Whiskey Daredevils – The Essential

Label: Knock Out
Veröffentlichung: 27.10.2006

Die ersten Runden drehte „The Essential“ im Auto-eignen Player und das hat sich als grober Fehler erwiesen. Wenige Minuten später erwischt man sich das erste Mal dabei, wie man den Ellenbogen hochlegt, einen Gang zurückschaltet und glaubt, man wäre auf einem staubigen Highway irgendwo im Nirgendwo. Kurz danach tauchte tatsächlich eine Autobahn auf, wo zum nachtschlafenen Zeitpunkt auch ordentlich gecruised wurde.
Der passende Soundtrack dazu dröhnte in voller Lautstärke aus den mickrigen 40-Watt-Boxen, aber so was ist in solchen Situationen letztlich wurscht. Das Feeling passt, gute Laune ist selbst bei sibirischen Außentemperaturen da und die Sache rund, so lange noch Zigaretten da sind. Fehlte lediglich eine Flasche Booze und Würfel, die am Rückspiegel baumeln, aber man soll es ja nicht übertreiben mit den Alleinstellungsmerkmalen.
„The Essential“ ist nach dem ironisch „Greatest Hits“ betitelten Debüt das Zweitwerk der Whisky Daredevils aus Ohio. Dort ticken die Uhren etwas anders, staubige Highways sind tatsächlich vorhanden und Country-Musik allgegenwärtig. Entsprechend ist die Band beeinflusst: Der Sound ist eine Mischung aus Blues, Hillbilly, Rockabilly, Country und einer ordentlichen Portion Rock. Kennt man aus Schweden besser? Vergleiche mit den Über-Rockern Bones bieten sich natürlich an, reichen aber nicht ganz aus. Beef Bonanza und Co. liefern zwar auf jedem Album ein bis zwei arg Country-lastigen Songs ab, die auch meist zu den Highlights der Platte gehören – es sei nur auf „Memphis ’77“ verwiesen. Das war es dann aber auch schon, der Rest ist Punk’n’Roll und nur geradeaus.
Hier schaut die Sache allerdings anders aus: Der Opener „Bacon Martini“ klingt noch arg nach dem, was MTV gegenwärtig als „Rockband“ bezeichnet: Mando Diao und Jet. Ob es sich bei den Multimillionen-Sellern noch um Rock handelt, sei dahingestellt. Immerhin verlässt man bereits beim zweiten Song „Ear to the ground“ die Schrammel-Schiene und wechselt auf Blues. Auch das funktioniert prima und freut jeden Flat Top. „Ironic Trucker Hat“ macht schon mal klar, was man von der hedonistischen, konsumgeilen Retro-Fraktion hält: Nix. Das, untermalt von feinstem Country, kommt schon mal arg lässig rüber. Der erste Song, der sich wirklich festbeißt, ist „Devil’s Radio“. Vielleicht liegt es daran, dass mal wieder die Highspeed-Fahrt auf dem Highway besungen wird. Wahrscheinlich ist es aber nur der absolut geniale Refrain. 20 Stücke lang langweilt „The Essential“ nicht eine Sekunde. Man bedient sich stilistisch mal hier, mal da und vermischt die uramerikanischsten Musikrichtungen. Textlich geht es meist sehr ironisch und mit einem Augenzwinkern zur Sache: „I work all night / just to make my nut / selling off my cousin / down at the porno hut“. Das ganze erinnert unweigerlich an die zugekifften „Blues Broters“ oder „Crime is King“, immer auf der Jagd nach dem American Dream oder der nächsten Frontier.
Selbst vor dem King wird dabei nicht halt gemacht, besser noch: Die Whiskey Daredevils könnten durchaus die legitimen Erben von Elvis sein. Dazu müsste er aber tot sein, was bekannterweise nicht der Fall ist. Gegenwärtig schimpft sich leider so einiges „Rock“, der Begriff wird inflationär über- und vor allem fehlverwendet. Nach dem zahlreiche Szenen ihren Ausverkauf hinter sich haben, bedient sich eine kurzlebige und geldgierige Plattenindustrie nun eben am kreativen Output der 70er- und davor. Meist kommen dabei aber nur lauwarme Eintagsfliegen raus, die es selten zu mehr als fünf Minuten Ruhm und zwei bis drei Chartstürmern bringen. Bands wie die Whisky Daredevils dagegen bleiben den Wurzeln des amerikanischen Rock’n’Roll treu: Blues und Country. Daraus wird dank einem sehr feinen Gespür für die Musik etwas geschaffen, das sich wirklich sehen lassen kann und vor allem ein Tritt in die Kronjuwelen der Gegenwarts-Rocker ist.
Auf Trends, Labels oder Geld wird geschissen, hier geht es um richtige Musik für richtige Rocker. Die mögen zwar auch ihre Macken haben, wenn es um Hotrods, Flammen-Tattoos oder Betty Page geht, das ist aber allemal sympathischer, als drauf zu achten ob die Jeans auch eng genug sitzt und die zwei Buttons am Retro-Shirt richtig platziert sind.
Fazit: Maul halten und Rocken, rein in den Wagen, Betty-Page-Klon oder Whisky-Buddel auf den Beifahrersitz und ab auf den Highway, inklusive aufwirbelndem Staub und Flammen aus dem Endrohr. Selbstverständlich alles auf dem Weg nach Las Vegas, wo Angst und Schrecken verbreitet werden.

Wertung: 0=6 Sterne

Pressure Magazine
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