39 Bands und tausende Metal-Fans besuchten vom 18.-20. Juli das Rock am Stück Festival in Fritzlar. Reporterin Annie und Konzertfotograf Marcus Sielaff waren dabei.

Tag 1 – Welcome Rockers!

Nachdem Fritzlar mit seiner mittelalterlichen Atmosphäre hinter uns liegt und wir das kleine Örtchen Geismar durchquert haben, fragen wir uns: sind wir HIER richtig? Hier, wo sich Hase und Igel „Gute Nacht“ sagen, kleine Flüsschen durch idyllische Wiesen plätschern, die Vögel zwitschern, die Bienen summen… ihr könnt es Euch vorstellen, oder? Als man sich schon fragt, was eigentlich diese Ruhe stören kann, taucht wie aus dem Nichts ein graubärtiger grinsender tätowierter Typ mitten auf der kleinen Landstraße auf, hält uns die Hand entgegen: „Halt, Stop!“ …der Parkplatzeinweiser natürlich… Nach und nach erscheinen rechts und links der Straße die ersten Zelte und Wohnwagen und mitten auf der grünen Wiese steht ein schnuckeliges Fachwerkhaus mit dem fetten schwarzen Banner „Welcome Rockers!„. Man fühlt sich sofort zuhause…
Als wir ankommen, läuft auf der kleinen Bühne bereits das Finale des GiroYoung Bandcontests mit den drei Finalisten-Bands Beyond the Ocean, Hollowed und Broken Resistance. 

Schnell wird klar: hier findet ein mit viel Herzblut und top organisiertes kleines Festival statt: um die große Bühne herum gibt es die für jedes Festival obligatorischen Fress-, Klamotten,-und Bierbuden. Noch leer gähnt uns die RaS Mainstage entgegen, als allerdings pünktlich 16.45 Uhr Human Zoo als erste Band die Bühne eröffnen, wird’s schon amtlich, hier fliesst purer Hard Rock durch die Venen! Die Stimme von Sänger Thomas Seeburger würde Axl Rose glatt vor Neid erblassen lassen und auch die durch einen (ungewöhnlich!) Saxophonisten ergänzte Show lässt das Rockerherz vor Freude tanzen.

Zweite Band sind Iron Bastards aus Strasbourg und hey: „Es gibt tatsächlich englischsprechende Franzosen auf diesem Planeten…!“ So das Statement eines neben mir stehenden Konzertbesuchers. Schon bei den ersten Takten nicht zu überhören: ganz klar standen hier Lemmy und seine Jungs als Vorbilder zur Stelle, aber es wird gut abgeliefert und Langeweile kommt nicht auf.

Als nächstes gibt’s für mich die Überraschung des Tages : die schwedische Band Manimal. Die schwarz gekleideten Typen mit den „Panda-Augen“ sehen erstmal echt harmlos aus, allerdings folgt feinster Power Metal mit Hammerstimme! Letzer Song wird in Zwangsjacke performt. Der kleine Regenschauer stört niemanden, die Leute haben Spaß und tanzen und headbangen, was es Zeug hält.

Die vierte Band auf der großen Bühne sind Elvenking: Nebelschwaden wabern über die Bühne,  es wird mystisch! Es finden sich 6 „angemalte“ teils bärtige langhaarige Typen ein, echt interessant zu hören (für mich Premiere): eine Geige zusammen mit harten Gitarrenriffs. Allerdings muss ich feststellen,  dass Folk Metal nicht so mein Ding ist.

Headliner des Abends sind die Mittelalter-Band Tanzwut. Wir fragten uns, woher der Name stammt: im 14. Jahrhundert tanzte man, um der Pest zu entkommen bis zum absoluten Zusammenbruch,  man hatte „Tanzwut“. Eröffnet wird hier heute mit der „Ode an die Freude“ und ich glaube, Herr van Beethoven hätte eine große Freude an dieser auf dem Dudelsack dargebotenen Variation seines Werkes gehabt! Sehr beeindruckend und so gar nicht mittelalterlich verstaubt hören sich die Trommeln und Dudelsäcke an, auch die Feuershow trägt zur ganz eigenen Magie der in Berlin gegründeten Truppe bei. Sänger Teufel mit seiner niedlichen roten Hörnchenfrisur und fluoreszierender Schminke bietet Futter für die Augen,  kann mich aber stimmlich nicht so ganz überzeugen.

Rock am Stück Tag 2 – „Nice Boys don’t Play Rock’n Roll“

Als wir heute aufs Festivalgelände kommen, erleben wir es deutlich gefüllter als gestern. Es ist alles dabei zwischen 9 und 90 Jahren, wir sehen kleine Jungs mit Kuscheltier im Arm im Iron Maiden-Shirt und große Jungs mit Rollator und langem weißem ZZ Top-Bart. Die Sonne brennt vom blauen Himmel, die ersten Gitarrenklänge erschallen schon wieder, das Bier fließt in Strömen: das Leben kann soooo schön sein!

Band eins, die ich heute auf der Mainstage sehe, sind Ostfront. Und ich kann Euch nur sagen, wer sie nicht kennt von Euch, der provokant abschreckende Name hat nicht zu viel versprochen. Ich sehe martialische geschminkte Menschen mit Masken, blutigen Fleischerschürzen, es fühlt sich an wie ein einziges Gemetzel auf der Bühne. Was mich allerdings sehr vom musikalischen Teil  der Darbietung ablenkt,  die Musik ist irgendwie durch die gekonnt bösartige Inszenierung komplett an mir vorüber gegangen.

Danach entern die adrett in Schlips und Kragen gekleideten Jungs von Pyogenesis die große Bühne-was für ein visueller Kontrast zur vorigen Band! Hier sieht man schon mal Groupiemädchen, die sich kreischend in die erste Reihe drängen, um ja von Frontmann Flo V. Schwarz (der als Produzent u.a. auch für Montreal, ZSK und Sondaschule  tätig war) nicht übersehen zu werden. Das ganze Programm mit Seifenblasen und Feuerfontänen wird aufgefahren von der Band, es wird ins Mikro gegrölt, was das Zeug hält. Zwischendurch gibt’s auch mal etwas melodischere Töne,  aber insgesamt isses nicht so meins.

Aber jetzt: ganz großes Kino! Rose Tattoo auf der Mainstage beweisen, daß es für gute Rockmusik kein großes Intro, Feuerfontänen oder Schminke braucht. Völlig unaufgeregt stehen sie auf der Bühne ohne großartige Ankündigung und Tralala. Frontmann Angry Anderson mit seinen über 70 liefert ab und der kleine Mann mit der großen Stimme bringt das Gelände das erste Mal so richtig zum Kochen! Spätestens bei „Nice Boys don’t Play Rock’n Roll“ gibt’s kein Halten mehr, es wird gemeinschaftlich durchgedreht. Mr. Anderson entdeckt eine Wasserflasche auf der Bühne und fragt mit seinem sympathischen Grinsen in die Menge, wofür das denn sei…achselzuckend öffnet er die Flasche und wäscht sich damit unter den Achseln, um darauf erstmal einen guten Schluck Whisky aus einer anderen Flasche zu nehmen. Er ist einfach trotz seiner geringen Körpergröße ein ganz ganz Großer und agiert gekonnt mit seinem Publikum. Ein absolut überzeugender Auftritt, meine Lieblingsband auf diesem Festival. 

Die Headliner heute Abend gehen dann  aber in eine völlig andere musikalische Richtung: die Menge erwartet Eisbecher aus Bayern mit dem ganz großartigen „Verführer der Massen“ Alexander Wesselsky ganz vorn. Man merkt sofort, daß hier ein absoluter Medienprofi am Start ist, denn Alex alias „Der Checker“ präsentiert sich und seine Band in einer gut durchchoreographierten Show. Mit viel Stimmgewalt und Präsenz auf der Bühne schippert er sogar mit seiner Darbietung vom Biene Maja-Titelsong nicht in peinliche Gefilde. Auch Herr Wesselsky kommt trotz des ganzen Trara um seine Person sehr sympathisch rüber: „Vielen Dank an die komplette Cew, die so ein kleines feines Festival hier möglich macht!“

Und dem kann ich mich wirklich nur anschliessen: Ein fettes Dankeschön an die vielen RaS-Crew-Mitglieder, die permanent über’s Gelände wuseln und sogar für Klopapier in den Dixies (!!!) sorgen und immer ein Lächeln auf den Lippen haben.

Tag 3 – „Fick das System“

Eigentlich wollen wir erstmal schnell ins Pressezelt, um unser Gepäck abzuladen, aber dann kommen wir einfach nicht vorbei an der Mainstage, auf der Null Positiv gerade ihre Show starten. Diese düster schöne Frontfrau mit ihrem abwechselnd grölenden und melodischen Gesang und die harten Gitarrenriffs fesseln uns. Katzenartige Mädchenwesen in Netzbodies kriechen über die Bühne und Marcus holt sofort die Kamera raus, los geht’s in den Endspurt des tollsten Festivals seit langem.

Auf der kleinen Bühne finden wir danach Godsnake aus Hamburg. Die Jungs machen echt Spaß beim Zuhören und Zuschauen. Die Ansage vom sehr präsenten Frontmann Torger: „Wir hauen Euch ein bisschen auf die Mütze!“ kommt sofort an beim schnell wachsenden Publikum und man sieht bei den amtlichen Metal-Klängen schon wieder die ersten Haare fliegen.

Toxpack aus Berlin auf der großen Bühne haben mich bisher nur vom hören noch nicht so begeistert, allerdings sind die Jungs live durchaus ein Brett. Es gibt ja so Bands, die man erstmal live gesehen haben muss, um sie zu mögen und die Berliner Jungs gehören definitv für mich jedenfalls dazu. Sänger Schulle hat sein Publikum absolut in der Mangel und es ist den Leuten spürbar egal, dass der Himmel sich immer mehr zuzieht und das erste Grollen von oben zu hören ist.  Jetzt gibt’s noch ein bisschen Pogo mit Ansage, die ersten Tropfen fallen vom Himmel-stört hier aber niemanden.

Die nächste Band sind Hämatom auch auf der Mainstage. Mal wieder böse Masken und viel Schminke auf der Bühne,  das ist ein Aspekt dieses Festivals,  der -mich jedenfalls- etwas zu langweilen beginnt. Allerdings ist die Hütte jetzt richtig rappelvoll und obwohl es wie aus Eimern giesst, feiert die Menge ihre Lieblingsband richtig , immer wieder wird der Bandname skandiert und als der Bassist dann seinen funkensprühenden Zopf im Takt schleudert, gibt es kein Halten mehr. Die Mittelfinger fliegen bei „Fick das System“ nur so durch die Luft. Hämatom rocken das üble Wetter so richtig weg, der Himmel wird zauberhaft rosa. Die Massen jubeln, als der Drummer trommelnd auf einem Brett samt Schlagzeug über’s Publikum getragen wird.

Die letzte Band,  über die ich heute noch etwas loswerden will, sind natürlich die absoluten Headliner der letzten 3 Tage: Airbourne. Bereits als Vorband von Volbeat in Berlin haben die Australier mich vor ein paar Jahren komplett weggepustet, deshalb waren meine Erwartungen dementsprechend hoch. Und diese Erwartungen wurden nochmal bei Weitem übertroffen. Nebelschwaden wabern, eine krasse Lichtshow ist am Start, die fette Marshall-Lautsprecher-Wand im Hintergrund verspricht feinste Klänge und spätestens als das „Sahneschnittchen“ Joel wie immer oberkörperfrei im gewohnten AC/DC -Gehopse die Bühne entert, kreischen Männlein UND Weiblein vor der Bühne.  Die Jungs batteln sich mit ihren Gitarren vor der Boxenwand, Joel wirbelt wie ein Derwisch durch die Gegend und natürlich: auch dieses Mal muss er unbedingt wieder sogar mehrmals eine Bierbüchse auf seine eigene Art und Weise öffnen: die volle Dose wird so lang gegen seinen Kopf gehämmert, bis der Inhalt durch die Gegend spritzt und dann gibt’s ne Bierdusche für’s Rockervolk. Ich habe definitiv noch keinen anderen Musiker erlebt, der auf der Bühne dermaßen eskaliert, aber es ist einfach pure Freude beim zuschauen und zuhören! Ein dickes Danke nach Downunder für diese geile Zeit!!!

Leider war’s das für dieses Jahr hier in Fritzlar,  allerdings muss ich wirklich aus tiefstem Herzen sagen: die Jungs und Mädels hier können etwas, was Berlin leider nicht kann-nämlich ein feines gut durchorganisiertes Festival aus dem Boden zu stampfen, zu dem man gern wiederkommt.  Wenn ich 3 Wünsche frei hätte für nächstes Jahr,  dann wären das: WLAN, Duschen auf den Campgrounds und Plastikbecher MIT Pfand.
Das war’s von mir für dieses Jahr…Eure Annie

Wenn ich 3 Wünsche frei hätte für nächstes Jahr,  dann wären das: WLAN, Duschen auf den Campgrounds und Plastikbecher MIT Pfand.
Das war’s von mir für dieses Jahr… Eure Annie

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