
Knisternde Club-Energie, große Gefühle: Duff bringt „Lighthouse“ nach London – mit Kamera drauf und Herz nach vorn.
Aufgezeichnet in der ausverkauften Islington Assembly Hall: Duff McKagan veröffentlicht ein 19-Track-Live-Album samt Konzertfilm. Was taugt das Paket?
Manchmal braucht Rock’n’Roll keinen Bombast, sondern Nähe. In der Islington Assembly Hall – ein Saal, der atmet, statt zu protzen – fängt die Kamera Gesichter, Fingerkuppen und verschwitzte Saiten ein. Das Publikum steht dicht, die Bühne noch dichter. Genau diese Intimität trägt „Lighthouse: Live From London“: Ein Abend, an dem Duff McKagan seine Songs nicht „performt“, sondern erzählt – ruhig, rau, und immer mit dieser unprätentiösen Direktheit, die man nicht üben kann. Der Konzertfilm macht daraus keinen Lookbook-Clip, sondern ein Zeitdokument: wenig Filter, viel Gefühl. Energiegeladen, emotional, authentisch – ja, ausnahmsweise stimmen die großen Worte hier.
Aufgenommen wurde am 5. Oktober 2024 in der ausverkauften Islington Assembly Hall, veröffentlicht wird am 31. Oktober 2025 über earMUSIC – als Digital, CD+Blu-ray und in mehreren 2LP-Varianten. Gemischt hat Martin Feveyear, seit Jahren eng an Duffs Seite.
Der Bogen, den McKagan hier spannt, ist seine Karriere: vom introspektiven Solo-Trip „Lighthouse“ (2023) über „Tenderness“ (2019, produziert von Shooter Jennings) zurück zu Loaded, Velvet Revolver und natürlich Guns N’ Roses. Dazu kommen Cover mit Haltung statt Nostalgie: The Stooges, The Crickets/Clash und David Bowie.
Analyse: Sound, Songs, Entwicklung
Der Sound sitzt zwischen Club und Kino: Trockene Drums, ein Bass, der nicht einfach brummt, sondern atmet, und Gitarren, die an den richtigen Stellen Luft lassen – Feveyears Mix hält die Saiten scharf und die Vocals vorn, ohne das Publikum zu plätten.
Die Band – Tim DiJulio, Jeff Fielder, Mike Squires, Michael Musburger – agiert wie eine verschworene Einheit: tight, doch nie steril, mehr „Atmen in der Pause“ als „Hacken auf die Eins“.
Stilistisch zeigt Duff erneut, warum seine Soloarbeit mehr ist als Nebenprojekt: Er nutzt Rock als Werkzeugkasten – von Heartland-Schimmer („Longfeather“) über punkiges Anrauen („Chip Away“) bis zum spartanischen Storyteller („This Is The Song“). Live werden die „Lighthouse“-Stücke kantiger: weniger Samt, mehr Splint; die Dynamik kommt aus Anschlag, Stille und Blickkontakt. „Fallen Ones“, aktuell als zweite Live-Single samt Video vorausgeschickt, wirkt auf der Bühne dringlicher – ein gutes Beispiel, wie die Texte im Raum aufgehen und die Hook erst im gemeinsamen Atemzug zündet.
Seine Entwicklung? Konsequent nach innen, ohne die Außenkante zu verlieren. Wo früher Adrenalin regierte, regieren heute Song und Silbe. Das Songwriting baut auf einfachen, belastbaren Formen – klassische Turnarounds, offene Akkorde, melodische Gegenläufe – und legt den Fokus auf Narrative statt Nacken. Reife klingt hier nicht weichgespült, sondern zweckmäßig.
Song-Highlights
- „Chip Away“ – Der Motor des Sets: punkige Hektik mit Grinsen, live noch schroffer, der Refrain sticht wie eine Reißzwecke. (Tracklist-Quelle)
- „Longfeather“ – Schon als Live-Single draußen; im Saal bekommt die Midtempo-Große-Geste genau die Kante, die sie brauchte. (Single-Hinweis/Tracklist)
- „Holy Water / I Wanna Be Your Dog“ – Der Mash-up-Moment; frommer Blick, dreckiges Grinsen – Duffs Humor in Akkorden. (Tracklist/Referenz Stooges)
- „Heroes“ (feat. Steve Jones) – Keine Denkmalschändung, kein Altarbau. Stattdessen ein ehrliches Schulter-an-Schulter mit Jones, mehr Straße als Museum. Das Video ist bereits online.
Die intime Atmosphäre des Konzertfilms
Die Regie hält drauf, wenn’s zählt: Close-ups statt Kranfahrten, Schweiß statt Sepia. Man hört die Raumantwort der Hall, das Rascheln zwischen den Songs, sogar dieses kurze, gemeinsame Einatmen vor einer heiklen Phrase – genau das macht Clubshows magisch. In „Lighthouse: Live From London“ wird die Kamera zum zusätzlichen Instrument, das Nähe erzeugt, ohne sich vorzudrängeln. Dass das Publikum mitspielt – mal andächtig, mal laut – ist hör- und sichtbar konserviert. (Film- und Venue-Angaben)
Gastauftritt mit Gewicht
Steve Jones schaut vorbei, nicht als Reliquie, sondern als Brandbeschleuniger: Johnny Thunders’ „Can’t Put Your Arms Around A Memory“ bekommt Kantenpflege, Bowies „Heroes“ funkt nicht in Pathos, sondern in Haltung – zwei Cover, die zeigen, wie man Klassiker nimmt, ohne sie zu verbiegen. (Gast/Tracks)
Fazit
„Lighthouse: Live From London“ ist kein Live-Best-Of für die Manteltasche, sondern ein dokumentierter Abend, an dem ein Musiker seine jüngste Werkphase auf die Straße schiebt – mit Bandchemie, die man riecht, und einem Ton, der große Hallen nicht vermisst. Wer Duff nur als Bass-Gunner kennt, wird überrascht sein, wie souverän er hier Song, Stimme und Story führt. Kleine Schrammen inklusive – und genau deshalb gut.
Album Review von Marcus Liprecht
Trackliste:
1. FORGIVENESS
2. CHIP AWAY
3. THIS IS THE SONG
4. I SAW GOD ON 10TH ST.
5. TENDERNESS
6. FEEL
7. HOLY WATER / I WANNA BE YOUR DOG
8. I JUST DON’T KNOW
9. FALLEN ONES
10. FALLEN
11. WASTED HEART
12. LONGFEATHER
13. JUST ANOTHER SHAKEDOWN
14. I FOUGHT THE LAW
15. YOU’RE CRAZY
16. LIGHTHOUSE
17. CAN’T PUT YOUR ARMS AROUND A MEMORY (FEAT. STEVE JONES)
18. HEROES (FEAT. STEVE JONES)
19. DON’T LOOK BEHIND YOU
Band: Tim DiJulio (Git.), Jeff Fielder (Git./Keys), Mike Squires (Bass), Michael Musburger (Drums) – Mix: Martin Feveyear.
Hinweis: Aufgenommen am 5. Oktober 2024 in der Islington Assembly Hall, London.




































