Am 17. März findet das Benefiz-Festival „Stoppt Nazikleidung – gegen rechten Lifestyle“ in Berlin statt. Pressure Magazine unterhielt sich mit dem Veranstalter der Initiative über die Hintergründe.

 

 

Erst kürzlich berichteten wir bei Pressure Magazine über das bevorstehende Benefiz-Konzert. Zugunsten der Initiative „Kein Bock Auf Nazis“ werden 5 Bands im Berliner Festsaal Kreuzberg spielen und mit der Fundraising-Aktion Geld sammeln, welches vor allem für Informationskampagnen über die Marke „Thor Steinar“ eingesetzt werden soll. Aus diesem Anlass befragten wir Olli, Bassist der Band Radio Havanna und Mitveranstalter der Initiative zu den Hintergründen.

 

Vergangenen Samstag fand in Dresden ein Aufmarsch der Rechtsextremen statt. Nahezu 15.000 Gegendemonstranten stellten sich quer und blockierten die geplante Neonazi-Kundgebung.

Das Thema Rechtsradikalismus ist nach wie vor ein aktuelles Thema in Deutschland. Auch ihr engagiert euch mit eurer Aktion „Stoppt Nazikleidung – gegen rechten Lifestyle“ gegen rechte Tendenzen. Wie ist es zu dieser Idee gekommen?

Olli: Wir sind schon immer eine politische Band gewesen und auch sonst politische Menschen, die offen ihre Meinungen sagen. Wir gehen auf die Straße wenn es für uns einen guten Grund dafür gibt, so auch am letzten Wochenende in Dresden. Mit Nazis beschäftigen wir uns gezwungenermaßen schon immer, da wir aus einer Kleinstadt in Thüringen kommen und dort oft mit denen zu tun hatten, durch körperliche Angriffe auf uns selbst, auf Freunde oder diverse Jugendeinrichtungen.
Früher war aber auch eine andere Zeit: Man hat Nazis schon von Weitem erkannt, das nannte man Schnürsenkelpolitik… Jedenfalls muss man heute genau hinschauen, um zu merken, welcher Mensch sich hinter seiner Kleidung verbirgt. Für uns ist die Beschäftigung mit Naziklammotten wie Thor Steinar daher wichtig.

 

Am 17. März veranstaltet ihr aus diesem Anlass ein Benefiz-Festival mit mehreren Bands. Gab es einen aktuellen Anlass dazu oder war die Sache selbst Hauptanlass genug?

Olli: Ich glaube nicht, dass man dafür einen aktuellen Anlass braucht, das Thema ist immer aktuell, solange es Nazis gibt.

Es gibt natürlich deutschlandweit viele Konzerte und Festivals gegen Neonazis. Wir wollten mit unserem Festival nun mal auf ein konkretes Problem hinweisen, das so konkret noch nicht im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. Wir sind auch schon seit Jahren Freunde der Kampagne „Kein Bock auf Nazis“ und wollen diese nun mit unserem Benefiz-Konzert unterstützen, damit sich KBAN weiterhin gegen Thor Steinar einsetzen können.

 

Veranstaltungsdatum: 17.03.2011
Berlin – Festsaal Kreuzberg (www.festsaal-kreuzberg.de)

Einlass: 20 Uhr

Eintritt: 10,- Euro Abendkasse (Vorverkauf 9,- Euro zzgl Gebühren auf www.koka36.de)
JENNIFER ROSTOCK, RADIO HAVANNA, KAFKAS, NOT CALLED JINX, STAKEOUT

 

 

Wie schätzt ihr die allgemeine Situation bezüglich faschistischer/rassistischer Tendenzen in Deutschland ein?

Olli: Ich denke jeder Nazi, gerade in Deutschland, ist einer zu viel. Spätestens mit Sarrazin dürfte aber auch klar geworden sein, dass Rassismus kein Phänomen des politischen Randes ist, sondern in allen Teilen der Bevölkerung ein Problem darstellt. Das sind ja nur zwei Seiten derselben Medaille. Aufklärung tut also nach wie vor Not.

 

Wie bewerkstelligt ihr dieses Festival – Wer unterstützt euch bei der Realisierung?

Olli: Unterstützt werden wir in erster Linie von den tollen anderen Bands, die sich alle bereit erklärt haben, ohne Gage aufzutreten. Deswegen gebührt ihnen zuerst unser Dank. Dazu kommen viele Freunde, die uns beim Flyer verteilen und Plakate kleben helfen, oder am Tag des Konzertes beim Aufbau. Aber die Organisation haben wir als Band selbst übernommen.

 

Wie seid ihr zu der Bandauswahl gekommen?

Olli: Wir wollten eine möglichst große musikalische Vielfalt auf dem Konzert haben, denn die Themen Nazis oder Nazikleidung sollten ja nicht nur Punkrocker oder nur Elektrofans interessieren.

Es ging uns sozusagen um einen symbolischen Schulterschluss unterschiedlicher Musiker.

 

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Das Modemarke „Thor Steinar“ wurde bereits im Online-Shop Amazon.de oder auch im Luxuswarenhaus KaDeWe in Berlin geführt. Wie erklärt ihr euch die „Akzeptanz“ in der allgemeinen Öffentlich gegenüber einer Marke, wie „Thor Steinar“?

Olli: Hier offenbart sich das Problem der fehlenden Aufklärung. Eine Jacke ist erstmal nur eine Jacke. Wenn Teile der Einnahmen durch den Verkauf dieser Jacke allerdings für rechte Aktivitäten und Propaganda genutzt werden, dann können wir nicht akzeptieren, dass man diese Jacke überall kaufen kann.

Nachdem die Diskussionen um „Thor Steinar“ in den letzten 2 Jahren größer geworden sind haben verschiedene Läden die Marke aus ihrem Sortiment genommen. Die Läden verkaufen in der Regel einfach, womit sich Geld verdienen lässt, wie deine Beispiele zeigen. Dass die Sachen am Ende bei Amazon rausgenommen wurden, zeigt uns, dass Protest sich immer lohnt.

 

Auch in Berlin haben vereinzelt Thor-Steinar-Läden eröffnet, wurden jedoch durch Steinwurf- und Farbbeutelanschlägen zum Schließen gezwungen. Befürwortet ihr solche, zum Teil auch mit Strafe bewährten Maßnahmen?

Olli: Da in diesem Fall keine Menschen zu Schaden kommen, kann der Zweck schon mal die Mittel heiligen. Außerdem handelt es sich bei den angesprochenen Läden ja nicht um irgendwelche ahnungslosen Klamottengeschäfte, sondern um ganz klare Naziläden, mit bekannten Besitzern, eindeutiger Kundschaft und einem Sortiment, dass neben „Thor Steinar“ noch weitere bekannte Szenemarken wie „Erik & Sons“ beinhaltet.

Aber wegen ein paar Farbbeutelwürfen musste bisher noch kein solcher Laden dauerhaft schließen. Dazu bedurfte es bisher stets entschlossener politischer Proteste, die die jeweiligen Vermieter dazu veranlassten, die Furcht um ihr Ansehen über ihre Profitinteressen zu stellen.

 

Welche Mittel und Wege, sind aus eurer Sicht jetzt und in Zukunft erfolgsversprechend für den Kampf gegen Rechts?

Olli: Es muss darum gehen, ein gesellschaftliches Klima herzustellen, in dem sämtliche Minderwertigkeitsideologien, dazu gehören neben Rassismus auch Homophobie oder Antisemitismus, keinen Platz haben. Unser Beitrag ist hierbei natürlich nur ein bescheidener, aber hoffentlich können wir einigen jungen Menschen einen Anstoß dazu geben, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Generell glauben wir, dass Musik das Potential hat, zu einem friedfertigeren Miteinander beizutragen.

 

Habt ihr auch für die Zukunft Aktionen wie das Benefizkonzert geplant?

Olli: Na klar, wir wollen weiterhin die Aktionen von „Kein Bock auf Nazis“ unterstützen. Außerdem engagieren wir uns zur Zeit auch für „Skate Aid“, eine Stiftung, die in ehemaligen Krisengebieten Skateparks baut um den Kids dort eine Perspektive zu geben. Für Skate Aid haben wir ein Lied mit der Punkrock-Legende Jim Lindbergh (Ex-Pennywise / The Black Pacific) und den Riverboat Gamblers aufgenommen. Das Lied wird im April erscheinen und die Einnahmen aus dem Verkauf gehen an „Skate Aid“. Ein Hit übrigens!

 

Interview von Marcus Berg im Februar 2011

 

Mehr zum Thema:

Details zum Termin: „Stoppt Nazi-Kleidung“ Benefiz-Konzert, Berlin

Offizielle Homepage: www.stopptnazikleidung.de

Radio Havanna Homepage: www.radiohavanna.de


„Investigate Thor Steinar“ – eine ausführliche Broschüre mit Analysen einzelner Symbole und Textilaufdrucke und aufwendig recherchierte Berichte über die Personen hinter Thor Steinar [ca. 1,5 Mb] investigatethorsteinar.blogsport.de


„Netz gegen Nazis“ mit ausführlicher Linksammlung: www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/thor-steinar


Bilder: Cardiac Communication

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