besten kann: Musik!

Mit Marcus vom Pressure Magazine sprach der Musiker über seine aktuelle Platte „Die fünfte Dimension„, sowie über Kindeserziehung, Werte, Politik und die Entwicklung der Gesellschaft. Außerdem erfahren wir, weshalb er in jedem Fall die Bar einer Couch vorziehen würde. Unsere Plattenkritik findet ihr ebenso hier.

Hi Daniel, zunächst einmal viele Grüße nach Frankfurt. Aus gegebenem Anlass habe ich mir einen echten Frankfurter Ebbelwoi aufgemacht…

Den kann man auf jeden Fall zu jeder Uhrzeit trinken! Ich muss leider passen, denn ich bin noch erkältet vom Benefizkonzert Viva Con Aqua und habe mir da einen schönen Schnupfen und Husten für einen guten Zweck eingefangen. In Uganda haben jetzt zweitausend Leute gutes Trinkwasser und einen eigenen Brunnen. Dafür lag ich jetzt eine Woche lang flach – aber das ist ein fairer Preis, den man zahlen kann.

Das nenne ich Einsatz, dann war es nicht umsonst! Nach zwei Jahren TV-Präsenz durch „Sing meinen Song“ und einer eigenen Musikshow „One Night Song – Blind Date im WirtzHaus“ bist du ja schon nahezu „omnipräsent“.

Ach was, Mark Forster ist omnipräsent! Aber im Vergleich zu den Jahren vorher ist die TV-Präsenz gestiegen, da gebe ich dir Recht. Privat hat das Null und Nothing verändert. Es ist weder so, dass ich ab sofort mit „Herr Rockstar“ angesprochen werde oder das Gefühl habe, ich sei jetzt mehr oder weniger Wert als vorher.

Das TV-Geschäft kennst Du ja noch aus Zeiten Deiner damaligen Band Sub7even. Was hat sich für dich verändert?

Vergleichen mit Sub7even würde ich es auch nicht, denn dort stand ich in einer Soap (Anm. d. Redaktion: Verlorene Liebe im Jahr 2000 – Zum Video) und mit „Sing meinen Song“ war ich in einem ernstzunehmenden Musikformat vertreten, in dem ich das machen durfte, woran ich Freude habe und die Sendung zudem cool finde. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit meiner früheren Band Sub7even habe ich mir nun nur die schönen Sachen rausgepickt und alles was bis dato im TV von mir zu sehen war habe ich nicht einmal das Gefühl, das ich mich dafür schämen müsste, sondern im Gegenteil.

Andere Angebot, von der Kochsendung angefangen bis zu anderem Schabernack, habe ich komplett abgelehnt. Da bin ich sehr selektiv, aber solange es um Musik geht ist es für mich okay. „Sing meinen Song“, meine eigene Sendung „One Night Song“ oder zuletzt auch der Auftritt bei der großen Show zum 40-jährigen Bühnenjubiläum von Nena sind Formate in denen ich als Künstler stattfinden kann. Das gibt dem ein oder anderen da draußen die Chance mich zu entdeckten, ohne mich zu verbiegen. Smalltalk-Runden sind nicht mein Ding und daher bin ich auch nicht mit auf die Couch als mich Thomas Gottschalk dazu einlud. Ich habe dankend abgelehnt und bin zurück an die Bar.

Wirst du in Frankfurt erkannt und nach TV-Auftritten angesprochen?

Daniel WIRTZ "Die fünfte Dimension" ab 17.11.2017 im Handel
Daniel WIRTZ „Die fünfte Dimension“ ab 17.11. im Handel

Ach Du, den Frankfurter interessiert das nicht. Vielleicht guckt da mal einer hinter mir her oder tuschelt. In Frankfurt sagt man „jeder stinkt beim scheissen“ und deshalb wird auch kein Fass aufgemacht oder in Wellen aus Euphorie ausgebrochen. Es ist also trotz zunehmender Fernsehpräsenz völlig unspektakulär geblieben. Ich werde nirgendwo reingezogen und bekomme Drinks aufs Haus und das ist auch gut so.

Dann waren da noch die Einladungen zu ausverkauften Stadiontourneen mit Xavier Naidoo und Udo Lindenberg. Chapeau, mein Lieber. Wie kam es denn dazu?

Ein Ereignis tritt wiederum eine andere Tür auf. Viele Mosaikteile, die sich ergeben haben, indem man gute Leistung abgeliefert und offenbar einen guten Eindruck hinterlassen hat.

Natürlich hat mich das enorm geehrt, dass mich ein Udo Lindenberg anruft. Es gibt viele andere Telefone in Deutschland, die er hätte anrufen können, was wiederum für ihn spricht. Udo erkennt Talente, ist offen für neue Musik und nimmt die Chance wahr, diese mit seiner Musik zu verbinden. Das war ein interner kleiner Ritterschlag für mich und ein schönes Gefühl von jemandem, wie ihm ernst genommen zu werden.

Ich weiß nicht wie viele Musiker das Glück haben eine ausverkaufte Stadiontour zu bespielen und sowohl davor, als auch mit dem Haupt-Act auf der Bühne zu stehen. Das war eine surreale Erfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann. Da war so viel los, was das Auge mitgenommen hat und das Herz am Ende daraus verarbeitet hat, was wiederum auf die jetzige Platte eingestrahlt ist.

Bevor wir darauf zu sprechen kommen, würde mich interessieren, was für dich veranlasste, die Musikerlaufbahn einzuschlagen. In der großen Nena-Show am 29.10. sagtest du nach Deiner Interpretation von „In meinem Leben“(ab 1 Std. 40 Min.) zu Nena, dass sie für dich der Grund gewesen sei, das Ding mit der Musik durchzuziehen…

Ich habe immer gehofft, dass ich diese Dame einmal treffen würde und mir gewünscht, dass der Moment kommt, bei dem ich ihr das einmal persönlich sagen kann. Ich hätte zwar nicht gedacht, dass es auf einer ORF-Sendung im ZDF passieren würde, bei der auch noch ein paar Leute zuschauen. Die Tatsache, dass es nun ausgerechnet auf großer Bühne unter Moderation von Thomas Gottschalk passiert ist, hat sicherlich dem ein oder anderen WIRTZ-Liebhaber den Link gebracht, weshalb ich ausgerechnet bei so einer Sendung teilnehme.

Als die Anfrage dazu rein kam, überlegte ich nicht lange und sagte mir: Eija Logo! Ich muss ihr ja eh etwas sagen und das war der musikalische Moment, bei dem ich ihr mit dem Song „In meinem Leben“ etwas zurückgeben konnte, um mich bei Nena zu bedanken.

Im Alter von 8 Jahren eines kleinen Jungen überlegt man sich, ob man Rennfahrer oder lieber Astronaut wird und genau da kam Nena mit ihrer Musik um die Ecke und hat in meinem Leben die Weichen gestellt. Von diesem Moment an war ich so angefixt und hatte den Traum Musiker oder Rockstar zu werden. Außerdem hat sie mir wenige Jahre später in einem VIVA-Interview die Angst genommen und die Absolution gegeben, dass es machbar ist. Denn wenn sie geantwortet hätte, dass man so oder so aussehen soll und singen können muss, wie ein Gott und dann eine eins von einer Millionen Chance gibt als Musiker durchstarten zu können, dann wäre meine Entscheidung sehr wahrscheinlich anders ausgefallen. Aber mit dieser ganze banalen Einstellung: „Weitermachen, an sich glauben und irgendwann passierts“, hat sie mir sämtliche Ängste und Zweifel genommen, die man im Teenie alter hat, wenn es darum geht die Weichen für sein Leben zu stellen.

Welchen Ratschlag würdest du angehenden Musikern und Nachwuchstalenten auf den Weg geben?

Das gleiche was bei mir gezogen hat. Wenn du meint du hast etwas zu sagen und willst das machen, dann musst du dranbleiben, weitermachen und darfst dich nicht entmutigen lassen – dann wird das irgendwann funktionieren. Da halte ich mich an den Rat einer guten Bekannten und das gebe ich gerne so gerne weiter, Haha.

Mit 8 Jahren hast du dich also bereits für die Musik begeistern können. Wie kam es, dass es ausgerechnet die Gitarre und der Gesang werden sollte?

Damals in der Grundschule wurde eine Mini-Playback-Show von uns Schülern veranstaltet und zusammen mit meinen besten Freunden stand ich auf der Bühne und wir haben das musizieren zu Nena-Songs geübt. Wie das in jungen Jahren so ist, hat jeder seine große Schulliebe. Meine Schulliebe hieß auch noch Nina – das war schon relativ nah dran an Nena, Haha und in die war ich hoffnungslos verliebt. Aber selbstverständlich war das auch einer meiner Freunde und deshalb habe ich in der Band die Gitarre übernommen, da Gitarristen immer gefragt sind und sich Frauen bekanntlich nicht hinten am Schlagzeug rumräkeln, Haha. Daher war es wichtig, dass ich die Gitarre habe, um sie zu beeindrucken. Es handelte sich um eine selbstgebastelte Gitarre aus Pressspan, die mir mein Vater ausgeschnitten und angemalt hatte in den Farben Rot-Weiß.

Aber mal im Ernst: Da ging es weniger darum, welches Instrument ich spiele, sondern wer von uns am Ende der Mini-Playback-Show in der Gunst von der holden Dame steht.

Daniel WIRTZ im Video zu "Gib dich nicht auf" vom Album "Die fünfte Dimension"
Daniel WIRTZ im Musikvideo zu „Gib dich nicht auf“ vom Album „Die fünfte Dimension“

Die neue Platte: Was hat es mit dem Titel „Die fünfte Dimension“ auf sich? Erinnert zunächst an die „vierte Dimension“ der Fantastischen Vier.

Echt jetzt? Ich habe den Eindruck, dass viele darin eine viel schönere Interpretation sehen, als sich letztlich dahinter verbirgt. Meine Freunde haben mir dazu geraten, den Titel einfach so stehen zu lassen, um die Geschichte nicht zu entzaubern. Jeder darf sich selbst etwas darunter vorstellen.

Ich vermute, es hängt mit der fünften Platte und einem neuen Lebensabschnitt zusammen. Könnte auch einen esoterischen Hintergrund haben…

Nee, Esoterisch ist da nix, ich bin überhaupt nicht esoterisch veranlagt. Nüchtern betrachtet, handelt es sich ganz einfach um mein fünftes Studioalbum. Die zuletzt veröffentlichte Unplugged-Platte habe ich nicht dazugezählt, da es sich ja um bekannte Songs handelte.

Nun war ich gedanklich mit der Zahl „5“ unterwegs und hatte ein Artwork vor Augen, dass ich mit dem Stift auf einem Bierdeckel vier Striche runter und einen quer mache. Allerdings hatte diese Idee kürzlich schon die Band Itchy Poopzkids mit ihrer sechsten Platte „Six“ umgesetzt und somit war diese Variante nicht mehr möglich.

Zusammen mit meinem Grafiker haben wir meine letzten fünf Platten mit der Vorderseite übereinander gelegt und anhand dieser Vorlage das Symbol mit den Outlines auf dem jetzigen Album-Cover entwickelt – das hat visuelle Power!

DANIEL WIRTZ Interview Die fünfte Dimension Pressure Magazine November 2017
Artwork zum Wirtz Album „Die fünfte Dimension“

Es sind die fünf Platten auf Kopf, die wiederum eine Struktur im grafischen ergeben, die einfach interessant wirkt und ein Eyecatcher ist. Viel mehr als die fünfte Stufe und ein starkes Wort war es dann eigentlich auch nicht. Um hierbei jedoch nicht ins Esoterische abzutreiben, empfand ich es als nötig, dazu noch einen rockigen und erdigen Opener-Song zu schreiben.

Der Opener „Die fünfte Dimension“ beinhaltet bekannte Sprichwörter und Floskeln wie „über sieben Brücken musst du gehen“ oder „ihr könnt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen“. Welche Botschaft steckt hinter dem Song?

Es geht es um substanzlose Floskeln in Liedtexten zu denen ich den Gegenpol darstellen will. Musiker sollen sich Gedanken machen und nicht hirnlos irgendwelche Phrasen und Metaphern aneinanderreihen, die nur gut klingen und beim Hörer den Eindruck zu erwecken, dass der Typ da vor ihnen die Weisheit mit Löffeln gefressen hat.

Ich singe halt nicht darüber, dass der dickste Bauer die dicksten Kartoffeln hat. Das wäre in etwa so, als würde ich tolle Phrasen aus irgendwelchen Internetforen oder aus Glückskeksen abschreiben, um besonders clever zu wirken. Daher führe ich diese Sprichwörter und Liedtexte ins Absurdum, um anzuprangern, was für ein Mist heutzutage in Musik verpackt wird und an die Masse verkauft wird. Bei meiner Platte geht es mir zumindest um relevante Themen und es wird wieder tief gebuddelt und dahingegangen wo es wehtut – das will ich mit dem Song „Die fünfte Dimension“ zum Ausdruck bringen.

Welche weltpolitischen Geschehnisse waren Anlass für dich „Das verheißene Glück“ zu schreiben?

Der Song ist ein zeitgemäßer Jetzt-Zustand unserer Gesellschaft. In der Vergangenheitsform geschrieben, beschreibt er die Entwicklung einer alten Hochkultur. Wir sehen derzeit in Deutschland, was abgeht mit Parteien, wie der AFD. Europa rückt immer weiter nach rechts. Egal wohin man blickt wächst die Gefahr und der Frieden tendiert gen Null. Wir laufen Gefahr wieder 70 Jahre zurückversetzt zu werden und stellen fest, dass Frieden kein gegebenes Glück vom Universum ist. Die Freiheit muss nun mal erkämpft werden. In der Geschichte sind viele Leute dafür gestorben, damit wir so leben können, wie wir es hier und heute tun. Darüber sollte sich jeder bewusst sein und sich nicht einfach so aus seiner Verantwortung ziehen. Wer glaubt, er käme mit Protest weiter, liegt falsch.

Ich habe ein schönes Bild für diesen Song im Kopf, dass ich auch gerne noch in einem Video umsetzen möchte. Vom Oberhaupt der Kirche bis zu allen Diktatoren dieser Welt oder unserer Geschichte sitzen gemeinsam auf einem Floß sitzen. In dieser Aufbruchsstimmung meint jeder, er wüsste genau in welche Richtung es geht. Letztendlich gehen sich alle an die Gurgel und treiben tot auf dem Wasser, bis sich herausstellt, dass keiner von ihnen wirklich Bescheid wusste.

Ich appelliere dazu, wachsam zu sein. Niemand sollte darauf vertrauen, dass es immer so friedlich bleibt und sich daher mehr ins politische Geschehen einbringen, um dafür sorgt, dass es auch weiterhin friedlich bleibt.

Wachsam insbesondere dahingehend, wem man bei politischen Wahlen seine Stimme schenkt…

Genau, denn nachher heißt es wieder „es hat keiner kommen sehen“. Nee, im Gegenteil, man hat es ganz klar kommen sehen. Man fragte sich immer, wie das alles damals mit Hitler passieren konnte und aktuell kann sich jeder genau ansehen, wie man mit Pressefreiheit in unserem Nachbarland Türkei umgeht. Wie mit Angst ein ganzes Volk mundtot gemacht wird und ein Diktator am Gesetz vorbei delegiert, annektiert und monopolisiert. Und plötzlich bist du an einem Punkt wo du als Bürger selbst entscheiden musst, ob du abhaust oder dableibst und zuschaust, wie der Nachbar erschossen wird und dabei das Maul hältst, weil du sonst der Nächste bist, der danach erschossen wird.

Wir sind eine Generation, die den Kriegszustand zum Glück nicht miterleben musst und ich möchte es auch weder selbst erleben, noch dafür verantwortlich sein, dass mein Sohn es miterleben muss. Dementsprechend sind wir jetzt in der Verantwortung, sich dieser Sache bewusst zu sein, da wir die alten Geschichten kennen, die jeder nachlesen kann und weiß was passiert ist.

Das grundlegende Gerüst der Demokratie und Freiheit, die wir hier in Deutschland haben, darf nicht in die falschen Hände gelangen. Innerhalb eines Jahres können Parteien, wie die AFD oder wer auch immer alles niederreißen. Wenn die Panzer auf einmal hier in der Stadt stehen, ähnlich wie bei Herrn Erdogan in der Türkei, dann will ich mal sehen, wer eine Kette macht und sich dagegen stellt. Als Musiker verpacke ich diesen Fingerzeig nicht zu allzu politisch und appelliere an die Hörer, die hoffentlich wissen, was damit gemeint ist. Somit ist „Das verheißene Glück“ ein sehr politischer Song.

Vom verheißenen Glück zum privaten Glück. Mit dem Song „Weil ich dich mag“ widmest du erstmalig auf Wirtz-typische Art deinem Stammeshalter. Ein Kind verändert alles, sagt man. Was waren die größten Veränderungen für dich?

Grundlegende Veränderung ist, dass es einfach nicht mehr nur um dich geht! Jeder hat in seinem Leben eine Anzahl an Dingen, die einem wichtig erscheinen und die in der persönlichen Prio-Liste auftauchen und danach kommt der Rest. Alles was bis dato auf 1, 2 oder 3, rutscht mit einem Mal auf 3, 4 und 5. Und ganz weit vorne steht plötzlich das Kind, in meinem Fall der Junge, sowie das Konstrukt der Familie Drumherum.

Ein Kind relativiert sehr viel und ich bin sehr dankbar dafür, da es mir Gelassenheit gibt. Situationen bei denen ich früher glaubte, sie würden mein Weltbild zerrütten, bewerte ich heute vollkommen anders, weil es wichtigeres gibt. Damals hat man sich selbst unter Druck gesetzt und wollte unbedingt ein Tor schießen und heute denkst du, es geht nicht mehr ums Tore schießen. Das große und Ganze ist viel wichtiger. Wenn mein Sohn ein Tor schießt ist es geil und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Das gibt mir viel mehr Ruhe im inneren, obwohl natürlich alles andere viel hektischer und unruhiger wird. Das hat ein Kind in mir ausgelöst. Du kannst nicht immer weiter in deine Richtung hacken und denken „nach mir die Sintflut“, denn mit Kind musst du die Prioritäten anders setzen und abarbeiten. Statt Einsitzer, fährst du in einem Drei-Sitzer.

Weil ich dich mag“ geht im Stile von Black Sabbath mächtig rockig ins Ohr und immer wenn der kleiner Racker mal wieder randaliert und die Wände hoch geht, besinne ich mich auf diesen Song. Meine Frau hat bei diesem Song auf jeden Fall etwas anderes erwartet…

Eine interessante Erfahrung ist, dass ein Kerl wie ich mit fettem Tattoo am Hals, selbst in einer Stadt, wie Frankfurt schief angesehen wird, wenn er mitten im Bahnhofsviertel in einem Supermarkt nach Baby-Artikeln schaut.

Übrigens wird es im Merchandise Programm für die Wirtz-Tour auch Babystrampler im Angebot geben. In Frankfurt kriegst du ja schon von der Eintracht einen Strampler in die Wiege gelegt, wenn du ein Kind kriegst und daher ist das auch absolut nichts unmännliches. Denn mit dem Spruch „Weil ich dich mag“ hinten drauf ist das auch etwas, was man selbst dem Schreikind des bestes Kumpels zu Weihnachten unter den Baum legen kann.

Welche Werte vermittelst du deinem Sohn und würdest du dich bei der Erziehung eher als gechillt, streng oder gar als Spießer bezeichnen?

Grundlegende Sachen, die Gesetz sein sollten: Die Mutter wird nicht geschlagen und es wird grundsätzlich nicht geschlagen. In solchen Situationen erkläre ich meinem Sohn , dass man nicht zurück schlägt und warum man das nicht tut, da bin ich rigoros. Es gibt Punkte, die zur Erziehung dazugehören und gerade hier versuchen die Kleinen immer wieder die Grenzen zu verrücken. Kinder haben ein enormes Talent und die Geduld Grenzen auszutesten. Da muss man den Pflock von Anfang an einmal reinhacken, um Grenzen zu setzen. Das ist wichtig für Kinder und war auch wichtig für mich, um Handlungsspielräume und Freiräume zu erkennen, aber auch den Schritt zu weit erkennen zu können, wie auch immer man ihn für sich selbst definiert.

Mein Kleiner hat das Lügen gerade für sich entdeckt. Das ist eine sehr interessante Phase und konfrontiert dich urplötzlich mit der dunklen Seite eines geliebten Menschen. Es sind ganz banale Lügen, wie die Goldfische im Teich mit einem Eimer Dreck zu bewerfen und die Tat auf den besten Freund zu schieben, während man selbst mit schmutzigen Händen daneben steht und auf frischer Tat überführt wurde. Also, wenn schon gelogen wird, dann soll er es schon bisschen geiler machen und nicht so offensichtlich. Natürlich ist er dafür nicht bestraft worden, aber ich frage mich dabei, wo das herkommt und wie aus dem Nichts heraus die Lüge wegen einer vollkommen banalen Sache ins Leben tritt. Für mich als Hobbypsychologen, der über das Leben schreibt, ist das eine unfassbare Erkenntnis und sind hochinteressante Verhaltensmuster, die in der Struktur der Gene tief verankert sein müssen.

Welche Eigenschaften würdest du dir wünschen, dass Sie dein Nachwuchs von Dir übernimmt?

Er soll tun und lassen was er will und sich frei entwickeln. Ich versuche ihn nicht jeden Tag mit der Gitarre zu nötigen mit der Hoffnung, dass er eines Tages Rockmusiker wird. Er hat einen starken Geist und super Charakter. Am Ende wird er einfach seinen Weg machen und schauen, wohin die Reise geht. Klar, es gibt die Momente, bei denen man als Vater eine harte Kante zeigen muss, selbst in äußerst komischen Situationen, bei denen man versucht ernst zu bleiben. Da komme ich mir selbst vor, wie ein Spießer-Vater, aber es ist wichtig, dass man nicht zu sehr die Zügel aus der Hand gibt. Ansonsten laufen lassen. Einfach laufen lassen. *lacht*

Um ein dunkles Thema geht es im Song „Gib dich nicht auf“ zu dem du auch ein Video in Deiner Heimatstadt Frankfurt abgedreht hast. Inhaltlich geht es um Selbstaufgabe. Wie aktuell ist das Thema für dich?

Eine Situation, die ich absolut aus meinem Leben kenne und an dieser Klippe ich mich selbst das ein oder andere Mal befunden habe. Der Song ist in diesem Moment aber nicht autobiographisch aus meinen Herzen heraus geschrieben, sondern abgeschrieben aus der Seele eines enorm engen Menschen an meiner Seite, bei dem ich das gesehen habe.

Mit dem Feingefühl zu wissen, wie sich solch eine Situation anfühlt, bei der man verzweifelt ist, habe ich den Text geschrieben. Es geht hierbei nicht um Recht oder Unrecht, sondern um die große Geste des Handreichens und das man einander nicht über die Klippe gehen lässt. Das Gefühl und die Hilflosigkeit, die man in diesem Moment verspürst, ist in diesem Song beschrieben.

„Bitte finde den einen Grund dagegen“ heißt es im Text…

Bei jedem Menschen finden sich im Umfeld sicherlich ähnliche Fälle und es ist wichtig den Grund dagegen zu finden, um die Tür nicht für immer zuzuschlagen.

Der Song „Bilder von damals“ fällt nach meinem Empfinden textlich aus der gewohnten Chema. „Klauen war cool, Pullunder war schwul“ klingt eher nach Bushido als Wirtz. Kläre mich auf, welche Intension hattest du beim Schreiben des Songs.

Es geht darum, dass je älter man wird im Leben, die Sichtweise komplexer wird. Die Leichtigkeit, die man als junger Mensch hatte, geht verloren. Wenn man sich an die eigene Kindheit zurück erinnert, dann endete die „Scheibe“ am Ortsausgang. Das kann aus heutiger Sicht ein Segen sein, da man damals nicht das große politische gesehen hat und es auch nicht nötig war. Als Kind musst du dich mit der Zukunft deines Sohnes auseinandersetzen oder hast irgendwelche Pflichten und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Sommer war heiß und Winter war weiß“ heißt es im Text. Ein einfaches Leben in einer sehr begrenzten Gehirnwelt. Von dem, was man von der Welt bis dato wusste, führt zu einer gewissen Leichtigkeit, die nicht verloren gehen darf. Entscheidungen, die man damals aus dem Bauch getroffen hat, waren knallhart und ehrlich ohne Berechnung, während man als Erwachsener zu schnell verkopft denkt. Das ist mein Appell, sich die Leichtigkeit der Kindheit beizubehalten, denn die besten Entscheidungen sind oft die man trifft, wenn man wie ein Kind entscheidet.

Das Album ist genau wie alle Alben zuvor in Zusammenarbeit mit deinem Partner Matthias Hofmann entstanden. Wenn man zwischen den Zeilen im Text liest, versteht man erst was für einen Ritt ihr hinter euch habt. Wie empfindest du das heute nach 10 Jahren.

Der Song erzählt unsere Geschichte. So hat es damals mit uns beiden angefangen. Mit der Textzeile „Unser Klangmodell passte nicht in die Kanäle“sind die Kanäle Fernseh, Radio und Co. gemeint. Wir wissen das Band, das uns verbindet, sehr zu schätzen und ebenso die Verbindung mit jedem anderen da draußen, der unsere Musik teilt, hört, liebt und dem das was bedeutet. Das ist ein starkes Ding und 10 Jahre sind ein Vertrauensbeweis und eine Verantwortung, die wir gegenüber uns selbst haben und eine Liebeserklärung an jede einzelne Person, die auf unsere Konzerte kommt und uns unterstützt.

Herzlichen Dank für das Interview. Möchtest du Deinen Hörern noch was mitteilen?

Ich grüße alle ganz lieb und freue mich darauf euch demnächst auf meiner Tour zu sehen. Seid gespannt, die Veröffentlichung des Albums werden wir am 17.11. in Frankfurt gemeinsam feiern.

 

Interview von Marcus Liprecht am 17.10.2017

Jetzt lesen: Hier geht’s zu unserem Wirtz Album Review

 

„Die fünfte Dimension“: Ab dem 17.11. im Handel!

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Album Cover Daniel WIRTZ - DIE FÜNFTE DIMENSION 2017
Album Cover Daniel WIRTZ – DIE FÜNFTE DIMENSION 2017

WIRTZ – Die fünfte Dimension Tour 2018 – Tickets

Mit neuen Songs und etablierten Hits begibt sich Wirtz Mitte April 2018 wieder auf Tour und wird seinen Fans unmittelbare, schweißtreibende und ehrliche Rockshows liefern.

13.04.18 Münster, Jovel – Tickets
15.04.18 Bremen, Aladin – Tickets
17.04.18 Hamburg, Große Freiheit – Tickets
20.04.18 Leipzig, Haus Auensee – Tickets
21.04.18 Ulm, Roxy – Tickets
22.04.18 München, Muffathalle – Tickets
24.04.18 A-Wien, Ottakringer Brauerei – Tickets
25.04.18 Dresden, Alter Schlachthof – Tickets
26.04.18 Berlin, Columbiahalle – Tickets
28.04.18 Erfurt, Stadtgarten – Tickets
29.04.18 Dortmund, FZW – Tickets
30.04.18 Freiburg, Musikklub – Tickets
02.05.18 Stuttgart, Im Wizemann – Tickets
03.05.18 Saarbrücken, Garage – Tickets
04.05.18 Köln, Palladium – Tickets
06.05.18 Hannover, Capitol – Tickets
07.05.18 Wiesbaden, Schlachthof – Tickets
08.05.18 Frankfurt, Batschkapp – Tickets

Tickets gibt es hier bei Eventim.de

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Pressure Magazine
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