Nach gut zwei Jahren Pandemie finden seit Frühjahr 2022 endlich wieder Live-Konzerte statt. Und während die Clubs immer noch schwer an den Folgen von Corona leiden, erleben größere Festivals ungeahnten Zulauf. Profitieren von dieser Entwicklung können damit vor allem auch Headliner-Bands wie die „Broilers“.
Die Düsseldorfer beerdigen mit ihrem zweiten Live-Album „Puro Amor Live Tapes“ die Zeit der „Online-Wohnzimmerkonzerte“ hoffentlich für ein- und allemal, indem sie in gewohnter Art und Weise (vgl. „Santa Muerte Live Tapes“) dem Gemeinschaftserlebnis „Konzert“ huldigen. Die dreißig Lieder des Doppelalbums stellen einen repräsentativen Querschnitt des Schaffens der Band während der letzten Jahrzehnte dar. Wobei der Schwerpunkt zugegebenermaßen auf den letzten drei „reiferen“ Alben liegt. Dementsprechend „hört“ man sich auch diesmal langsam- vermutlich jedoch schneller als bei „Noir“- ein, aber mit jeder Liedwiederholung erkennt man mehr und mehr die Qualität und somit die wahre Größe der Songs, die naturgemäß nicht mehr ganz so jugendlich-subversiv wie früher klingen, jedoch in ihrer „Aussagekraft“ und damit an „Reichweite“ gewonnen haben. Als persönliches Lieblingsbeispiel dient „Diktatur der Lerchen“, welcher mit Ironie und Witz charmant die preußische Tugend des frühen Aufstehens kritisiert.
Weiterhin können die beiden Lieder „Da bricht das Herz“ und „Alice und Sarah“ richtige Ausrufezeichen setzen, obgleich sie musikalisch im Vergleich zu den Relikten „Meine Sache“ oder „Zurück zum Beton“ unauffälliger und weniger „brachial“ vorgetragen werden. Neben aller Politik darf auf einem Broilers-Album der Humor auch diesmal nicht zu kurz kommen, wenn beispielsweise im Anschluss an den Song „Schwer verliebter Hooligan“ „Paul der Hooligan“ folgt. Schön, wenn man so selbstironisch auf den einen oder anderen Song aus den Anfangstagen blicken kann, ohne diesen zu verleugnen. Ebenso wenig wie die Alkohol-Eskapaden, die „In 80 Tagen um die Welt“ beschrieben werden. 2022 wird dieses Lied durch „Trink mich doch schön“ ergänzt. Letzteres beschreibt die negativen Seiten des Suffs.
Insgesamt gibt es wenig Zeit für Melancholie und Trübsal, denn der Sänger Sammy versteht es, im lockeren Plauderton das Publikum zu unterhalten. Glücklicherweise dauern diese Ansagen nicht ganz so lange wie bei anderen Bands, denn meines Erachtens überzeugen die Broilers vor allem als Live-Band immer noch am besten durch ihren „Musikstilmix“ und weniger durch kreative Ansagen oder bombastische Lichteffekte (…).
Der Sound der Broilers wechselt bei „Puro Amor Live Tapes“ stetig zwischen den Genres, bedient sich vornehmlich im Rockgenre, wechselt gerade bei frühen Werke zum härteren Oi!Punk und experimentiert immer wieder mit tanzbaren Ska-Elementen. Noch abwechslungsreicher wird er durch den temporären Einsatz eines Keyboards.
Und, das muss man wohl so sagen, er lebt von der Authentizität der fünf Freunde, die seit Jahren gemeinsam spielen und dabei stets alles geben, egal, ob sie beim „Rock am Ring“ oder im kleinen, subkulturell geprägten Club auftreten. Das honorieren die Fans, und zwar sowohl die aus den Anfangstagen wie auch die neueren. Gemeinsam bilden sie mit der Band eine Einheit, die live überzeugt. Auch im heimischen Wohnzimmer!
Fazit: Das Album darf in keinem Fan-Plattenschrank fehlen und ist ebenfalls für neugierige, noch Broilers-unerfahrene, Rockfans eine gute Gelegenheit des Kennenlernens und- möglicherweise- der Beginn einer neuen Leidenschaft. Ob ich trotz der ganzen Lobhudelei noch was kritisieren will? Ja, ich persönlich hätte ein paar Lieder der ersten Alben durch andere ersetzt, zumal sich einige davon bereits auf dem ersten Live-Album befinden. Aber ok, sie gehören zur typischen Broilers-Show dazu und damit kann ich, angesichts des Gesamtergebnisses, recht gut leben.
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Album Review von Sven