Es gibt Platten, deren Veröffentlichung man sich über Monate herbei sehnt. Meistens dann, wenn die Vorgängeralben bereits eine besondere Rolle im Soundtrack des eigenen Lebens spielen. Man will mehr, kann es kaum erwarten, das neue Album in den Händen zu halten und zählt die Tage bis zur Veröffentlichung. Und dann ist es soweit, der lang ersehnte Tonträger ist ausgepackt, die Play-Taste mit zitternden Händen gedrückt und ernüchtert fragt man sich: „Wo sind die Falter in meinem Bauch?“
Santa Muerte: Die Anlaufphase
Der Moppel läuft nicht, der Moppel rennt!
Unterm Strich ist „Santa Muerte“ ein Album, das nicht auf Anhieb funktioniert und etwas Anlauf braucht, bis es vollends überzeugt. Doch gibt man der Platte etwas Zeit, wird man sie lieben lernen. Mit jedem Hören kommt ein neues Lieblingszitat hinzu und schon bald sind die Melodien nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen. So wird „In ein paar Jahren“, mit dessen Bollywood-Sound man sich anfangs nur schwer anfreunden kann, nach dem fünften Hören zu einem der stärksten Songs des Albums. Schon jetzt ist klar, dass „Tanzt du noch einmal mit mir“ ein Live-Klassiker werden wird und in „33rpm“ treffen sie den Nagel im Refrain mal wieder exakt auf den Kopf: „Ganz egal, ob ich Blut schwitz, bittere Tränen wein – alles erträglich, es muss nur immer Musik da sein!“
Nur ein Lied ist dabei, das einfach gar nicht geht – auch nicht nach dem 20. Anlauf. Sobald der der Song „Vom Scheitern“ mit einem säuselndem „Lala-leila-lala-lehhh…“ beginnt, macht sich Gänsehaut breit und zwar nicht, weil er so schön ist! Florian Silbereisen hätte an dem Zigeunercharme des Songs mit Sicherheit seine helle Freude, bei den Broilers muss man sich hingegen ernsthaft fragen, was Amara und den Rest der Truppe geritten hat, als sie ihn aufgenommen haben. Ein gelispeltes „Gracias“ in der zweiten Strophe setzt dem Ganzen die Krone auf – Enrique Iglesias lässt grüßen. Doch soweit kommt man in der Regel sowieso nicht, der Skip-Taste sei Dank. Für diesen Totalausfall gibt es einen Stern Abzug! Und das ist schade, denn der Text, der von gescheiterten Auswanderern handelt, ist richtig gut – das Drumherum leider eher weniger.
Wie das meistens so ist, gibt es auch auf diesem Album den einen Song, der alles raus haut und im Dauermodus läuft. Vielleicht, weil er gerade passt. Vielleicht aber auch, weil einfach alles stimmt: Melodie, Text, Stimme und Betonung. „Wie weit wir gehen“ ist die Nummer der Platte! Und der Meinung bin ich nicht nur, weil ich ein großer Mundharmonika-Freund bin. Gänsehaut – diesmal vor Begeisterung! Den verkackten Stern kriegen sie dafür zurück und kommen somit unterm Strich auf saubere fünf von sechs!
Eins steht auf jeden Fall fest: Die Broilers werden Geschichte schreiben, nicht den verdammten Einkaufszettel!
Review von Diana Ringelsiep