Rammstein beim Wacken Open Air Photo by Jonas Rogowski, CC BY-SA 3.0
Rammstein beim Wacken Open Air Photo by Jonas Rogowski, CC BY-SA 3.0

Richard Kruspe kennt man als Leadgitarristen von Rammstein. Dass er seit mehr als zehn Jahren auch ein eigenes Projekt namens Emigrate am Start hat, weiß nicht jeder. Der Name Emigrate (übersetzt: auswandern) ist Programm, schließlich lebte Kruspe elf Jahre lang in New York. Seit 2011 ist er wieder zurück in Berlin. Seine Ex-Freundin, die Musikerin Margaux Bossieux, ist auf dem dritten Album von Emigrate „A Million Degrees“  auch zu Gast.

Wiedervereint mit Till Lindemann

Nach dem Debütalbum „Emigrate“ aus 2007 und dem Nachfolger „Silent so long“ aus 2014 folgt nun der dritte Streich von Richard Kruspe alias Emigrate. Interessant ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung, schließlich steht in wenigen Monaten das nächste Rammstein-Album auf dem Programm. Dieses wird, nach einer Pause von mehr als neun Jahren, im April 2019 erscheinen. Als wäre das noch nicht genug Spannungsaufbau, hat Kruspe diesmal auch seinen Bandkollegen, Sänger Till Lindemann, für einen Song als Gaststar eingeladen. Der wiederum hat vor wenigen Tagen völlig überraschend mit seinem Nebenprojekt „Lindemann“ einen höchst kontroversen Song namens „Mathematik“ ausgerechnet mit dem Rapper Haftbefehl herausgebracht. Die Weichen für ein erfolgreiches Jahr im Hause „Rammstein“ sind also gestellt.

A Million Degrees im Detail

Entgegen der immer wieder vorgebrachten Kritik Emigrate sei zu poppig, eröffnet das Album mit einem düsteren, schweren Track, namens „War“. Die Single „1,2,3,4“ erinnert ein wenig an Billy Talent, das liegt nicht nur am Gastsänger Benjamin Kowalewicz. Der Titelsong ist ein gutes Beispiel dafür, wie Richard Kruspe sich mit Emigrate musikalisch verwirklichen kann. „Lead on you“ setzt verstärkt auf Power-Pop, das liegt auch an Sängerin Margaux Bossieux. „You are so beautiful“ übertreibt es dann ein wenig mit dem Pop-Appeal, da werden Erinnerungen an Songs von Coldplay oder U2 wach, die nicht zu deren Besten gehören. „Let‘s go“ ist einer der Höhepunkte der Platte. Der Song mit Till Lindemann von Rammstein am Mikro ist harmonisch und kommerziell im besten Sinne. „I’m Not Afraid” mit Cardinal Copia von Ghost zieht prächtig dahin und macht Spaß. „Spitfire“ und „Eyes fade away“ runden ein Album ab, das sich nicht für seinen Pop-Appeal schämen muss.

Liveshows sind der neue Umsatzbringer

Mit dem Siegeszug der Smartphones ist Musik zwar endgültig mobil geworden, doch die technologische Entwicklung hat die Industrie gleichzeitig vor große Herausforderungen gestellt. Mit dem Aufkommen der Downloads ist ein neues Zeitalter in der Unterhaltungsbranche angebrochen. Filme und TV-Serien werden gestreamt, E-Books werden heruntergeladen und Tischspiele werden interaktiv. Heute bieten Musik-Streaming-Dienste wie Spotify ein gewaltiges Archiv aus Millionen Songs und Alben zum Durchhören an. Das klassische Album-Format, auf das auch Emigrate setzen, verliert immer mehr an Bedeutung, denn so gut wie alle Songs sind jederzeit für jedermann verfügbar. Auch das neue Album „A Million Degrees“ von Emigrate ist auf allen bekannten Download-Diensten wie iTunes, Google Play Store und Amazon Music schon verfügbar und zu kaufen.

Ein Einbruch der Verkaufszahlen schmerzt Stars wie Richard Kruspe nicht wirklich. Große Bands wie Rammstein holen Umsatzeinbußen bei CDs und Downloads mit ihren Megatourneen wieder herein. Nicht umsonst sind die Ticketpreise in den letzten Jahren förmlich explodiert. Gleichzeitig gehen immer mehr Fans zu den Konzerten und schaffen so einen gewissen Ausgleich für die entgangenen Einnahmen aus Musikverkäufen. Emigrate ist für Richard Kruspe ein Herzensprojekt, Geld steht dabei im Hintergrund, die Butter aufs Brot kommt von seiner Hauptband.

Feuer frei

Auf Tour möchte Richard Kruspe mit seinem Projekt Emigrate derzeit nicht gehen. In Interviews verweist er gerne darauf, dass Rammstein eine grandios funktionierende Live-Band sind. Emigrate wiederum bietet ihm ein perfektes musikalisches Umfeld für Ideen, die er mit Rammstein nicht verwirklichen könne. Diese für ihn wunderbar funktionierende Balance wolle er nicht gefährden.

Seine Hauptband Rammstein hingegen steht vor der größten Tour ihrer Geschichte. 2019 geht die Band erstmals auf eine Stadion-Tournee. Der Plan erschien vor dem Start des Ticketvorverkaufs durchaus ambitioniert, doch die Verkäufe übertrafen alle Erwartungen bei Weitem. Die mehr als 800.000 Tickets der Europatournee gingen gleichzeitig in den Verkauf und ließen die Server der Tickethändler zusammenbrechen. Zusatzkonzerte mussten kurzfristig eingeschoben werden. Dennoch war die Tournee sofort vollständig ausverkauft.

Rammstein beim Wacken Open Air Photo by Jonas Rogowski, CC BY-SA 3.0

Photo by Jonas Rogowski, CC BY-SA 3.0

Abstand tut gut

Ob mit seiner Zweitband Emigrate oder seiner Hauptband, Richard Kruspe hat sich jede Menge Anerkennung in der Musikszene erarbeitet. Das bewies er bereits mit dem letzten Emigrate-Album „Silent so long“, bei dem sich die Gast-Stars förmlich auf die Füße traten. Neben dem leider bereits verstorbenen Lemmy Kilmister von Motörhead, waren da noch Peaches, Marilyn Manson und Jonathan Davis von Korn mit dabei. Auch diesmal nutzt der Gitarrist die Gelegenheit, seine musikalischen Vorlieben voll auszuleben, wie er in einem Interview mit HNA erzählte, und hat sich unter anderem Benjamin Kowalewicz, den Sänger von Billy Talent ins Studio geholt.

Mit Emigrate hat sich Kruspe den perfekten Ausgleich zum Superstar-Dasein als Rammstein Gitarrist erschaffen. Gab es vor Jahren immer wieder Gerüchte über Streitigkeiten bei Rammstein, so sind diese mittlerweile verstummt. In seiner Zweitband kann sich der Musiker nach Herzenslust austoben und Ideen verwirklichen, die sonst in der Schublade landen würden. Seine Bandkollegen begrüßen den musikalischen Seitensprung immer wieder ausdrücklich in Interviews. 2019 geht es dann wieder gemeinsam daran, die Musikwelt neu zu erobern.

Title: Emigrate und ihr neues Album „A Million Degrees“

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