Label: Impact Records
Veröffentlichung: 20.06.2008
In manchen Fällen soll es ja vorkommen, dass sich Bands aufgrund mangelnder Ideen und Inspiration eine gemeinsame Auszeit fernab vom tristen Alltags und ödem Wetter gönnen. Die einen zieht es nach Südamerika, auf eine einsame Insel, oder auch in ein Kloster, um dort für mehrere Wochen abzuschalten und in aller Ruhe zu sich selbst zu finden.
Anders machte das die Band Wilde Zeiten aus Mainz, denn die Band um Sänger Michel, vorher „Untergangskommando“ und Gitarrist Matze, vorher bei „Nichts gelernt„, machten einen gemeinsamen Trip nach Ibiza, um sich dort fernab von allen Zwängen auf das neue Album vorzubereiten. Der alte Bunker zu Zeiten der vergangenen Alben „Der goldene Weg“ hatte längst ausgedient und sich die düstere Stimmung des muffigen Kellergewölbes ohnehin schon viel zu lange auf die Stimmung der letzten Platten niedergeschlagen.
So oder so ähnlich will es gewesen sein, als sich die Jungs mit dem Aufnehmen ihrer Scheibe „Aufgeräumt wird später“ zusammensetzten. Dabei rausgekommen sind 15 frische Songs unter strenger Führung des ehemaligen Tote-Hosen-Busfahrer und Soundmischer Herrn Dr. Faust, den die Band nach langjähriger Freundschaft als Produzent für diese Platte überreden konnten. Vermutlich aber wusste er selbst noch nichts von seinem Glück, als er unter starkem Einfluss unterschiedlichster Alkoholika den Knebelvertrag unterschrieben hat und am nächsten Tag nichts mehr davon wusste – aber auch das ist reine Spekulation. Eingeleitet wird die Reise in den Untergang von „Adios Viva Punk“, einem sehr schnellen und punkigen Stück, das mich erst an den ähnlich lautenden Titel von Betontod erinnerte.
Die Hommage an Franz Beckenbauer’s „Gute Freunde“ ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Band nach den überwiegend ernsteren Texten der letzten Jahre deutlich lockerer macht und auch die ein oder andere Gute-Laune-Nummer mit auf die Platte geschafft hat.
Mit „Nazi Alter“ findet auch ein politisches Statement seinen Platz auf die Platte, welches das Thema aus einer anderen Sicht angeht, wie es vergleichsweise andere Punkbands in der Vergangenheit getan haben. „Ziel muss es sein, das Verhalten und nicht den Mensch zu verurteilen.“, sagt Michel dazu, der davor warnt, sich durch menschenverachtende Texte auf das gleiche Niveau wie die Nazis herabzulassen.
Auf Sing-Alongs setzt die Band in dem Hit „Homegrown“, der die Legalisierung von Cannabis zum Thema macht. Eine hervorragende Textzeile und etwas zum darüber Nachdenken ist dem Song „Echte Terroristen“ zu entnehmen: „Echte Terroristen erkennen sie daran, sie tragen keinen Sprengstoff, haben Maßanzüge an / Echte Terroristen erkennen sie daran, dass man mit ihnen am Golfplatz Geschäfte machen kann“. Aber auch eine traditionelle Sauf-Hymne findet mit „Party ein ganzes Leben lang“ gefallen. Tatkräftige Unterstützung gab es während der Aufnahmen auch von den Frolix-Sängern Christoph und Klaus, die sich revanchierten, da Wilde-Zeiten-Sänger Michel bereits bei deren neuen Album „Reise nach Süden“ als Chorsänger mitgewirkt hatte. Des Weiteren sind auch befreundete Bands, wie u.a. Zugzwang, Fuckabunten und Durchbruch22 zum Chorgesang rekrutiert worden.
Als besonderes Goodie gibt es auf der CD zwei Videoclips. Zum einen das Video zu „Gute Freunde“, welches die begnadeten Fußballer bei der Jagd nach dem Ball zeigt, was allerdings – wer die Band kennt – in einem heillosen Fiasko endet. Dazu kommt eine Aufnahme mit dem Besuch im Rheinstudio, welches die Band von einer sehr privaten Seite bei den Aufnahmen des neuen Materials zeigt. „Aufgeräumt wird später“ macht insgesamt eine gute Figur und zeigt im Entwicklungsprozess der Band einen gewaltigen Schritt nach Vorne. Freunde von Deutschpunk mit teils ernsten und tiefgründigen aber auch humorvollen Texten dürfen bedenkenlos zugreifen.
Wertung: 5 Sterne