al black cats

Cobra, Al & The Black Cats und The Exploited, das ist Oi!-Punk aus Japan, Rock’n’Roll aus den USA und Punk aus England.

Das alles gab es an nur einem Abend im Berliner SO36 zu sehen. Diana Ringelsiep war für Pressure Magazine vor Ort, ging erwartungsvoll hin und kam überwältigt nach Hause…

Ich fühle mich wie eine 90-jährige Rheumapatientin mit Hexenschuss, die eben in der Dusche ausgerutscht ist und sich dabei beide Knöchel gebrochen hat. Klatschnass sitze ich da, alles tut weh und ich bekomme kaum Luft. Das Komische daran: Es fühlt sich verdammt gut an!

Um das verstehen zu können, muss ich etwas früher am Abend in die Erzählung einsteigen…

Ein lauer Frühlingsabend in Berlin Kreuzberg. Ich sitze mit einem Kumpel gegenüber vom SO36 und wir freuen uns auf den bevorstehenden Abend mit Cobra, Al & The Black Cats und The Exploited! Als es auf der Straße plötzlich schlagartig leer wird, ist es auch für uns an der Zeit rein zu gehen. Der Saal ist gut gefüllt und die Jungs von Cobra aus Japan haben bereits angefangen. Wie Flummis springen sie kreuz & quer über die Bühne. Laut und gut gelaunt hauen sie einen Kracher nach dem anderen heraus. Kaum zu glauben, dass es Cobra schon seit 1982 geben soll. Also arbeiten wir uns in die ersten Reihen vor, um uns das Ganze einmal genauer anzuschauen. Vorne angekommen, lassen wir uns augenblicklich von der tanzenden Menge mitreißen. Neben alten Oi!-Klassikern der Band spielen sie auch Songs vom neuen Album „Hello! This is Cobra!, die mindestens genauso gut beim Publikum ankommen. „Alter, wie können die so ’ne Band nur direkt am Anfang verbraten?!“, fragt eine atemlose Stimme hinter mir. „Das frag’ ich mich auch…“, denke ich.

Nach kurzer Umbauphase kommt dann die Band, auf die ich mich am meisten gefreut habe: Al & The Black Cats! Die Jungs aus Michigan haben sich  bei gemeinsamen Auftritten mit Punkrockgrößen wie GBH, The Adicts und The Bones bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erspielt. Doch meine Begleitung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich überzeugt: „Na Cobra müssen die erstmal toppen…!“, grummelt er skeptisch. Doch da mache ich mir keine Sorgen. Mit dem was dann kommt, habe allerdings auch ich nicht gerechnet. Tony, Hugh und Arno stürmen auf die Bühne und geben vom ersten Song an so dermaßen Vollgas, dass der komplette Saal plötzlich seine Leidenschaft für den guten, alten Rock’n’Roll zu entdecken scheint. Auch wenn viele von ihnen wahrscheinlich nur für Exploited gekommen sind. Es wird geschwoft, getwistet und gerockt. Keine Chance, aus der Nummer noch mit einem trockenen T-Shirt raus zu kommen. Bei Liedern wie Runnin’dry und Oh my God ist komplettes Durchdrehen angesagt und zwar nicht nur im Publikum.

Immer wieder springt Sänger Tony von der Bassdrum auf den unteren Teil der Bühne und doch ist es nicht er, der im Mittelpunkt steht, denn eine Show wie Hugh sie mit dem Kontrabrass hinlegt, hat wohl noch niemand gesehen. Immer wieder springt er auf den Kontrabass, auf dem er dann in gebückter Haltung balanciert und dabei wie besessen mit den getapeten Fingern in die Saiten haut. Steht er nicht drauf, schleudert er das riesige Instrument über seinem Kopf herum. Man kann die Augen einfach nicht von ihm lassen. Schon nach der ersten Viertelstunde tropft der Schweiß von der Decke der Halle, doch das interessiert zu dem Zeitpunkt schon niemanden mehr.

Wir alle rocken uns um den Verstand und trauen unseren Augen kaum, als Hugh dem Publikum wild gestikulierend zu verstehen gibt, etwas zur Seite zu gehen, woraufhin er samt Kontrabass von der Bühne springt und in unseren Reihen ein Solo hinlegt, dass mir vor Euphorie die Gänsehaut den Rücken hinunter und beinahe Tränen in die Augen treibt! Auch die Songs vom neuen Album Through Thick ’n Thin sorgen für große Begeisterung und so verliere ich irgendwann total das Zeitgefühl. Als ich schon nicht mehr weiß, ob ich mich erst seit 20 Minuten oder 1,5 Stunden auf einem der besten Konzerte meines Lebens befinde, neigt sich die Show dem Höhepunkt. Tony stimmt Stand By Me an und das komplette SO36-Publikum grölt aus Leibeskräften mit. Als die schwarzen Katzen sich kurz darauf verabschieden, liege ich meinem Kumpel in den Armen und schreie ihm immer wieder so etwas wie: „Ach du scheiße war das geil!! Der absolute Hammer!!“, ins Ohr. Er gibt mir Recht, seine anfängliche Skepsis ist vergessen.

Schon jetzt war es der geilste Abend seit langer Zeit und ich könnte einfach so überglücklich nach Hause gehen, ohne auch nur den eigentlichen Haupt-Act gesehen zu haben. Doch den will ich mir dann natürlich doch nicht entgehen lassen. Etwas angeschlagen von den beiden vorangegangenen Konzerten positionieren wir uns weise-vorausschauend etwas weiter am Rand und halten uns das kühle Bier an die überhitzten Köpfe. Um uns herum wird es immer enger, die Luft ist feucht und heiß, Barmy Army Gesänge ertönen aus allen Ecken der Halle. Dann zerreißen die ersten Riffs die kurze Pause und Exploited kommen heraus. Sofort springen alle wie wild durcheinander, das Mädchen neben mir erklärt ihren Freund für verrückt und verabschiedet sich in die hinteren Reihen. Ich dagegen verabschiede mich von meinem Becher und stürze mich in die Menge.

Wattie Buchan haut einen Hit nach dem anderen raus. Von Fuck the System bis Dead Cities ist einfach alles dabei. Plötzlich bin ich wieder 14 und poge wie seit Jahren nicht mehr! Zwischendurch merke ich, dass der ein oder andere Seitenhieb wahrscheinlich nicht spur- bzw. farblos an mir vorbeigehen wird, doch das ist es wert. Erst als mir nach einer guten Stunde zum zweiten Mal jemand mit Springerstiefeln auf meinen (lediglich in Chucks steckenden) Knöchel springt, muss ich einsehen, dass es wohl doch besser ist, mich nach hinten zu verziehen. Mit Klassikern wie Sex & Violence und Punks not Dead treibt die Band die Stimmung auf den Höhepunkt.

Als die Töne des letzten Songs ausklingen, lasse ich mich erschöpft auf eine Bank in Ausgangnähe sinken. Meine Begleitung ist weg. Ich bin schweißnass. Alles tut weh. Doch ich grinse bis über beide Ohren, denn dieser Abend war so verdammt gut!

Eventbericht von Diana Ringelsiep für Pressure Magazine

Fotos: Patrick Schirmer Sastre

 

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