Zwischen Gier und Geduld – Daniel Korth, u.a. bekannt durch seinen „Finanzrocker-Podcast“, berichtet im Interview mit dem Pressure Magazine u.a. über die Freiheit des Geistes bei Geldanlagen und die Gemeinsamkeiten von Doom Metal und einem Sparbuch.
Hallo Daniel, wir starten mit einem musikalischen Finanzanlagen-Assoziationsspiel. Das heißt, du sagst spontan welchen Musikstil du mit folgenden Finanzanlagen assoziierst:
Sparbuch – Doom Metal, weil es so lange dauert, Vermögen aufzubauen.
Tagesgeld – Kommerzrock, à la Bon Jovi.
Bon Jovi-Assoziationen auch beim Bausparvertrag?
Ja, dem kann ich zustimmen.
Anscheinend gibt es relativ viele Finanzanlagen, die man mit Bon Jovi assoziieren kann, aber bei den ETFs ist das bestimmt nicht der Fall. Oder?
Tatsächlich assoziiere ich damit klassischen Power-Metal.
Aktien: US-Metal
Immobilien: Für mich ganz klar Classic Rock!
Und jetzt umgekehrt: An welche Finanzanlage denkst du bei folgenden Musikstilen:
Black Metal – NFTs oder Kryptowährungen.
Schlager – Girokonto
Hardcore – P2P-Kredite
Pop – Festgeld
Pressure: Ok, genug gespielt, die erste Frage bezieht sich darauf, inwieweit es sich bei dem klassischen Börsengeschäft um ein Glücksspiel handelt. Bist du der Ansicht, dass man das Spekulieren an der Börse im Jahr 2023 beispielsweise mit dem Glücksspiel vor mehreren hundert Jahren in den Niederlanden vergleichen kann, als viele Menschen mit Geld Wetten „auf Tulpenzwiebeln“ abgeschlossen haben, indem sie auf die Blütenfarbe der- noch nicht gewachsenen Tulpen spekulierten?
Daniel: Ich beschäftige mich in meinem Podcast „Mehr Mut zum Glück“ auch mit dem Thema und natürlich gehört, gerade wenn man an der Börse mit Aktien handelt, auch etwas Glück dazu.
Grundsätzlich plädiere ich dafür, langfristig zu investieren und auf den „breiten Markt“ zu setzen. Und dann hat das weniger mit Glück oder mit einem Glücksspiel zu tun, sondern eher mit dem langfristigen Wachstum der Wirtschaft. Wenn man beispielsweise 15 Jahre in einen breiten MSC-World, in dem knapp 1.600 Unternehmen aus 26 Industriestaaten vertreten sind, investiert, dann ergab das in den letzten 47 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 9% pro Jahr.
Damit wird man zwar nicht gleich reich, aber das Risiko, dass man pleite geht, ist faktisch unter diesen wirtschaftlichen Voraussetzungen eben auch nicht gegeben.
Pressure: Ab welcher zu erwartenden Rendite fängt es deiner Meinung nach an, ein Glücksspiel zu werden?
Daniel: Ich würde sagen, dass es ab 10%-Rendite, wie dies bei P2P-Krediten üblich ist, anfängt, deutlich riskanter zu werden und unter Umständen ein Glücksspiel sein kann. In den letzten Jahren gab es zusätzlich einen Hype, dass immer mehr Menschen in Sneakers, Turnschuhe oder Sammelkarten investiert haben, um sie nach kurzer Zeit zum Teil doppelt so teuer wieder zu verkaufen. Aber da ist wirklich sehr viel Glück dabei.
Pressure: Dein letztes Beispiel setzt wohl sehr auf die zu erwartende Nachfrage nach einem oder mehreren Produkten und ist von vielen, nicht immer rational zu berechneten, Faktoren abhängig. Wie schaffst du es, dass du Investitionen vor allem rational begründest oder gibt es auch Anlagen, die du „aus dem Bauch heraus“ getätigt hast?
Daniel: Tatsächlich ist die Gier eine der größten Risiken beim Investieren. Wenn du hierbei nicht aufpasst, bist du schnell dein Geld wieder los. Egal ob in der Börsenzeitung oder in Anzeigen- überall wird getrommelt und der große Reichtum versprochen, allerdings kenne ich persönlich niemanden, der aufgrund solcher Investitionen reich geworden wäre. Reich werden vor allem nur die Anbieter solch fragwürdiger Geldanlagen.
Allerdings sehe ich aktuell keine Alternative zur Geldanlage an der Börse. Wir stecken im demografischen Wandel, dadurch gibt es die leere Rentenkasse. Dies wird sich bis zum Jahr 2047, wenn ich offiziell in Rente gehen kann, deutlich zuspitzen und Auswirkungen auf meinen Lebensstandard haben.
Wenn ich jedoch lange Jahre im Vorfeld investiere, profitiere ich vom Zinseszins und baue mir einen „Puffer“ auf, der es mir ermöglicht, meinen aktuellen Lebensstandard weiterzuführen und die Rentenlücke zu schließen.
Pressure: Du hast über das Thema sogar ein Buch verfasst. Welche Reaktionen hast du darauf aus der Metalszene erhalten?
Daniel Korth: In der Metalszene ist generell das Thema Investments verpönt, weil „der böse Kapitalismus“ daran beteiligt ist. Du kennst möglicherweise ähnliche Vorbehalte.Deswegen habe ich vor vier Jahren einen Heavy-Metal-Bildungsroman namens “Soundtrack für Vermögenswerte” geschrieben, um Aufklärungsarbeit zu betreiben.
Das Buch handelt auf 300 Seiten vom Gitarristen Tom, der sich vom finanziellen Saulus zum Paulus wandelt. In die Geschichten habe ich mit dem Co-Autoren übrigens noch unsere eigenen musikalischen Erlebnisse mit eingebaut.
Als das Buch im „Rock Hard“ vorgestellt wurde, hat dies natürlich unterschiedliche Reaktionen ausgelöst, die nicht immer losgelöst von Emotionen waren.
Pressure: Investieren Metalheads ihr Erspartes also tendenziell lieber in Vinyl-Sonderauflagen ihrer Lieblingsbands? Oder gibt es auch hier einen Markt, dass solche Raritäten von einigen nur gekauft werden, um sie später wieder möglichst teuer zu verkaufen?
Daniel: Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass bei solchen Anlagen viel Spekulation dabei ist. Ich habe selbst 25 Jahre lang auf Konzerten Tour-Shirts gesammelt und Vinyl-Sonderauflagen gekauft, aber das war für mich immer mehr Liebhaberei und hatte nichts mit einer Geldanlage zu tun.
Wenn du Glück hast, kannst du solche Raritäten teurer verkaufen, aber darauf zu spekulieren, das ist meines Erachtens wieder eines, und zwar ein Glücksspiel.
Pressure: Was unternehmen Metal-Bands, um an Geld zu kommen?
Daniel: Klassisch sind bunte Vinyl-Sonderauflagen oder limitierte CDs. Davon habe ich auch einige, auch so genannte Japan-Importe, die früher einmal echt rar waren. Blöd war nur, dass diese Alben irgendwann nachgepresst wurden und somit schlagartig an Wert verloren haben.
Und spätestens durch das Streaming sind solche Raritäten auf solchen Portalen zu finden. Allerdings verdienen an speziellen Editionen unter Umständen vor allem die Plattenfirmen, die sich wenig um Limitierungen jeglicher Art scheren, viel Geld. Womit wir wieder beim „Kapitalismus“ wären.
Pressure: Gutes Stichwort, denn aktuell gibt es die Tendenz, dem Kapitalismus durch den Begriff der Nachhaltigkeit, Stichwort „grünes Wachstum“, ein ethisch freundlicheres Gesicht zu verpassen. Wie erlebst du diesen Trend in der Finanzwelt?
Daniel: In der Finanzindustrie ist „Nachhaltigkeit“ ein ganz großes Thema, aber es gibt natürlich viele schwarze Schafe. So werden „grün“ angemalte Fonds verkauft, also Fonds, die beispielsweise Ölfirmen im Portfolio haben, weil die Regularien unklar und intransparent sind.
Doch selbst grüne Fonds, wie der Ökoworld-Fonds sind gebunden an die vorhandenen Marktmechanismen. So lösten kürzlich die Überlegungen des Gründers Alfred Platow, die Gerichtskosten für die Mitglieder der „letzten Generation“ aus dem Firmenvermögen zu übernehmen, für einen Sturm der Entrüstung. Viele Anleger zogen ihr Geld ab, Platow wurde entlassen.
Insgesamt ist es schwierig, mit absolut reinem Gewissen zu investieren. Entweder man zahlt viel Geld, z.B. für Anlagen wie den erwähnten Ökoworld-Fonds oder man hat kostengünstigere Anlagen, die nachträglich grün angemalt werden, aber eine höhere Rendite erzielen. Letztere sind für mich allerdings keine wirklich nachhaltigen Investitionen.
Ich habe vor einigen Jahren mit Axel Ritt, dem ehemaligen Gitarristen von Grave Digger, ein Interview geführt und wir haben uns ausführlich über seine nachhaltigen Geldanlagen und die oben beschriebene Problematik gesprochen. Die perfekte Lösung haben wir beide damals auch nicht gefunden.
Pressure: Also gibt es in der Finanzwelt keine „eierlegende Wollmilchsau“, also Wohlfühlprodukte für Menschen, die ihr Geld mit einem guten Gefühl z.B. im sozialen (…) Bereich investieren wollen und nebenbei noch eine gute Rendite erwirtschaften wollen?
Daniel: Ich denke, dass es in dem Fall wirkungsvoller ist, für soziale Projekte oder Organisationen Geld zu spenden, als in ethisch-korrekte ETFs oder Fonds zu investieren. Vielleicht hilft irgendwann die KI dabei, Aktien auszuwählen, die den persönlichen Ansprüchen genügen. Ob und wann das der Fall sein wird, wage ich nicht vorauszusagen.
Pressure: Und das ist ja das Schöne, dass wir viele Dinge aus heutiger Sicht nicht voraussehen können. Wie langweilig wäre das Leben, wenn alles absehbar und vorbestimmt wäre. Wie langweilig wäre eine Finanzwelt, in der es ausschließlich Sparbücher und Bausparverträge gäbe. Und wie langweilig wäre die Musik, wenn sich alles nach Bon Jovi anhörte. In diesem Sinne danke ich dir für das interessante Interview.
Das Finanzrocker Interview führte Sven im Dezember 2023