Die Broilers im Jahre 2007 – Wo stehen sie und wo wird die Reise hingehen?
Keine andere Band aus dem Oi! & Punk-Bereich hat bisher mehr musikalische Quantensprünge innerhalb des letzten Jahrzehnts gemacht als die Broilers aus Düsseldorf.
Eine fortlaufende Weiterentwicklung war stets das, was die Band ausgemacht hat. Experimentierfreude und der Mut zur Eigenständigkeit steht groß auf ihren Fahnen. Entsprechend viel Kritik – hauptsächlich aus dem Proll-Oi! Lager – müssen sie sich gefallen lassen. Wie berechtigt und konstruktiv diese ist, muss jeder für sich ausmachen.
Beeindrucken lassen sich die Jungs und das Mädel davon jedenfalls nicht – und das ist auch gut so! Denn Bands, die sich nicht weiterentwickeln und sich immer und immer wieder selbst im Kreis drehen, gibt es schon viel zu viele. Die Broilers sind da anders. Sie sorgen immer wieder für Überraschungen. Auch diesmal. Denn was bei „Vanitas“ abgeliefert wird, ist wahrlich etwas Besonderes. Der neue Longplayer ist mit dem 2004er Album „LoFi“ nur noch bedingt vergleichbar. Da ist man dankbar, dass man die 2 ½ Jahre bis zum neuen Album mit der Split Single, die man zusammen mit Volxsturm 2006 veröffentlicht hat, überbrückte. Dort konnte man sich schon einmal einen Zwischenstand zu Gemüte führen. Die Musik war noch experimenteller als sonst, irgendwie softer, aber dafür umso geiler. Besonders kritisiert wurde, dass Sammy, das Stimmorgan der Broilers, sehr hohe Stimmlagen an den Tag legte. Nun ist wieder knapp ein Jahr vergangen und es ist ein weiterer Fortschritt der Band spürbar. „Vanitas“ knüpft nahtlos an die „Good Fellas never split…“ Split Single an. Im Vergleich zu „LoFi“ ist der Sound etwas softer – auch verspielter, geht aber mindestens genau so gut ins Ohr und ins Blut über. Die Anlage sollte sehr laut aufgedreht werden und man sollte den Songs ein paar Eingewöhnungsdurchläufe geben, bis sie sich richtig in die Gehörgänge eingenistet haben. Doch im Gegensatz zum letzten Album geht es diesmal sehr schnell.
Mit den „LoFi“ Songs konnte ich anfangs beispielsweise gar nichts anfangen, diesmal spürt man schon beim ersten Durchlauf, dass es sich hier um sehr geilen Stuff handelt. Auch Sammy setzt seine Stimme wieder in jeglicher Form ein. Das verwöhnte Ohr des geneigten Hörers kriegt musikalisch auch wieder mehr geboten, als es sonst sowieso schon der Fall war. Der Grundtenor ist der typische Broilers-Punkrock, der schon seit dem zweiten Album „Verlierer sehen anders aus“ den Ton angibt. Desweiteren werden wieder altbekannte Stilmittel wie z.B. der Ska-Sound eingebaut. Cris, der jüngst der Band beigetreten ist, um die Musik mit dem Keyboard, der Orgel usw. zu unterstützen, sorgt für eine deutliche Duftnote, die einen nicht unbeachtlichen Teil dazu beiträgt, den Sound jenseits jeglicher Proll-Oi! und Proll-Punk Ebenen zu katapultieren.
Insgesamt wirkt die Musik sehr reif, noch immer eigenständig, verhältnismäßig massentauglich, ohne aber an Ehrlichkeit zu verlieren. Jeder, der auf die textlichen Ergüsse der Broilers steht, wird auch bei „Vanitas“ wieder das volle Programm abkriegen. Der Pathos kommt nicht zu kurz, auch Textstellen, die man sich als Slogans auf Shirts drucken könnte (wie „Statt der weißen Fahne werdet ihr meinen Mittelfinger sehen„) sind auch wieder zahlreich vorhanden und der Jokus kommt diesmal auch nicht zu kurz („…wir danken Hasselhof und dir für den Mauerfall“). Während der Song „Wir gehen schonmal vor“ die jugendliche Rebellion, respektive die Szene besingt, reiht sich der Opener „Zurück zum Beton“ würdig in die Reihe von Großstadtromantik Songs ein wie „Deine Stadt“ oder „König des Viertels„.
Was mich wundert ist, dass die Broilers auf diesem Album ausschließlich auf Deutsch singen. Da man diverse englischsprachige Ausflüge auf dem letzten Tonträger zu verzeichnen hatte, ging ich davon aus, dass man auch hier weiter anknüpft – gerade was das internationale Publikum angeht, wäre dies vorteilhaft gewesen. Aber dies zeigt nur wieder einmal, dass die Broilers allgemein die richtigen Prioritäten setzen – nämlich das zu tun, worauf man Bock hat und nicht, was mehr Hörer rekrutieren würde. Bei den ersten Durchläufen wirkt das Songpaket von „Vanitas“ noch etwas einheitlich. Erst bei genauerem Hinhören kristallisieren sich die Stärken der einzelnen Stücke heraus. „Vanitas“ braucht Zeit, wird dafür aber entsprechend lange in den Ohren und in den Anlagen der Hörer verweilen. Zwar liegt mir nur eine Promo-Version vor und somit nicht das endgültige Album. Trotzdem kann man sich schon ein wenig einen Eindruck vom Artwork verschaffen.
Sammy Amara hat sich dem auch diesmal wieder angenommen und schon allein das Cover und der „Vanitas“ Schriftzug sprengen wieder alle Erwartungen. Das Titelbild zeigt eine Collage eines Totenkopfes mit diversen Messern, einen Schlagring und einer Eieruhr, was für viel interpretatorischen Spielraum sorgt. Ein Intro und 18 Songs bei einer Spielzeit von satten 66 Minuten hat „Vanitas“ in petto. Bei so einer Masse an neuen Songs und Eindrücken ist es schwer ein gerechtes Bild des Albums sich nach kurzer Zeit zu verschaffen. Von daher belasse ich es hierbei.
Bisher kann ich das Album jedenfalls schon mal allen, die mit dem Werdegang der Broilers kein Problem haben, uneingeschränkt empfehlen. Die Hörerschaft wird auch mit diesem Album noch einmal gehörig wachsen.
Album Review von Sebastian Kuboth