Fashionweek

In wenigen Tagen beginnt das Zittern für alle, die auch nur latent etwas mit Mode zu tun haben. In Berlin beginnt, wie auch sonst zwei Mal jährlich, die Mercedes Benz Fashion Week.

Mit ihr versammeln sich alle essentiellen Dinge in Sachen Mode in der Stadt. Egal ob ausgelassene Partys, exklusive Releases, periphäre Events, nebenbuhlende Catwalks oder pompöse Modemessen, die Hauptstadt wird pünktlich zur neuen Saison eingekleidet, geschminkt und vor ein ungeduldiges Publikum geschickt.

Berlin gilt gemeinhin nicht als Weltmetropole in Sachen Fashion. Bis heute hat sich noch kein internationaler Designer, kein Label von Topform (mit Ausnahme von Hugo Boss) dazu verleiten lassen, seine neuesten Kollektionen und Models auf die deutschen Laufstege zu schicken. Was für die Haute Couture ein Verlust ist und regelmäßig kritisiert wird, könnte für die kleine verwahrloste Schwester – Street Couture – ein Gewinn sein, genauer gesagt: ein Gewinn an Aufmerksamkeit.

Denn wo, wenn nicht im liberalen, offensiven und entspannten Berlin, sollte Streetwear sonst so viel Eindruck hinterlassen? Hier muss man weder Gucci noch Chanel tragen, um in die angesagtesten Clubs und Restaurant zu kommen. Nike Air Max und Penfield Jacken hingegen könnten zur Etikette dazu gehören. Von Berghain bis SoHo-House werden in den angesagten Spots der Stadt vor allem die Streetwear-Labels gesichtet. Keine hohen Hacken, keine Nerze, keine extradünnen Models, keine Hochsteckfrisuren, keine Anzüge, keine verschwendeten Euros. In Berlin hat man kein Geld für das, was in New York essentielles, soziales Gut ist.

Das könnte ausschlaggebend für den Erfolg von Modemessen wie der Bread & Butter und neuerdings der Capsule Fashion Show sein. Die Macher beider Veranstaltungen wissen wohl um das kostbare Interesse der Hauptstädter und rücken vor allem die Streetwear-Labels höheren Grades auf ihren Shows in den Mittelpunkt. Von Nike über Vans bishin zu kleineren Labels wie Wood Wood und Norse Projects werden lokale und internationale Brands gezeigt, die sich nicht mal in der Nähe der Star-Designer aufhalten und doch die Massen in Staunen versetzen können.

Die Capsule Fashion Show ist erst seit einigen Saisons in Berlin. Die Modemesse verhält sich zur Mode wie ein reisender Kurator. Hinter der Show steht eine New Yorker Modeagentur, die sich auf zeitgenössische, kontemporäre, elegante und hochwertige Streetwear spezialisiert hat. Auf der Capsule werden vorsichtig und bedeutsam die aktuellsten Kollektionen verschiedener Designer ausgewählt und, wie auf einer Kunstaustellung, sorgfältig zu einer Trend-Vohersage zusammengestellt. Die Standortwahl dürfte hierbei eine große Rolle spielen, denn die jeweiligen Shows setzen sich aus lokalen Underdogs der Gastgeber-Städte und vereinzelt einigen großen Streetwear-Namen zusammen. Dass Berlin ganz oben auf der Liste der inspirierenden Städte steht, die viele junge Talente in Sachen Streetstyle gebärt, dürfte klar sein. Dass auch Las Vegas – die neueste Stadt des Capsule-Universum – dazu gehört, könnte eine Neuigkeit sein. Tatsächlich verhält es sich bei der Party- und Glücksspielstadt ähnlich wie mit Berlin. Das Profil ist eines, dass nicht zur Haute Couture der Schönen und Reichen passt. Stattdessen entwickelt sich im Schatten des Geldes eine neue Szene. Die wollen die Macher der Capsule wahrscheinlich einfangen, bevor es jemand anderes vor ihnen tut.

Mit der Capsule haben die bisher leicht übersehenen Designer aus den teilnehmenden Städten (dazu gehören auch Paris und New York) auch die Gelegenheit, ihre Stücke international zu verbreiten. Denn was etwa im Venetian Casino Resort in Las Vegas gut angekommen ist, könnte bald schon in Paris oder Berlin auf der Capsule auftauchen. Auch das ist ein ungehöriger Mehrwert für die Modewelt, die sich keine Marketingbudgets hochpreisiger Labels leisten kann.

Kommentiere den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte Namen eingeben