Montag, März 18, 2024

Broilers – (sic!) – Album Review

Verfickt noch eins, say hello to my little friend: SIC! Das siebte Studioalbum der Düsseldorfer BROILERS ist politisch, bitter und auf den Punkt gegart.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht der Veröffentlichung einer neuen Broilers Scheibe schon vor Monaten und ganz klar hängen insbesondere bei den Jungs aus D-Town die Erwartungen Scheiß’ hoch. Vor allem, wenn man den Werdegang seit nahezu Anbeginn verfolgt hat. So auch im Falle [sic!] (sic erat scriptum – so steht es geschrieben) aus dem Hause der Düsseldorfer Oi-Punks Broilers. „(sic!)“ erscheint als erstes neues Studioalbum auf dem bandeigenen Label „Skull & Palms Recordings“.

Den musikalischen Vorboten machte vor wenigen Wochen erst der Song „Keine Hymnen heute“. Ein sehr gelungener Radio-kompatibler Song, der richtig toll ins Ohr geht und sich auf Anhieb als Ohrwurm festbeißt. Der Inhalt handelt von der Machtergreifung der Nazis, den Verboten von Kunst, Büchern und entarteter Musik, reflektiert und kritisch seziert nach Broilers-Art mit entsprechend markigen Texten „Schlechte Menschen haben keine Musik. Schlechte Zeiten brauchen keinen Beat.“ Äußerst Zeitgemäß und sicherlich auch live ein absoluter Kracher, der zum Nachdenken anregen dürfte. Gerade jetzt ist Stellungbeziehen umso wichtiger und umso verwunderlicher ist es, dass gerade jetzt über soziale Netzwerke & Co. gegen die Punkrocker von Seiten Faschos und Internet-Spackos mobil gemacht wird, die in ihnen „das Sprachrohr der Antifa“ sehen. Dabei sind die Zeilen, die hier geschrieben wurden, vielmehr von gesundem Menschenverstand geprägt… sofern man klar bei Verstand ist. So positionierte sich die Band auch schon im Song „697788“ aus dem Album „Verlierer sehen anders aus“ ganz klar gegen rechte Ressentiments.

Stellt man die frühen Werke, wie das 1997 erschienene Album „Fackeln im Sturm“ und „Verlierer sehen anders“ aus 2001 den Werken ab „Santa Muerte“ gegenüber könnte man wahrlich glauben, dass es sich um verschiedene Bands handele. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich unglaublich viele Dinge ereignet und die Stilrichtung der Band geprägt. Da gehen die „Szenepolizisten“ schon mal gerne auf die Barrikaden.

Das Geschrei von „Kommerz“ oder „Ausverkauf“ gab’s auch schon früher vor den Alben ab den 2000er in den Gästebüchern der Broilers zu lesen. Alles nix neues und immer präsent. Oder wie MONTREAL in ihrem Song „Solang die Fahne weht“ (zum YouTube Video) schon sangen: „Underground is always better. Wer ne ´unbekannte Band hört, muss sie hassen wenn sie Trend wird“. Die Antwort darauf gab Sammy Amara im Gespräch mit Pressure Magazine einst selbst: „Wenn es den Leuten nicht gefällt, dann tut es mir leid, aber dann müssen diese Leute nun leider aussteigen und können nicht weiterfahren. Fakt ist, wir gehen den Weg so weiter, denn das ist unser Ding und wir haben uns bewusst dazu entschlossen.“

So geht es musikalisch auch mit (sic!) weiterhin volle Kraft voraus und höchst professionell zur Sache. Die Platte klingt derbe gut ohne überproduziert zu wirken. Und das, obwohl der Tote-Hosen-Musikproduzent Vincent Sorg mit den renommierten Principal Studios der Band seit „Santa Muerte“ (2011) eine musikalische Botox-Kur verabreichte, um die Ecken und Kanten der Band glattzubügeln. Trotz der Hit-Maschinerie verleugnen Broilers ihre Wurzeln dennoch nicht, so bleibt auch auf (sic!) die Basis der Songs damals wie heute PUNK! mit Ausflügen in die Genre des Ska, Reggae-Sound und dem Spirit von ´69. Die alten Skinheadsongs sind ein Teil der Broilers und gehören genauso dazu wie der ungewöhnliche Name, den sie nicht geändert haben, und auch nie ändern werden.

BROILERS – (sic!) streut mit smarten Texten Salz in die Wunden der Zeitgeschichte und ist mit weitem Abstand das politischste Werk der Band.

Broilers 2017 Foto Credit: Robert Eikelpoth

Beziehe Position und mach das Maul auf ist es, was Punk immer war und bis heute ausmacht. Und genauso beschreibt auch Sammy Amara die Kritik an seiner Band „(sic!) zeigt uns, dass wir uns darüber einig sind, wie Punk für uns klingen soll, dass gewisse Dinge thematisiert werden müssen und still am Rand stehen immer die schlechteste Option ist.“

Gleich zu Beginn setzen die Broilers mit dem Lied „Nur ein Land“ ein fettes Statement und erheben den Mittelfinger gegen Patriotismus, Nationalismus und Fremdenhass. Mit breiter Brust und fetter Fresse nimmt die Truppe kein Blatt vor den Mund: „Du regierst mich nicht, Du wirst regiert“. Die Nummer zeigt somit auch gleich wohin die Reise geht. „Das Sommermärchen ist vorbei“ – Kein Raum für Missverständnisse, schwammige Grauzonen oder offene Hintertürchen – Im Gedanken grundsätzlich d’accord, riecht die Nummer jedoch nach Berlin-Mitte Mentalität und grüne Politiker, die sich mit einer verkrampften „Fahne Runter“-Forderungen während einer EM-Saison selbst ins aus geschossen haben.

Mit dem Song „Bitteres Manifest“ ging die Truppe ja bereits im Vorfeld mit einer Singleveröffentlichung mit den Meinungen ihrer Fans auf Tuchfühlung. Ganz klar ist eine Singleauskopplung immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, ist sie doch oft das erste Lebenszeichen einer Band, die sich im Idealfall sowohl inhaltlich als auch musikalisch weiterentwickelt hat. Ein wütendes Pamphlet von einem bitteren Poet mit viel Moll-Harmonien. Musikalisch geht’s mit ordentlich Druck nach vorne. Ungewöhnlich böse für einen Broilers Song.

Der ultimative Stimmungs-Perle ist der Hit „Die beste aller Zeiten“ im typischen Feelgood-Style. In die Textzeilen floß’ sicherlich viel persönliches als in den langen Nächten im Park die Grundsteine für die Broilers-Gang gelegt wurden: Zivildienst und Bundeswehr, ich trug lieber den Müll raus als ein Gewehr und „Von Born Free. Frei und Kinderlos. Von den Dächern der Stadt zu einem Reihenhaus in Hellerhof

„Gangster, Gangster“ ist einer dieser plakativen Titel mit Textzeilen, die an das frühere Mafia-Image der Band erinnert. Der Song versprüht am Anfang einen Hauch von Beatbox und Hip-Hop, wechselt dann aber zum harmonischen Keyboard-Sound mit markigen Halbtonschritten a la The Specials oder Madness im Stile der 2-Tone- und Ska-Welle der frühen 1980er-Jahre.

„Ich möchte wie ein Kind dran glauben, an Partys auf Wolken“ heißt die Textzeile aus „Ihr da oben“ und ist wahrlich eine der großen Überraschungen auf der Scheibe, die sicherlich viele Hörer berührt wird. Einfach unsagbar schön und traurig zugleich. Der Track ist all den jüngst verstorbenen Größen des Showgeschäft gewidmet, lässt sich aber auch nahtlos auf das nähere persönliche Umfeld übertragen. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, welchen namen zuerst? Den, der mir am meisten fehlt oder den, der weniger schmerzt?“ Aufgestellte Nackenhaare sind Programm in diesem großen Emotionskino!

„Wir brauchen keine Worte um uns zu verstehen.“

Blut ist dicker als Wasser und so ist es folgerichtig, dass die Broilers ihren „Die Hards“ ein Paar persönliche Zeilen widmen. Das ist ein Ding zwischen Band und Fans, etwas sehr persönliches, was von Herzen kommt. „Wenn nichts mehr passt, bleibt unsere Gesellschaft!“ Ebenso mit „Ein Teil von mireine weitere Hymne auf die „Sickos“ in der Fan Base ist. Eine etwas schiefe, nicht allzu perfekte Welt, die sich die Düsseldorfer über die vergangenen zwei Jahrzehnte, anfangs in Babyschritten und später dann urplötzlich mit steigendem Erfolg Ruck-Zuck an die Spitze der Rockfestivals gemausert haben. Auch hier gilt: „Wer fragen muss, wird es nicht verstehen“, alle anderen Wissen: Broilers Konzerte sind wie Familientreffen mit Seelenverwandten, ohne die bucklige Verwandtschaft.

„Wie ist es um das Alpenhorn bestellt?“

Mit beschwingtem Sound zu Trompete und Hammond-Orgel gibt’s den nächsten melodischen Kracher gegen fremdenfeindliche Tendenzen im Alltag. Was im Lied „Zu den Wurzeln“ mit behutsamer Stimme besungen wird, ist leider noch immer ein ernstes Thema: „Wie gut er spricht und sich beträgt, hat sich ganz prächtig integriert – verfickt noch eins, ich leb’ doch hier!“ Was hier fröhlich beschwingt in der „Ich“-Form beschrieben wird, ist kein Einzelfall, den sich Sänger Sammy Amara, dessen Vater in den 60er Jahren aus dem Irak nach Deutschland kam, von der Seele singt. Die plakativen Zeilen treffen es im Kern auf den Punkt.

„Diese Welt kotzt mich an. Und ich hab nichts getan.“

Einen weiteren Spiegel vors gesellschaftliche Bild halten die Düsseldorfer Punkrocker mit „Als das alles begann“. Die stets allgegenwärtige AussageDavon haben wir nichts gewusst“ wurde nach 1945 zum häufigsten Satz der Deutschen. Siebzig Jahre danach geht es Deutschland so gut wie lange nicht und doch trüben Schlagzeilen über geistige Brandstifter und wieder aufkeimenden Ewiggestrigen erneut das Tagesgeschehen. „Wir haben’s in der Hand gehabt. Das Wissen der Welt. Wir haben lieber Katzenbilder ins Netz gestellt.“ ist ein megamäßiges Statement, das leider sehr treffend den Zeitgeist und Empathievermögen im gesellschaftlichen Querschnitt beschreibt. „Denn wir wussten, was in diesen Jahren an Scheisse aus den Köpfen kam, und wir haben einfach so getan, als ginge uns das nichts an.“

Die Band mit der „süßesten Bassistin der Welt“ steht in Zwiespalt mit der Genrepolizei. Schon wieder. Aber so ist das, wenn man sich weiterentwickelt und einer Szene entwächst. Fakt ist, die Düsseldorfer haben viel zu erzählen, aus vielen Welten und bis zum letzten Akkord. So ist (sic!) alles zwar ein gelungenes Album mit klasse Songwriting und wahnsinnig tollen Gedankengängen, aber ist trotz all dem Lob kein wirklicher Meilenstein, wie es die Alben „Verlierer sehen anders aus“, Vanitas oder „Santa Muerte“ vorher waren. Auf jeden Fall ist das Album ein Befreiungsschlag für die Band selbst, der ihnen und ihren Fans helfen kann, sich in künftigen Dialogen auf das ‚Hier und Jetzt‘ zu konzentrieren und keine endlosen Diskussionen über Genre-Schubladen zu führen. Somit darf der Schwerpunkt meinetwegen auf der nächsten Scheibe gerne wieder auf erfreulicheren Themen der Welt gelenkt und die sonnige Seite der Bande nach vorne gestellt werden.

Oder um Sammy Amara zu zitieren: Gemeckert wird eh, egal, wie man es macht. Also kann man es sich auch leicht machen und einfach das tun, was man möchte. Das hat über 20 Jahre gut geklappt“ – Well Done Broilers, so kann es weitergehen und The world is yours, Oi!

Album Review von Marcus Liprecht

Bandfotos im Text: Robert Eikelpoth

Broilers sind:
Sammy Amara (Gesang, Gitarre) +++ Ron Hübner (Gitarre) +++ Ines Maybaum (Bass) +++ Andi Brügge (Schlagzeug) +++ Chris Kubczak (Keys)

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Broilers – (sic!) Titelverzeichnis

BROILERS SIC Albumcover 2017  1. Nur ein Land
  2. Bitteres Manifest
  3. Keine Hymnen heute
  4. Die Beste aller Zeiten
  5. Irgendwas in mir
  6. Gangster, Gangster
  7. Ihr da oben
  8. Unsere Tapes
  9. Meine Familie
  10. Zu den Wurzeln
  11. Woran glauben?
  12. Als das alles begann
  13. Und hier steh‘ ich
 

BROILERS Tour 2017

Ab März sind die Broilers wieder auf Tour durch die größten Arenen Deutschlands und das benachbarte Ausland, zahlreiche Termine sind bereits ausverkauft.

23.02.2017 – CH-Zürich, Volkshaus
24.02.2017 – CH-Solothurn, Kofmehl
25.02.2017 – CH-Bern, Bierhübeli
02.03.2017 – Münster, Halle Münsterland (Zusatzkonzert)
03.03.2017 – Münster, Halle Münsterland (Ausverkauft)
04.03.2017 – Trier, Arena
07.03.2017 – Hannover, Swiss Life Hall (Ausverkauft)
10.03.2017 – Berlin, Max-Schmeling-Halle (Ausverkauft)
11.03.2017 – Leipzig, Arena
16.03.2017 – Hamburg, Sporthalle
17.03.2017 – Hamburg, Sporthalle (Zusatzkonzert)
18.03.2017 – Rostock, Stadthalle
24.03.2017 – Erfurt, Messehalle
25.03.2017 – Köln, Lanxess Arena
31.03.2017 – AT-Wien, Gasometer
01.04.2017 – München, Zenith
06.04.2017 – Nürnberg, Arena
07.04.2017 – Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle
08.04.2017 – Kempten, bigBOX
13.04.2017 – Bremen, ÖVB-Arena
15.04.2017 – Frankfurt, Festhalle

BROILERS OPEN AIR 2017

14.07.2017 – Dresden, Filmnächte am Elbufer
15.07.2017 – Berlin, Wuhlheide

BROILERS 2017 – FESTIVALS

02.-04.06.2017 – Rock am Ring
02.-04.06.2017 – Rock im Park
15.-17.06.2017 – Nova Rock
20.-23.07.2017 – Deichbrand
09.-13.08.2017 – Eschwege – Open Flair

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Pressure Magazine
Pressure Magazine ist ein Online-Musikmagazin, das sich auf die rockige Musikszene spezialisiert hat. Unsere Autoren sind leidenschaftliche Musikfans und liefern dir Artikel, Rezensionen, Interviews und Ankündigungen zu bevorstehenden Musikveranstaltungen. Unser Ziel ist es, dich als Musikfan auf dem Laufenden zu halten und dir eine Plattform für Feedback, Anfragen und Kommentare zu bieten.

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