Der Mythos von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“: Hat er den Musikern geholfen oder ihre Karrieren zerstört? Eine kritische Betrachtung des Rock’n’Roll-Lifestyles.

Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ – dieser Slogan ist so ikonisch wie der Rock’n’Roll selbst. Er steht für das rebellische Leben der Musiker, die sich an keine Regeln halten und ein Leben voller Exzesse führen. Doch die Frage ist: Hat dieser Lebensstil tatsächlich dazu beigetragen, die Musik zu formen, die in die Geschichte einging, oder hat er den Künstlern – und der Musikindustrie insgesamt – eher geschadet?

Der Ursprung des Mythos

Der Ausdruck selbst wurde zwar schon in den 1960er Jahren von vielen Rockmusikern gelebt, doch richtig populär wurde er durch Ian Dury und seine Punk-Hymne von 1977. Doch schon vorher waren Rockstars dafür bekannt, ihre Berühmtheit mit einer Lebensweise voller Drogen, Sex und wilden Partys zu verbinden. Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison – ihre tragischen, oft selbstzerstörerischen Schicksale schienen beinahe Teil des Rock-Mythos zu sein. Doch die Frage, ob dieser Lebensstil der Musik zuträglich war, ist komplex.

Kreativer Überfluss oder Selbstzerstörung?

Es lässt sich nicht leugnen, dass viele der größten Rock-Alben und -Klassiker in Zeiten entstanden, in denen ihre Schöpfer im vollen Drogenrausch steckten. Die psychedelischen Klänge von Pink Floyd oder das chaotische, grenzenlose Gefühl eines Jimi Hendrix auf der Gitarre wurden oft durch Drogen inspiriert. Auch die Musik von The Doors, mit ihren mystischen und surrealen Elementen, war tief verwurzelt in der experimentellen Drogenerfahrung von Jim Morrison.

Die Exzesse dienten nicht nur als Flucht vor der Realität, sondern auch als eine Art künstlerische Freiheit, die es den Musikern ermöglichte, kreative Grenzen zu überschreiten und unkonventionelle Wege zu gehen. Die Verklärung des Rockstars als „ausgebranntes Genie“ – ein Künstler, der nur in seinem exzessiven Leben und Leiden wahre Musik erschaffen kann – hat sich tief in der Kultur der Rockmusik eingeprägt.

Doch diese exzessive Lebensweise hat auch ihren Preis. Die tragischen Tode von Ikonen wie Kurt Cobain, Chris Witchunter, John Bonham, Amy Winehouse, Keith Moon, Sid Vicious, Chester Bennington, Layne Staley, Chris Cornell, die Abhängigkeiten von Axl Rose, John Frusciante, James Hetfield,  Keith Richards, Ozzy Osbourne oder die entgleisten Karrieren von Shifty Shellshock, Whitney Houston, Aaron Carter, Syd Barrett und vielen anderen zeigen, dass Drogen und andere Exzesse nicht nur musikalische Höhenflüge, sondern auch steile Abstürze mit sich brachten und bringen. 

Letztlich haben viele dieser Musiker ihre größten Werke in einem Zustand geschaffen, der ihre eigene Existenz bedrohte – und viele haben diesen Preis auch gezahlt.

Hat der Mythos der Musik wirklich geholfen?

Der Mythos „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ war nicht nur ein Verkaufsargument, sondern eine Bühne, auf der Rockstars zu übermenschlichen Ikonen stilisiert wurden. Sie verkörperten ein Leben voller Exzesse, fernab von den Normen und Zwängen der Gesellschaft. Doch hinter der schillernden Fassade lauerte oft eine düstere Realität. Die unnahbare, wilde und unberechenbare Rockstar-Persona, die von Fans und Medien gleichermaßen gefeiert wurde, war selten ohne hohen Preis zu haben. Für viele Musiker wurde das Image zur Bürde, das Chaos zum Alltag und die Sucht zur Falle. Die Legende machte sie zu Göttern, aber oft nur, um sie am Ende tragisch stürzen und fallen zu sehen. Der Markt verlangte Eskapaden, doch der Mensch dahinter verblasste – bis von ihm oft nicht mehr blieb als eine tragische Fußnote in der Geschichte des Rock’n’Roll.

Schaden oder Kunst?

Es gibt zweifellos Fälle, in denen Drogen und der „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“-Lebensstil den Künstlern halfen, kreative Blockaden zu überwinden und neue musikalische Dimensionen zu erforschen. Doch die langfristigen Folgen waren und sind oft katastrophal. Drogenmissbrauch und die damit einhergehende Selbstzerstörung führten nicht nur zu frühen Todesfällen und gesundheitlichen Problemen, sondern auch zu kreativen Blockaden und der Zerstörung von Banddynamiken. Ein Beispiel sind The Beatles, deren zunehmende Spannungen und der Drogenmissbrauch, insbesondere bei John Lennon und George Harrison, das Ende der Band beschleunigten. Die einst harmonische Zusammenarbeit geriet ins Wanken, als jeder der Mitglieder sich zunehmend in verschiedene kreative Richtungen bewegte und die externen Einflüsse wie Drogenkonsum die ohnehin schon vorhandenen Spannungen weiter anheizten.

The Rolling Stones erlebten ebenfalls einen dramatischen Zerfall ihrer Dynamik in den 1970er Jahren, als Mick Jagger und Keith Richards in den Strudel von Drogen und persönlichen Konflikten gerieten. Die Spannungen zwischen den beiden führten zu immer häufigeren Auseinandersetzungen, was die Band in kreative Blockaden stürzte. 

The Who erlebten einen ähnlichen Verfall, als die Bandmitglieder – vor allem der Schlagzeuger Keith Moon und der Bassist John Entwistle – mit Drogen und Alkohol kämpften. 

Die moderne Perspektive: Ist der Mythos passé?

Heute sind viele der alten Rock-Mythen in die Schlagzeilen geraten – weniger aufgrund von künstlerischer Freiheit, sondern als Mahnzeichen für die Gefahren, die ein exzessiver Lebensstil mit sich bringen kann. Musiker wie Dave Grohl oder die Mitglieder von Metallica, die einst in den 1980er Jahren zu den größten Vertretern des Rock-Lifestyles gehörten, haben es geschafft, gesunde Karrieren aufzubauen, während sie den wilden Exzess hinter sich ließen. In der heutigen Zeit wird der Mythos von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ zunehmend in Frage gestellt. Der Fokus hat sich verschoben: Die Künstler von heute sprechen offen über mentale Gesundheit, Sucht und den Preis des Ruhms. Der Rock’n’Roll-Lifestyle als Selbstzerstörungsweg wird immer weniger glorifiziert – und das ist gut so.

Die großen Helden der Vergangenheit sind jetzt zwar Legenden, aber keine, die wirklich neidisch machen. Denn was hat der „Rock’n’Roll-Lifestyle“ wirklich gebracht? Gesundheitliche Probleme, zerbrochene Banddynamiken und ein viel zu früher Eintritt in den Club der Ikonen, wo der Eintrittspreis jedoch der frühe Tod war. Und ja, während sie in die Ewigkeit eingehen, können sie die „großen“ Erfolge nicht mehr genießen – schließlich ist man tot, wenn der Ruhm anklopft.

Im Gegensatz dazu scheinen die heutigen Rockstars, die ohne die ganzen Exzesse auskommen, die wahren Überlebenskünstler zu sein. Sie machen Musik, ohne den üblichen Kater vom letzten „legendären“ Abend, und sehen trotzdem aus, als könnten sie noch ein paar Jahre auf Tour gehen, ohne sich von einem Herzinfarkt oder einem schlechten Trip verabschieden zu müssen. Und das Beste an ihnen ist, sie leben noch und können das, was sie sich aufgebaut haben, noch genießen. 

Welcher verstorbene Musiker hat für euch die tiefste Lücke hinterlassen, dessen Verlust ihr noch immer spürt?

Text von Mia Lada-Klein

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Der nächste Kolumnenbeitrag erscheint am 2. Januar 2025

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