Donnerstag, April 18, 2024

Frei.Wild – Opposition

Mit OPPOSITION ist am 3. April 2015 das neue Studioalbum der Südtiroler Rockband FREI.WILD erschienen. Nach ihrer vergangenen Nummer 1 Alben, der Akustik-CD/DVD namens „Still“ (2013) und dem Album „Feinde Deiner Feinde“ (2012), legte die Band um Philipp Burger (Gesang/Gitarre), Jonas Notdurfter (Gitarre), Jochen „Zegga“ Gargitter (Bass) und Christian „Föhre“ Fohrer (Drums) eine vermeintlich kurze kreative Pause ein.

Doch wirklich ruhig um die Band wurde es letztlich nicht, denn schon Ende 2014 servierten die Musiker von Monat zu Monat einen Vorgeschmack auf das neue Album in Form von insgesamt sechs Musikvideos. Terminlich geschickt zu ihrer vierten Echo-Nominierung, leitete die Band zudem vor einigen Wochen die allseitige und vor allem lebendige Berichterstattung, rund um die Album-Veröffentlichung ein.

Das Album trägt den auffälligen, wie auch politischen Begriff „Opposition“. Die Gründe dafür seien laut Philipp Burger, Sänger, Texter und Gitarrist der Band, die allgegenwärtigen Gegensätze in dieser Welt, ohne die ein Zusammenleben gar nicht möglich sei. Allerdings reihe sich der Begriff auch in die weiteren Albumtitel der Bandhistorie ein, klinge gut und Wecke obendrein das öffentliche Interesse – selbst bei Kritikern.

Das neue Frei.Wild Album „Opposition“ reflektiert inhaltlich nicht nur die persönlichen Erlebnisse der Band der turbulenten letzten Jahre, sondern gewährt auch autobiographische Einblicke und stärkt abermals die Bindung zur eingeschworenen Fangemeinde. In gewohntem Frei.Wild-Charme werden auch diesmal die Attribute Loyalität, Durchhaltevermögen und Zusammenhalt zu rockigen Klängen mit jeder Menge Pathos abgefeiert. Im Querschnitt handeln vielerlei Songtexte von Freundschaft und Liebe, Beständigkeit und Vergänglichkeit, Ängste und Sorgen. Allerdings versprühen die Songs auch eine ordentliche Portion Zuversicht und Optimismus.

Aber wieviel Opposition steckt wirklich im neuen Album der Südtiroler?

Den Auftakt macht „Wir brechen Eure Seelen“, ein Frei.Wild-typischer Song, der mit eingängigem Ohrwurm-Chorus nach vorne geht und von Beginn an vortrefflich versteht, sich mit folgenden Textzeilen, an betroffenen Stellen, keine Freunde zu machen: „Lügen Haben immer kurze Beine. Leichen im Keller, habt nur ihr und wir haben keine“ gepaart mit dem Bugschuss: „’Wichser united’ passt am Besten zu den ganzen Denunzianten. Bei denen in erster Linie Menschen ohne Eier rumtanzen“. Der Song provoziert, trifft dort ins Ziel, wo er anecken soll und bedient die Erwartungen der Fangemeinde. Der Song macht dem Albumtitel Opposition alle Ehre, wie erwartet gießt die Band weiteres Öl ins Feuer im Spiel mit ihren Kritikern. In der Öffentlichkeit wird gegen die Band gewettert, Boykott-Versuche erhoben und in Dauerschleife weiterdiskutiert.

Unpolitische Musik für die einen, rechtspopulistische Augenwischerei für die anderen. Dass sich die Band auch weiterhin mit Händen und Füßen gegen die Vorwürfe wehrt, sie würde mit nationalistischen und völkischen Gedanken flirten, zeigt auch die zunehme thematische Auseinandersetzung in den Texten auf „Opposition“ und die bewussten gewählten Statements gegen „Nazi-Spasten“ (Textauszug: Wir brechen Eure Seelen).

Weiterhin liefern Frei.Wild im Song Akzeptierter Faschist harten Tobak und stellen klar, welches Problem sie mit ihren Kritikern haben, die sie im selben Atemzug für „Keinen Funken besser als ein Scheiß-Faschist“ halten. So heißt es im Text „Du glaubst, du wärst der bessere Mensch als ich. Du verurteilst, richtest über mich. Andere Meinungen akzeptierst du nicht. Stellst andere ins Dunkel und dich ins Licht. Wie der Vollstrecker aus der Oberschicht und erkennst nicht, was du wirklich bist: Ein akzeptierter Faschist“. Wer sich also mit den vorliegenden Texten auseinandersetzt, muss also nicht die Brennpunkte der Weltpolitik studiert haben, um festzustellen, dass die Grundlage vieler Songs durchaus stark politisch ist. Wenngleich keineswegs Extrem oder Nationalistisch, dafür aber konservative Werte vertreten werden.

Natürlich fehlt daher auch diesmal nicht das obligatorische Loblied auf die Heimat Südtirols. Womit der Song „Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein“ die beschwingten Rhytmen eines Musikantenstadl annimmt und mit Textzeilen a la „Heimat ist, wo das Herz am höchsten schlägt“ durch die Boxen posaunt. Wer sich mit der Geschichte Südtiroler rund um den Unabhängigkeitskrieg vor 50 Jahren befasst, wird schnell feststellen, dass das Zusammenleben der österreichischen Minderheit mit italienischem Pass nicht immer einfach und spannungsfrei im eigenen Land verlief. Somit ist es auch in diesem Falle Burgers innigstes Bedürfnis, „Das Recht auf Heimat und für jeden ein Leben in Freiheit“ einzufordern und folgert weiterhin „Wahren Frieden kann es nur dann geben, wenn endlich wirklich alle aufeinander zugehen“.

Nahtlos knüpft auch der Song „Ich bin neu, ich fange an“ den Heimat-Begriff auf und überrascht mit einer interessanten Sichtweise in Anlehnung an das gesellschaftlich brisante Thema der Zuwanderung. Beschrieben wird das Schicksal eines Flüchtlings, der sich mit all seiner Hoffnung auf Unterstützung in fremdes Land und in Richtung neues Leben begibt. Unter dem Motto „Begegnung verbindet“ singen Frei.Wild „Ich will Teil dieser Welt sein, will nicht am Rande stehen. / Egal wo, egal woher. Egal wo, egal wohin. Für ein Zusammen. Nicht ein Auseinander“. Ein wahrlich starker Song mit opulentem Soundgewand, mit viel Empathie und Zuversicht auf ein friedliches Miteinander.

Als ein ebenso inhaltsstarker, wie auch weltoffener Song entpuppt sich „Weil ihr gerne Kriege führt“, der mit eingängigen Ska-Klängen und treibender Bassline den Ton angibt und die Auswirkung von Kriegen, sowie Konsequenzen falschen Denkens anprangert.

„Weil ihr gerne Kriege führt. Weil ihr schon wieder Hass vor Liebe stellt. Weil ihr nicht nachdenkt, lieber folgt. Wie ein Soldat für den Befehl marschiert“. Frei.Wild fordern weiterhin „Wir wollen für jeden Menschen Gleichheit und die Freiheit, das zu tun was er will, wofür sein Herz schlägt und darum werden auch wir nicht ruhen“.

Zum Oppositionsthema wahrlich nicht so ganz passend, kommt dass durchaus Hit-verdächtige Liebeslied „Du bist sie (die Einzige für mich)“ als großes Romantik-Feuerwerk a la Frei.Wild daher, dass der Sänger seiner Frau gewidmet hat. Ein durchaus netter Song, bei dem man sich aber wie bei der Single-Auskopplung „Wie ein schützender Engel“, irgendwie stark an die Radio-Erfolge der Band Unheilig erinnert fühlt.

Ähnliche Verwirrung in den Gehörgängen stiftet auch die Pop-Hymne „Morgen wird alles besser“, bei der man jeden Moment damit rechnet, dass Campino das Oktoberfest-Bierzelt entert und zusammen mit einem bierseligen Publikum diese versöhnliche „Prost auf’s Leben“-Nummer grölt.

Wer sich mit der Erwartung an das Album „Opposition“ wagt, es könne die gesamte Bank durch für großartigen neuen Stoff für Reibereien und Kontroverse sorgen, wird sich sicher wundern. Denn Frei.Wild spielen bewusst selbst mit der Macht der Medien und liefern sowohl Fans als auch Kritikern ein Werk, welches teils mit provokantem, jedoch auch teils mit einem recht unerwartet „braven“ Musikstil zu polarisieren weiß.

Vergleicht man das Standard-Album mit 13 Songs mit der 26 Lieder starken Deluxe-Variante in Form einer Doppel-CD, stellt man ebenso fest, dass die Menge an seichten Fülltiteln der großspurig angekündigten Opposition leider quasi die Luft rausnehmen. Je nach Konstellation der Songtitel, wäre es problemlos möglich, auch Hörer der Musikgruppen Unheilig, Sportfreunde Stiller oder gar Die Toten Hosen mit glattpoliertem Allerwelts-Pop zufriedenzustellen, ohne für Empörung zu sorgen.

Öffentlich auch weiterhin umstritten, liefern Frei.Wild somit ein für das Rock-Genre auffällig eingängiges und sauber produziertes Rockalbum, auf dem sich sowohl Vorstadt-Rebellen, als auch Freundinnen und Freunde von deutschsprachigem Pop-Rock bis hinzu Volksmusik wiederfinden werden.

Was bleibt ist der oft zitierte Sturm im Wasserglas mit dem Ergebnis der größtmöglichen mediale Aufmerksamkeit, denn die Erfolgsgeschichte geht ungebrochen weiter: FREI.WILD sind mit ihrem aktuellen Album „Opposition“ auf Platz 1 der deutschen Media Control Charts, sowie der österreichischen Verkaufscharts eingestiegen. Und wen wundert es, die Band bedankt sich nicht nur bei ihren Fans und Unterstützen, sondern auch bei ihren Kritikern.

Review von Marcus Berg

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Frei.Wild – Wie ein schützender Engel

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