Was für die Physik nach wie vor ein Rätsel ist, ist im deutschsprachigen Punk Rock längst geklärt.
Konzertbericht vom 25.01.2025 – Haus Auensee, Leipzig
Auf dem Stop der Urlaub in der Bredouille-Tour von Dritte Wahl im Leipziger Haus Auensee konnten die Zuschauer*innen eigenhändig das Zeitreisen erlernen. Hier eine kurze Anleitung:
- Augen schließen und sich das Jahr vorstellen, in das man reisen möchte.
- Sanft nach hinten fallen lassen.
- Am Kipppunkt die Augen wieder öffnen. Ét voila, willkommen im Jahr X.
So ging es auf in eine Zeitreise durch knapp vier Jahrzehnte Bandgeschichte, die einen, mit Ausnahme von klaren Statements der Band und gepflegten „Alerta, alerta … !“-Sprechchören des Publikums, die gesellschaftliche Bredouille da draußen für einen Abend vergessen ließ.
Als Support hatten die Dritte Wahl Massendefekt dabei, die es verstanden, das Punk Rock begeisterte Publikum mit Songs wie „Wo ich dich finde“ und natürlich „Wellenreiter“ in Fahrt zu bringen.
Dritte Wahl selbst schöpften ausgiebig aus ihrem umfangreichen Portfolio, posten auf der Bühne und spielten sich die zum Tourabschluss die Finger wund. Von schnellen, dreckigen Nummern aus der Anfangszeit der Bandgeschichte wie „Auge um Auge“, über Werke der mittleren Schaffensjahre wie „Halt mich fest“, bis hin zu modernen Schunkelnummern á la „Runde um Runde“ boten Gunnar, Stefan, Jörn und Holger dem Publikum alles, was dem Fan- und Punkherz begehrt. Zu beachten war jedoch, dass auf einer vernünftigen Punk Rock-Zeitreise bei alten Nummern gejubelt werden darf, während der Punk Rock-Kodex vorsieht, das bei jüngeren Nummern gebuht wird, egal wie sehr einem der Song auch gefallen mag. Das gilt insbesondere für den älteren Teil des Publikums, der die frühen Schaffensjahre noch aus eigenen Jugendtagen kennt.
Insgesamt war das Publikum sehr durchmischt in der Altersspanne. Während viele Altpunker und Altpunkerinnen mit der Band gemeinsam gealtert sind, durften die jüngten Gäste noch nicht ohne elterliche Begleitung den Konzertsaal betreten, sicherten sich dafür aber oftmals die besten Plätze auf den väterlichen Schultern. So ist die musikalische Zukunft gesichert!
Insgesamt brannte Dritte Wahl ein buntes Feuerwerk an Songs ab. „Kleiner Planet“, „Panama“, „Zusammen“, „So wie ihr seid“, „Urlaub in der Bredouille“ oder „Fliegen“ luden das Publikum zum ausgelassenen Pogo tanzen und Bierbecher schleudern ein. Dieses nahm dankend an, grölte aus Leibeskräften mit und in aller Regelmäßigkeit wurden Crowdsurfer*innen auf den Menschenmassen in Richtung Bühne gespült.
Nach etwas über zwei Stunden lagen sich erschöpfte, verschwitzte Menschen gegenseitig in den Armen und lächelten glückselig. Kein Wunder, dass Dritte Wahl in aller Regelmäßigkeit das Haus Auensee in Leipzig füllen. Eine gelungene Zeitreise, die sich mittels eingangs erlernter Zeitreisetechnik beliebig oft wiederholen lässt.
Konzertbericht und Fotos von Alexander Thoms Fotografie, www.at-fotografie.de