Sieht man sich die Konzerte dieser Band an, stellt man schnell fest, dass ihnen eine Welle des Erfolges nicht abzusprechen ist. Frei.Wild sind gerade nach dem Abschied der Böhsen Onkelz die heissesten Anwärter auf den Thron ihrer Vorbilder. Das vorliegende Album „Hart am Wind“ sorgte im Vorfeld schon für reichlich Diskussionsstoff und einigen Missverständnissen.
Zu klären war für uns im vornerein erstmal die Frage, ab wann man ein Album überhaupt als ein „neues“ Album bezeichnen kann. Denn „Hart am Wind“ wird als eben solches verkauft, bietet aber oberflächlich betrachtet zunächst einmal keinen einzigen neuen Song, sondern wirkt vielmehr als ein „Best Of“ aus den bisher fünf veröffentlichten Alben. Wären da allerdings nicht die drei verschiedenen Album-Version, die es zu „Hart am Wind“ geben soll und sich im Umfang des Zusatzmaterials unterscheiden werden.
So wird es neben einer regulären CD mit 15 Songs, auch eine limitierte Special Edition mit 4 weiteren bisher unveröffentlichten Titeln geben und ebenso auch ein Video enthalten. Die dritte Version soll eine spezielle Fanbox in einer Sonderaufmachung werden. Diese enthält neben dem Album auch eine Fahne, Autogrammkarte, Button, Sprühvorlage und auch einen Heckscheibenaufkleber. Objektiv betrachtet scheinen sich die vier jungen Herren aus Südtirol nicht nur musikalisch, sondern auch am Geschäftsmodell ihrer Vorbilder aus Frankfurt orientiert zu haben.
Im Gepäck haben Frei.Wild älteres und somit bekanntes Material aus den ersten fünf Alben, die hier vom Sound komplett überarbeitet und aufpoliert wurden. In Punkto Akustik gibt es somit 17 Mal neuen Glanz und ein spielerisch verfeinertes Soundgerüst mit einem bombastischen Sound. Neben neueren Songs wie „Arschtritt“, „Schwarz und Weiss“, „Das Land der Vollidioten“ und „Halt deine Schnauze“ finden hier auch ältere Kaliber wie „Freiheit“ oder „Der Tod holt uns alle“ ihren Platz auf dem Silberling.
Ebenso kompromisslos wie ihre Texte, hat man sich auch diesmal dazu entschlossen den nach wie vor aus geschichtlichen Hintergründen umstrittene Song „Südtirol“ auf diesem Schaffenswerk erneut zu veröffentlichen und somit den ohnehin grassierenden Diskussionen mit alten Funken ein neues Feuer zu schüren. Allem Widerstand zum Trotz werden mitreißende Songs aus den Wirren des Lebens, laut und deutlich in professionellem Rockkostüm durch die Boxen katapultiert. Dabei findet sich kein einziger Aussetzer und selbst Live gehören Frei.Wild wohl zum arschtretendsten, was das Deutschrock-Genre derzeit hergibt.
Ein weiteres Aha-Erlebnis bietet uns dann noch mal die limitierte Sonderedition, welche um drei wirklich neue Songs erweitert wird und eine gewaltige musikalische Weiterentwicklung der Band erkennen lassen. „Diesen Schuh musst du dir nicht anziehen“ ist ein Hit, treibt unglaublich an und ist der Mutmacher schlechthin. Mit Textzeilen wie „Leute reden und versprechen, holen dich gerne auf ihr Boot. Stoßen dich aber runter in der ersten Not“ handelt er von falschen Menschen und wahren Freunden. Ein weiterer neuer Song ist „Gebt mir die Pappe wieder“ und ist für die Band musikalisch eher untypisch. Fast schon eine Spur zu seicht wird untermalt mit einigen Streichern, wie eine alkoholisierte Fahrt ihr jähes Ende an einem Baum nehmen kann.
Für die jenigen, die bislang keinen Zugang zur Band gefunden haben oder mal reinhören wollen, gibt’s nun mit „Hart am Wind“ einen Querschnitt durch das bisherige Schaffen der Band. Alte Fans kennen sämtliche Tracks ohnehin und stehen nun vor der Wahl, 16 oder mehr Euro für überwiegend recycelte Songs im neuen Gewand hinzulegen. Für ein Paar Euro mehr gibt es die neuen Songs dazu, die schon jetzt zeigen, wohin die Reise der jungen Band geht.
Review von Marcus Berg