Label: JKP (Warner)
Veröffentlichung: 09.09.2011
Wolfgang Rohde, vielen besser bekannt als „Wölli“, saß über 15 Jahre hinter dem Schlagzeug bei einer der legendärsten und dienstältesten Punkbands aus Deutschland, die Rede ist von DIE TOTEN HOSEN.
Ein schwerer Verkehrsunfall im Mai 2000 zwang den Düsseldorfer Musiker, schweren Herzens seinen Job und somit die Drumsticks an den Nagel zu hängen. Von Schicksal gebügelt, aber im Eifer nicht zu stoppen gründete er daraufhin das Düsseldorfer Musiklabel „Goldene Zeiten“ und gab sein musikalisches Wissen an zahlreiche Nachwuchsbands und Künstler weiter. Als waschechter Musiker kribbelte es Wölli jedoch schon bald wieder unter den Fingern und so kam es, dass er Anfang 2010 zusammen mit Freunden WÖLLI & DIE BAND DES JAHRES gründete. Am 09. September ist das erste gemeinsame Album, das den Titel „Das ist noch nicht alles“ trägt, über das Hosen-Label JKP erschienen.
Den Anfang macht der Song „Mein wildes Herz“, der mit Rock’n’Rolligem Sound und energischem Gesang a la Marius Müller-Westernhagen für gute Laune sorgt und das Freiheitsgefühl des Sängers zum Ausdruck bringt. Weiter geht es mit dem Titel „Ich fühl mich Wunderbar“ der mit einem Augenzwinkern überzeichnet, wie Männer im Alter Wöllis in der Gesellschaft gesehen werden: „Ich habe einen Bypass und einen Herzschrittmacher. Ich habe die dritten Zähne und auch die sind meistens locker / Der Blutdruck ist okay. Der Blick ist klar und ich fühl mich wunderbar“. „Alles nochmal von vorn“ ist der Name des Stückes, das zusammen mit Tote Hosen-Frontmann Campino eingesungen wurde und am 26. August 2011 als erste Singleauskopplung erscheinen wird. Ein wirklich schöner Song, der retrospektiv den gemeinsamen Werdegang und Zusammenhalt manifestiert und den Pakt besiegelt, den die beiden Musiker einst schlossen.
Mit „Kein Grund zur Traurigkeit“ packen Wöllis Mannen die Country-Gitarre aus und präsentieren im entsprechenden Rhytmus eine Ballade im Stile von Johnny Cash. „Der Mann hinter dem Schlagzeug“ handelt selbstironisch vom Leben des Schlagzeugers, der nicht selten den Kürzeren zieht, da er zwar den Takt angibt, aber nicht im Rampenlicht steht. Eine eifrige Rocknummer gibt es mit „Nummer 1“ auf die Ohren, die mit den obligatorischen „Düdü-düü-dü–dü“ Gedächtnis-Chören von Udo Lindenberg und „ich mach mein Ding“-Attitüde das Chart-Erfolg-Nacheifern zynisch ins lächerliche zieht. Der „Blick nach vorn“ klingt mächtig druckvoll und erinnert nahezu schon an einen Song von In Extremo. Das Stück geht thematisch, wie auch „Ich fühl mich wunderbar“, um die Konstitution des Schlagzeugers, der mit Zeilen wie „Ich hatte jede Menge Spaß, denn ich nahm nie den Fuß vom Gas / Ein Leben lang ist nicht genug“ mit dem er seine Sehnsüchte zu überspielen scheint, um sich selbst vor Augen zu führen, dass die beste Zeit seines Lebens noch vor ihm liegt. „Nicht zu besiegen“ ist als letzter Song der Scheibe der Rausschmeißer des Albums, der mit Schifferklavier und Banjo unter sentimentaler Stimme, eigene Fehler eingesteht und davon handelt seine Träumen zu leben.
Was bleibt ist ein Album, das wie zu erwarten, musikalisch vom allerfeinsten arrangiert und druckvoll produziert wurde. Das jüngere Klientel, das möglicherweise fröhlich einem ebenbürtigen Hosen-Album entgegenfiebert, sei hiermit vorgewarnt. WÖLLI & DIE BAND DES JAHRES liefern Songs im „gesattelten“ Stil, mit zahlreichen Altersweisheiten eines Musikers, der sich nie aufgegeben hat und dem das Feuer im Herzen noch lange nicht erloschen ist. Somit begiebt sich Wölli auf Augenhöhe mit Künstlern, wie Marius Müller-Westernhagen oder Gunter Gabriel und liefert niveauvollen, soliden Deutsch-Rock für reifere Generationen. Zu einem Vergleich mit Johnny Cash reicht es noch nicht, dazu fehlt ihm das Maß an Hoffnungslosigkeit und Verbitterung, was hier allerdings auch fehl am Platze wäre.
Im Oktober werden WÖLLI & DIE BAND DES JAHRES dann im Rahmen einer ausgedehnten Tour auch live zu sehen sein, um die Läden der Republik einzureißen. Eine hervorragende Gelegenheit in die Jahre gekommenen Punks und Rockern vor Augen zu führen, dass man immer genau so alt ist, wie man sich fühlt. Und wie es scheint, ist dieses Album erst der Anfang des Punkrockers, der es im Jahre 2011 noch einmal so richtig wissen will. Es sei ihm gegönnt.
Review von Marcus Berg
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Tipp: Zum Pressure Magazine Interview mit Wölli alias Wolfgang Rohde geht es hier.