ANTILOPEN GANG Foto von Alexander Thomas Fotografie, www.at-fotografie.de
ANTILOPEN GANG Foto von Alexander Thomas Fotografie, www.at-fotografie.de

Wie Rapper Punk-Rock auf die Bühne bringen und wie schlecht es um die Parkplatzsituation in Leipzig wirklich bestellt ist.

Als Fan des gepflegten Punk-Rock – schließlich war ich letztes Wochenende noch schlecht gelaunt auf dem Slime Konzert – war ich natürlich neugierig, wie sich die Kombination aus Punkrock und Rap, die die Antilopen Gang auf ihrem neuen Album „Alles muss repariert werden“ vorgelegt hat, live präsentieren würde. Und was soll ich sagen, es war der goldene Presslufthammer!

Die ersten drei Songs im Fotograben hatte ich Schwierigkeiten meine Kamera ruhig zu halten, weil jeder Muskel meines Körpers mitviben wollte. Koljah, Panik Panzer und Danger Dan betraten die Bühne mit dem eher ruhig-melancholisch anehauchtem „Nichts für immer“, doch der Funke sprang direkt über. Die Antilopen auf der Bühne gaben von Beginn an alles, man merkte sofort, die haben Bock. Und schon einen Song später wurde der Ton rauer, mit „Patientenkollektiv“ und „Auf sie mit Gebrüll“ wurde der Rap aggressiver. Also auf in die Gruppentherapie.

Wie es sich für waschechte Punkrocker gehört, braucht man natürlich Gitarre, Bass und Schlagzeug auf der Bühne. Vier Mitmusiker*innen haben die Rapper mit auf die Bühne gebracht und die ließen es ordentlich krachen. In den punkigen Passagen mit Songs wie „Oberbürgermeister“ oder „Weg von hier“ ließ sich das Publikum nicht zweimal bitten. Es wurde gepogt und gesprungen, getanzt und gesungen. Überall verschwitzte aber glückliche Gesichter und Körper die in den Circlepit eigenen Fliehkräften aneinander reiben. Das was Band und Publikum da boten, musste sich vor keinem Slime-Konzert verstecken. Ganz im Gegenteil, es war die hohe Kunst der liebevollen Partyeskalation.

Doch die Antilopen Show bot auch ruhigere Momente, zum durchatmen und luftholen. Nicht nur wirkten in deren Kontrast die Eskalationen noch intensiver, sie boten ganz eigene Emotionen und Tiefgang. Zu „Mir kann nichts passieren“ holte Danger Dan das Piano raus. „Immer wenn ich wirklich Hilfe brauch, dann weiß ich ganz bestimmt fangt ihr mich auf“ singt er da und in dem Moment fühlt es sich genau danach an. 3.000 Menschen, die füreinander da sind und aufeinander aufpassen in politisch-gesellschaftlich herausfordernden Zeiten. Die Stimmung nutzend stimmte Koljah im Anschluss den Tote Hosen Klassiker „Wünsch dir was“ an. Doch wünschen allein, wie naiv ist das denn, das hat noch nie etwas gebracht. „Wünsch dir nix“ hieß es im Anschluss.

Auch das ist Punk: Anti Alles, Anti-Lopen.

Und die Antilopen wären nicht die Antilopen, wenn sie nicht auch noch für eine Überraschung gut wären. Nach knapp anderthalb Stunden verließen sie die Bühne, nur um kurz darauf den Bandbus mitten im Publikum zu parken. Dass es um die Parkplatzsituation in Leipzig schlecht bestellt ist, ist eine Binse. Aber das selbst die Band keinen findet… Doch so geht Publikumsnähe, so geht Verbindung. Mitten in der Menge, zum Anfassen nah rappen sie „Sympathie für meine Hater“ und „Wenn das hier vorbei ist“, danach noch Shake Hands mit den Fans, die nah genug am Wagen stehen. Hinter der harten Anti-Alles-Schale schlagen große Herzen. So auch als sie sich, wieder auf der Bühne stehend mit „Für wenige“ bei Fans, Wegbegleiter*innen und Freund*innen bedanken. Und als Dank scheint ein Lichtermeer aus Feuerzeugen und Handytaschenlampen der Bühne entgegen. Ein ganz intensiver Moment, bei dem man schon mal eine Träne verdrücken kann.

Dann geht es in den Endspurt. Mit einer punkigen Version von „Pizza“ und der „Anti Alles Aktion“ verabschieden sich die Antilopen vom Leipziger Publikum und dieses dankt es Ihnen mit einer Wall of Death von der Bühne bis zum Mischpult und einem großen Menschenknäuel-Mosh-Pit zum Abschluss. Bei allen dunklen politischen Zeichen dieser Tage und bei allen persönlichen Struggles, die ein jeder mit sich trägt, noch einmal sozialpädagogisches Gruppenkuscheln zum Abschluss.

Konzertbericht und Fotos von Alexander Thoms Fotografie, www.at-fotografie.de

„Komm wir schließen uns zusammen im Patientenkollektiv –
Die Konzerte, die wir spielen sind ‚ne Gruppentherapie“

Kommentiere den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte Namen eingeben