Chicago Lane haben am 17. Mai ihre EP Parental Advisory veröffentlicht und waren dieses Jahr auch beim Paddy Rock Openair 2024 im Line-up vertreten. Im Interview mit der Band dreht sich alles um ihre Anfänge, ihre Musik und die markanten Outfits der Mitglieder.
Stellt euch doch mal kurz vor: Wer seid ihr, was macht ihr, wie ist euer Sound, und was ist euer Alleinstellungsmerkmal? Danach können wir mit den Fragen einsteigen.
Marlon: Wir sind Chicago Lane, uns gibt es seit 2020. Kennengelernt haben wir uns in einem Musikladen hier in Hannover. Das war während einer Musiknacht. Dave und ich haben uns dort umgeschaut, weil wir vorher schon in einer Band zusammengespielt hatten und Lust auf etwas Neues hatten – etwas in Richtung Glamrock, mit Verkleidung, Schminken, langen Haaren, das volle Programm.
Nic ist uns dann ins Auge gefallen. Wir haben Nummern ausgetauscht und gefragt, ob er Lust hätte, sich mal zu treffen. Zu der Zeit haben wir einen Bassisten und einen Schlagzeuger gesucht. Paul und Nic kannten sich schon einige Jahre und hatten vorher zusammen in einer Blues-Rock-Band gespielt. So haben wir uns als Zweierteams zusammengefunden und uns dann Anfang 2020 schnell zusammengeschlossen.
Euer Sound ist eine Mischung aus Rock, Glamour und Techno, richtig?
Ja.
Okay, gut. Nächste Frage.
Es ist ja oft schwierig für Bands, ihren eigenen Sound zu beschreiben.
Ja, das ist auch nicht immer eine gute Idee. Es ist gut, wenn die Band selbst versucht, ihren Sound zu definieren, besonders wenn sie sich irgendwo bewirbt. Aber grundsätzlich glaube ich, dass es nicht so wichtig ist, weil die Fans das am Ende sowieso selbst machen.
Paul: Genau, die Bands verschätzen sich oft mal. Ich habe mal ein Mitglied von Spliff interviewt und er hat vehement abgestritten, dass die Band zur Neuen Deutschen Welle gehörte. Ich habe ihm gesagt: „Sorry, aber das stimmt einfach nicht.“
Ihr habt ein Akkordeon, ihr tragt Hüte und komische Lederhosen. Ihr seid eine Polkaband. Nein, wir machen Black Metal.
Genau das.
Marlon, diese Frage muss ich stellen: Warum siehst du aus wie Harry Styles?
Ich?
Sag bloß, du hast das noch nie gehört.
Doch, das habe ich tatsächlich schon mal gehört, aber bisher nur einmal. Sonst höre ich eher, dass ich aussehe wie der Schauspieler von Spider-Man, Tom Holland.
Mich erinnerst du total an Harry Styles. Das ist jetzt kein Scherz. Und ich glaube, das ist positiv. Er gilt ja als sehr beliebt. Aber kommen wir mal zu einem anderen Punkt. Was sind denn eure Themen? Seid ihr textlich eher politisch unterwegs oder besprecht ihr eher private Themen? Oder ist es eine Mischung aus allem Möglichen, oder macht ihr hauptsächlich Fun-Songs mit Gute-Laune-Vibes?
Wir sind insofern politisch, dass wir uns bewusst entscheiden, nicht politisch zu sein. Unser Ansatz ist es, das Politische aus der Musik herauszulassen, weil wir das Gefühl haben, dass momentan vieles sehr polarisierend ist. Von links und rechts wird geschrien und aufeinander eingeprügelt. Da sagen wir uns, hey Leute, lasst uns Spaß an der Musik haben, lasst uns für gute Laune stehen und Menschen zusammenbringen. Wir wollen, dass sich die Leute bei unseren Konzerten versammeln, sich freuen und in dem Moment alle Streitigkeiten und unterschiedlichen Ansichten vergessen.
Und euer Publikum feiert das auch offensichtlich, oder?
Absolut. Vor der Bühne stehen Menschen aller Altersgruppen und aus allen Lebensbereichen. Wir haben klassische Metal-Festival-Gänger und auch ganz normale Leute vor der Bühne. Das schließt sich überhaupt nicht aus, weil wir uns auf das konzentrieren, was uns alle verbindet – und das ist und bleibt die Party.
Chicago Lane – Lick It (Official Video)
Aber ihr stecht natürlich schon ein bisschen heraus, was ja etwas Gutes ist. Es erinnert ein wenig an Freedom Call, aber trotzdem anders. Wie kam die Idee zustande, dass ihr euch entschieden habt, nicht die typische coole Punkrock- oder Hardrock-Band zu sein, sondern diesen speziellen 80er-Jahre-Flair einzubringen?
Das hat sich wahrscheinlich aus den Zweierteams entwickelt, aus denen wir kommen. Vorher waren wir in Bands, die eher in diese coole Richtung gingen, aber das war keine bewusste Entscheidung. Wir waren damals jung, unsicher und fühlten uns auf der Bühne nicht so wohl, also standen wir einfach nur da. Als wir uns aber die DVDs unserer Helden anschauten, merkten wir, dass die auf der Bühne eine ganz andere Energie ausstrahlten. Als wir dann zusammenkamen, haben wir das unser Konzept relativ schnell gemeinsam entwickelt. Alle fanden das gut und so haben wir uns entschieden, es genau so zu machen.
Das führt mich jetzt auch zu einer weiteren Frage. Ihr legt ja schon eine gewisse Show hin. Ich war heute wirklich neugierig darauf, wie ihr euch gebt und ob ihr diese Show auch in Interviews beibehaltet. Aber offensichtlich nicht, man kann ganz normal mit euch reden. Ihr seid mega clever und professionell, das macht echt Spaß. Es gibt ja auch Bands, die diese Show in ihre Interviews übertragen, und das wird dann immer ein bisschen anstrengend. Ihr unterscheidet da schon zwischen dem, was ihr auf der Bühne bringt, und dem, wie ihr als Menschen seid, oder?
Ja, obwohl natürlich immer ein Stück Persönlichkeit auf der Bühne mit dabei ist. Man ist definitiv kein anderer Mensch auf der Bühne, man fühlt sich nur anders. Man ist exponierter, extrovertierter. Es ist nicht so, dass wir im Alltag alle mit pinken Leggings und bauchfreien T-Shirts herumlaufen.
Das ist dann ein bisschen wie bei Kiss. Ich glaube auch nicht, dass Gene Simmons so auf der Straße rumläuft.
Genau, es sollte schon klar sein, dass wir als Menschen auftreten und nicht nur als Figuren. Das, was wir auf der Bühne machen, ist definitiv ein authentischer Ausdruck dessen, was wir fühlen und wie wir sind. Wir wollen andere dazu inspirieren, mit uns Party zu machen. Das wäre schwer vorstellbar, wenn wir alle im Ganzkörper-Superheldenkostüm mit Maske auftreten würden. Das überlassen wir dann lieber anderen.
Ihr habt ja auch seit Mai eine EP draußen. Der Titel lautet: Parental Advisory. Und ihr hattet dazu eine spannende Release-Party, oder?
Ja, im wahrsten Sinne des Wortes haben wir den Laden fast abgerissen. Bei Lick It haben wir einen riesigen aufblasbaren Lolli ins Publikum geworfen und der hat dann einige Lampen erwischt und den Leuten die Handys aus der Hand geschlagen. Es war wirklich eine einzige große Party, das kann man auf den Videos sehen. Zwei Mikrofone mussten daran glauben. Teilweise stand nur ein funktionierendes Mikrofon auf der Bühne und alle vier sollten singen. Drei davon sind ausgefallen, was dann ziemlich dünn klang. Wir mussten das während des Spiels irgendwie provisorisch retten, aber wenn das Publikum auf deiner Seite ist, geht das alles. Es macht trotzdem Spaß.
So geht ihr also mit Pannen auf der Bühne um? Einfach weitermachen?
Genau, einfach weitermachen.
Das Chicago Lane Interview führte Mia Lada-Klein im August 2024
Foto: Ben Minnerup / Presse Chicago Lane