OpenFlairFestival Foto:Dennis Schmelz
Open Flair Festival 2014 - Foto: Dennis-Schmelz

Das diesjährige, bereits früh ausverkaufte, Open Flair Festival war das Größte, das Eschwege je gesehen hat. 16.000 Besucher feierten Bands wie NOFX, Bad Religion, No Use for a Name und die Broilers und verbrachten zusammen ein äußerst amüsantes Wochenende. Was die Besucher in eine derartige Euphorie versetzt hat, erfahrt ihr im Pressure Open-Flair-Bericht.

Die Pressure Redakteure Diana und Volker waren vor Ort und haben einen umfangreichen Festivalbericht mitgebracht. Die Interviews, die sie auf dem Open Flair Festival mit Sondaschule, den Broilers, Liquid Lightning und Timid Tiger geführt haben, sowie die dazugehörigen Fotos folgen etappenweise über die nächsten Wochen.

Donnerstag – 12.08.2010

Den Part mit der Anreise überspringen wir einfach mal, denn die war in etwa so voller Überraschungen wie ein neues Album von Motörhead. Fangen wir stattdessen mit den ersten Bands auf der Seebühne an, denn das eigentliche Festivalgelände ist Donnerstag abends noch nicht geöffnet. Dafür regnet’s leicht, was aber auch niemandem vom Abfeiern von Mr. Irish Bastard abhält. Die machen ihre Sache, die irgendwo zwischen Dropkick Murphys, Folk und Traditional dahindümpelt, ganz prima und nach einigen Bier ist das mit dem Regen auch nicht weiter wild. Bleiben noch Mofa, die nach den irischen, unehelichen Kindern dran sind und wie immer in Tennisklamotten spielen. Anfangs will das nicht so richtig ins Ohr, gegen Ende dagegen will’s kaum mehr raus – die erste Überraschung des Abends. Und direkt auch die letzte, denn da die Wiese mittlerweile eine überdimensional große Schlammgrube ist und mehr oder weniger Beck’s da auch nix mehr reißen, wird der Heimweg angetreten. Sondaschule dann ein andermal, Großstadtgeflüster weine ich auch nicht unbedingt nach.

Freitag – 13.08.2010

Die Vorteile von achteinhalb Stunden Feldbett-Schlaf wollen sich Freitag noch nicht so ganz zeigen. Mit fortschreitender Uhrzeit kann der Tag allerdings richtig was, denn die Sonne scheint, das Frühstück ist verdammt oppulent und gegen 13:45, als No use for a name die Bühne betreten, ist auch schon ordentlich was los. Heute ist sowas wie der Fat Wreck-Tag, denn neben dem Opening-Act stehen noch Lagwagon, NoFX und Mad Caddies auf dem Plan – hier hat jemand scheinbar das halbe Label gebucht, aber gut, das Line-up ist dieses Jahr insgesamt eher punklastiger, das passt dann schon.

No use for a name machen ihre Sache übrigens sehr gut, ernten dafür verdientermaßen Applaus und einen BH aus dem Publikum und verabschieden sich fast schon zu früh, um Platz für Liquid Lightning zu machen. Die haben den hiesigen Bandcontest gewonnen und spielen in etwa so, wie man sich eine Band vorstellt, die einen Bandcontest gewinnt. Ich sehe mir das aus sicherer Distanz im Schatten an und frage mich, wer mir das Beck’s in die Hand gedrückt hat. Da ich von selbigen übrigens partout nicht betrunken werden kann (einige sehr ausführliche Feldversuche belegen dies empirisch äußerst eindrucksvoll), dürfte das ein langer Tag werden.

Der mit Lagwagon zwar ganz lustig weitergeht, aber auch nicht unbedingt den Bringer liefert. Ehrlich: No use waren irgendwie sympathischer, haben ihr Zeug besser runtergespielt. Aber gut, dauert ja eh nicht lange, dann kommen Therapy? auf der Hauptbühne. Und wie gut die sind, muss weiter nicht erklärt werden. Ich schaue mir das von der Tribühne links der Hauptbühne aus an und bin nach drei Songs der Meinung, nix anderes als ein „Verdammt nice“ sagen zu müssen und mich damit auf die Suche nach der ebenfalls anwesenden Kollegin zu machen. Die in der Nähe des VIP-Bierzeltes beim Interviewvorbereiten gefunden wird.

Etwa zweieinhalb Beck’s und diverse Fachsimpeleien später entern Skindred die Freibühne und ich beschließe, da nun nicht hin laufen zu müssen, der Sound ist auch hinter der Hauptbühne ganz gut zu hören. Irgendwie schaue ich dann doch noch kurz vorbei und finde den Mix aus Raggae, Dub und Hardcore verdammt gelungen, den Frontmann extrem charismatisch und die Band insgesamt auf ziemlich hohem Niveau.

Das von Blumentopf allerdings lässig übertroffen wird. Die Münchner sind sowas von angenehm auf der Hauptbühne, die neuen Songs der „Wir“ ziehen allesamt und überhaupt: Zeit für mehr Bier, während sich die Band nach einem unglaublichen Freestyle-Part absichtlich mit Bierbechern bewerfen lässt (und damit einiges in die Kassen von „Viva con Aqua“ spült).

3 Feet Smaller lasse ich zugunsten eines erstklassigen Platzes auf der Tribühne sausen und bin da weiter auch nicht sauer drüber. Denn um 20 Uhr kommt der persönliche Höhepunkt des Tages und das mit einer Energie, dass niemand stehen bleibt. Was NoFX auf der Bühne abliefern, ist einfach nur groß, gleichermaßen routiniert wie unterhaltend, schnell und arschtretend. Der King ist allerdings ein Security-Mann, der lässigst mit Hut und Sonnenbrille vor der Bühne steht und schon mal mit der einen oder anderen Crowdsurferin, die da angeflogen kommt, ein Tänzchen abzieht, ehe er sie wehschickt. Dazu der Typ mit dem Feuerwehrschlauch, der immer mal wieder in die Menge hält, was bei einsetzendem Regen zwar recht sinnfrei ist, aber lustig aussieht. Überhaupt mal großes Lob an die Security, dafür dass sie trotz anstrengendem Job freundlich bleiben und damit alles andere als typische Vertreter ihrer Art sind. Ansonsten: NoFX haben sichtlich Spaß dran, das Publikum liebevoll zu beleidigen, sämtliche Hits die man erwarten konnte zu spielen und nach eineinhalb Stunden, die unter anderem auch noch entblößte Brüste weiblicher Fans beinhaltet haben, die Bühne zu verlassen. Fuck, war das… gut!

Der Rest des Abens ist schnell erzählt: Bier, mehr Bier, Africola, dann wieder Bier, Levellers verpassen, vor der Bühne bei Jan Delay stehen, selbigen spätestens als er House of Pain klaut nicht mehr mögen, noch mehr Bier, Mad Caddies sausen lassen (ist ja auch die Kollegin vor Ort und geht hin, passt also), auf dem Weg nach draußen noch kurz Götz Widmann schauen, eine Worscht holen und dann irgendwann etwas länger nach Mitternacht mit der Erkenntnis, dass Beck’s auch nach zehn Stunden nicht abzudichten vermag, auf dem Feldbett seeligst wegdämmern. Aber sowas von.

Samstag – 14.08.2010

Da schau mal an: Das Wetter ist merklich besser und schon gegen elf rum ist der Platz schön staubig, müllübersät und einige Tassen Kaffee später die Welt im großen und ganzen in Ordnung. Die paar Stunden bis zu den Broilers verfliegen zügigst und gegen drei Uhr hat sich nicht nur eine ansehnliche Crowd vor der Nebenbühne eingefunden, sondern die Sonne auch noch beschlossen, ohne Wolken davor auf selbige niederzubrennen. Kaltgetränke schaffen keine Abhilfe, vor allem, da es ab nun eh noch heißer wird.

Denn die Düsseldorfer versprühen einfach nur unbändigende Energie. Egal ob bei neueren oder alten Songs, selbst Slime-Coverversionen kommen bestens rüber. Wie verdammt weit sich die Band mittlerweile entwickelt hat, sieht man nicht zuletzt daran, dass man auch bei derben technischen Problemen noch die Ruhe bewahrt, Witze reißt und dann nochmal von vorne loslegt. Eigentlich fast zu schade, dass es nach einer schweißtreibenden Stunde schon vorbei ist.

Ohne große Pause direkt zu Against me! auf die Hauptbühne. Die spielen mehrheitlich Material der „New wave“ und „White Crosses“ und das kommt sehr gut rüber. Die Freude an der Arbeit ist dem Vierer zu jeder Sekunde anzusehen und glücklicherweise gibt’s derweil auch einige Wölkchen, diese Sache mit der Sonne und dem Bier wird nämlich immer böser.

Turbostaat werden dafür nur von weitem vernommen. Was vermutlich kein Verlust ist, aber auch nicht derart mies klingt. Hätte man sicher anschauen können, aber nicht müssen. Passt also schon alles. Gleiches gilt für Gaslight Anthem, deren „American Slang“ als Opener zwar zu gefallen weiß, aber denen es ansonsten einfach an wirklich eingängigem Material mangelt – für meine Verhältnisse. Dann lieber Against me!, die komischerweise gar nicht mal so unähnlich klingen, wenn man sich einzelne Songs so anhört. Aber gut, no offense, alles Liebe und Frieden hier.

Da wir es grade davon haben: Jochen Distelmeyer bekommt leider nicht die verdiente Aufmerksamkeit, vermutlich aufgrund des teiweise eher jüngeren Publikums oder einfach, weil der eine oder andere das mit der Sonne und dem Bier ein wenig zu locker sah. Gut, so steht halt eine überschaubare Traube Menschen vor der Bühne und erfreut sich am Solo-Output des ex-Blumfeld-Mannes. Selbiger ist hier und da schon schwerer als zu Hamburger-Schule-Tagen, dabei aber immer noch mehr rock als das Gepose diverser Bands, die den Abend über noch anstehen. Gut, mangels großer Ansagen abseits eines gelegentlichen „Danke, ihr seid sexy“ wirkt er halt ein wenig distanziert, das mag nicht jedermanns Sache sein. Trotzdem schade.
Und damit ab richtung Zelt, das rumstehen macht sich bemerkbar. Hier derweil gibt’s Kaffee und nach ein wenig basteln sogar Strom, damit das mit dem tippen auch noch klappt. Dafür werden Ska-P verpasst, beziehungsweise aus einer Distanz von 50 Metern Luftlinie mit mehreren Zelten und Absperrungen dazwischen wahrgenommen. Und natürlich für ganz angenehm befunden, aber das war davor ohnehin schon klar. Die letzten 15 Minuten der Show ist der ansonsten eher faule Redakteur dann doch geneigt, sich aus dem Zelt zu bequemen und den Spaniern die volle Aufmerksamkeit zu widmen. Dafür gibt’s dann auch einen bis auf die Unterhose (nicht Boxershort) strippenden Sänger und jede Menge gute Gründe, dem Kaffee ein Bier folgen zu lassen.
Bleiben die Hives. Ach ja, die Hives. Man mag sie ja nicht so recht mögen, aber einzelne Songs kennt man dann ja auch im Schlaf. Sagen wir einfach die dauernden Labereien des Sängers nerven, dieses „Bitte, mehr Applaus“ motiviert halt echt niemanden und Rockstar-Allüren sind eigentlich auch nicht lustig, es sei denn man spielt in einer Metalband aus L.A., da geht das. Insofern werden die Hives vorzeitig verlassen und damit der Heimweg angetreten. Ein wenig ärgert es ja doch, dass ich es dann nicht zur Seebühne geschafft hab, wo Dendemann spielt. Der hätte nämlich garantiert mehr gelohnt. Und damit gute Nacht.

Sonntag – 15.08.2010

Der letzte Tag beginnt mit einer Hymne auf das Personal. Bei denen sitze ich hier seit dreieinhalb Tagen nun und werde bestens verpflegt, genährt und umsorgt. Im Ernst: Die Jungs und Mädchen schmieren nonstop Brötchen, tragen gigantische Mengen Nahrung von a nach b und schuften sich hier ehrenamtlich einen ab. Dafür fetten Respekt – wohlwissend, dass es den einen oder anderen Headliner gibt, der sicher nicht mal in der Lage wäre, eine Scheibe Brot zu schneiden.
Apropos Headliner: Davon stehen heute noch einige an, allen voran natürlich Bad Religion. Die treten in gut acht Stunden hier auf und bis dahin bleiben diese grauen Wolken bitte nur grau. Ach ja, Papa Roach kommen ja auch noch, in etwa vier Stunden dann. Bis dahin kann’s gern ein wenig regnen, Schlammschlacht vor der Hauptbühne klingt gerade äußerst attraktiv – wenn man so von seitab zuschaut.
Was dann auch passiert ist. Papa Roach klingen live in etwa so wie auf Platte, spielen sich quer durch das eigene Portfolio und gehen dabei alles andere als routiniert oder distanziert zu Werke. Im Gegenteil, der Sänger beweist, dass er schneller durch das Publikum rennen kann als der Security, der ihm hinterherhechtet und das sieht so von der Tribühne aus betrachtet schon ganz lustig aus. Ganz lustig kommt dann auch die Ansage „Look at those people at the vip – they think they are sooooo special“ rüber, die vor „Hollywood Whore“ gemacht wird. Von 5.000 Teenie-Kehlen ausgebuht zu werden ist selbst für den versierten Musikredakteur von Welt eine neue Erfahrung. Aber gut, war ja als Spass gemeint, nehmen wir es mal nicht übel. Denn die Show ist wirklich gut, macht Spass und ist nach einer Stunde eigentlich fast zu früh rum.
Wäre da nicht diese Sache mit dem Regen. Die das Flair für mich dann eben doch vor Bad Religion enden lässt. Während die spielen, bin ich irgendwo auf der A5 Richtung Frankfurt unterwegs und bekomme im HR3 noch mit, dass es in Eschwege weiterhin regnet, die Stimmung aber bestens ist und sich die Meute auf Wir sind Helden und Fettes Brot freut. Brauch ich beide nicht wirklich. Und Bad Religion finden sich im Portfolio der live zu sehenden Bands ohnehin schon längst in der Rubrik „erledigt“. Passt also alles.

Fassen wir zusammen: drei Tage ok-Wetter, ein Tag Mistwetter, super-relaxte Securities, die wohl die Freundlichsten sind, die ich bislang auf einem Festival gesehen habe, dazu ein arg punklastiges Billing (verglichen mit dem letzten Jahr), ein eher jüngeres oder zumindest jung gebliebenes Publikum und glücklicherweise kein Heavy Metal. Dazu die freundlichen Menschen der Mitarbeiterverpflegung, die mich drei Tage lang mit qualitativ hochwertig geschmierten Brötchen und Cola versorgt haben. Dafür nochmals ein großes Danke und das Fazit in aller Kürze: Hey, das war ein verdammt gutes Festival, bis 2011 dann!

Festivalbericht von Volker // Fotos: Diana, bis auf das Teaserbild: Open Flair

Übrigens: Das 27. Open Flair findet vom 11.-14. August 2011 statt.

Mehr zum Open Flair Festival:

Offizielle Webseite: www.open-flair.de

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