Für gewöhnlich geben die Sondaschüler nur Interviews von der Sorte, die zwar lustig zu lesen sind, nach denen man anschließend aber genauso schlau ist wie vorher, wenn nicht dümmer, zumindest aber verwirrter…
Für den zuständigen Redakteur ist dies meist einer dieser Tage, an denen er sich fragt, warum er keinen vernünftigen Beruf ergriffen hat und am Ende sind alle Beteiligten froh, dass es vorbei ist. Nicht so in diesem Fall. Als Pressure-Redakteurin Diana am Donnerstagabend das Open Flair Festival in Eschwege erreicht, hat die Kasse, an der ihr Pressepass hinterlegt ist, bereits zu. Ohne Bändchen und Pass will sie den Interviewtermin absagen, doch da hat sie die Rechnung ohne Sondaschule gemacht… So wird sie kurz darauf durch einen dunklen Hintereingang in den Backstagebereich geschleust, wo Frontmann Costa Cannabis ihr schließlich in Seelenruhe alle Fragen beantwortet, während draußen bereits ein ungeduldiges Kamera-Team auf ihn wartet…
Costa: Ja, eigentlich wohnen wir alle in Mühlheim an der Ruhr oder Oberhausen, nur einer wohnt in Köln und dann eben dieser Ausreißer in Berlin.
Costa: Ich? Nee… viel zu uninteressant…
Costa: Da wir ja keine Macken haben, nein. Naja, das ist natürlich gelogen… Wir waren auch schon mal an einem Punkt, an dem es richtig gekracht hat. Wir sind Ruhrgebietler und fressen nichts in uns rein, wir schreien uns einfach an. Also wenn’s knallt, dann knallt’s richtig! Aber danach ist dann eben auch alles wieder gut. In unserem Umfeld sind schon viele Bands auseinandergegangen, aber wir haben nie aufgehört daran zu glauben, dass es mit uns klappt. Seine Familienmitglieder kann man sich schließlich auch nicht aussuchen, dein Bruder wird immer dein Bruder bleiben und bei uns ist es eben auch so. Wir hängen jetzt seit so vielen Jahren auf engstem Raum zusammen, wir sind die größten Freunde und die größten Feinde geworden. Es ist wie in einer Familie, wir wissen genau, dass wir ohne einander gar nicht mehr können und dass alles genauso sein muss wie es ist.
Costa: Also früher war es so, dass wir im Proberaum zusammen Mucke gemacht haben und was dabei entstanden ist, war dann… Musik, über die ich einfach drübergesungen habe. Mittlerweile ist es so, dass wir zu wenig Zeit haben, einfach rumzuprobieren. Daher entstehen einfach viele neue Sachen zu Hause am Rechner, wo man sich hinsetzen und Demos einspielen kann. Viele dieser Demos kommen von unserem Gitarristen, Don Alfonso, ich mache viel und unser Drumer, Mr. Bäm, fängt jetzt gerade auch an. Für unser nächstes Album hat er zum Beispiel schon zwei Sachen gemacht, die ich total geil finde. Normal läuft es dann so, dass wir zu Hause vorproduzieren, damit ich einen Text schreiben kann und anschließend spielen wir es dann im Proberaum mit allen ein, wo sich dann natürlich auch noch jeder einbringen kann.
Costa: Es fängt schon damit an, dass Don Alfonso diesmal sechs Lieder beigesteuert hat, die eigentlich nicht von Grund auf nach Sondaschule klingen. Aber es ist Sondaschule, denn es sind ja wir, die das machen. Es ist in der Vergangenheit schon öfter passiert, dass er Sachen hatte, die wir nicht umgesetzt haben, weil immer einer der Meinung war, dass es nicht passen würde. Und diesmal haben wir uns eben gedacht, scheiß drauf, wir machen das jetzt! Bisher war jede einzelne Sondaschule-Platte anders als die davor. Die erste ist total hardcore-punkig gewesen, die zweite war sehr-sehr skalastig, die letzte war dann Fun-Punk und jetzt ist eben sowas dabei herausgekommen. Ich bin total zufrieden mit dem Ergebnis und wer weiß, was die nächste Platte bringt, vielleicht machen wir dann Swing.
Costa: Es hängt eben immer davon ab, wie wir uns fühlen und wonach uns zumute ist. Während des letzten Entstehungsprozesses ist zum Beispiel meine Oma gestorben und auch der Vater von unserem Gitarristen ist gestorben, ist doch klar, dass die Platte dann nicht so lustig wird, wie sie unter anderen Umständen vielleicht hätte werden können. Sondaschule muss in meinen Augen auch nicht immer zwingend lustig sein. In meinen Augen sind wir textlich dadurch aber zum Beispiel auch weiter als wir es vorher je waren.
Costa: Mir wurde schon gesagt, dass die Texte jetzt viel zu viel Sinn ergeben würden und meine Antwort war: Gut, vielleicht habe diesmal einfach mal nachgedacht. Aber wie gesagt, wer weiß, was die Zukunft bringt. Die neuen Sachen klingen zum Beispiel schon wieder ganz anders als die auf dem aktuellen Album.
Costa: Ja natürlich, das auf jeden Fall. Das bekommen wir im Internet mit und natürlich auch auf den Konzerten, es kommen immer mehr Leute. Ich denke, die Quintessenz ist einfach, dass man unerwartet auf einem Sondaschule-Konzert landen kann, zum Beispiel wie hier auf einem Festival, und das gefällt dann teilweise kleinen Kindern bis Opas. Allerdings auch nur, weil es die in dem Moment gar nicht interessiert, was ich da überhaupt singe. Würden sie sich zu Hause mit den Texten auseinandersetzen, würden sie wahrscheinlich trotzdem denken: Was für ein Quatsch! Aber generell glaube ich, dass Don Alfonso mit seinen Songs sehr viele Menschen erreicht. Zum Beispiel „Strand im Ruhrgebiet“ kommt super bei den Leuten an und das, obwohl wir anfangs skeptisch waren.
Costa: Ja, wir haben jetzt einen Strand – sofern man das Strand nennen darf. Wir hatten vorher im Internet einen Aufruf gestartet, dass wir unbedingt einen Strand brauchen und jeder ein bisschen Sand vorbeibringen soll. An dem besagten Tag war die A40 -eine der meistbefahrensten Autobahnen Deutschlands- gesperrt und man konnte auf ihr spazieren gehen. Und plötzlich waren mehrere hundert Leute da, die einen Strand anlegen wollten. Manche sind sogar extra mit Mülltonnen voller Sand aus Hannover oder Hamburg angereist und mehrfach aus der Bahn geworfen worden. Und so sind wir dann schließlich mit dem ganzen Mob mit Sand und Bierchen über die Autobahn zur Ruhr marschiert. Da haben wir dann feierlich eine Holland-Fahne verbrannt und den Sand ausgeschüttet. Da waren sogar Leute, die im Urlaub extra nach Zaandfort gefahren waren, um holländischen Sand zu klauen. Am Ende war’s ein riesen Spaß, alle lagen in der Ruhr und ich hatte den ganzen Tag ein riesiges Grinsen im Gesicht. Wahnsinn, dass das so gut funktioniert hat.
Costa: Weder noch. Eigentlich ist „Herbert halt’s Maul“ -wie so viele andere Lieder- purer Zufall. Das Lied, war damals schon komplett fertig, mit anderem Text und allem drum und dran. Jedenfalls war ich gerade dabei einzusingen, als Chemokeule plötzlich meinte, dass ich mich immer gleich anhören würde und mal versuchen soll, anders zu singen. Ich fragte ihn: „Wie denn?!“ Und er sagte: „Naja, Herbert würds so machen: Du hast jeden Raum mit Sonne gefluuutet…“ (perfekt imitierte Tonlage). Tja und ich hab etwas genervt geantwortet: „Herbert halt’s Maul… Herbert halt’s Maul!!“ und da riefen die anderen plötzlich: „Heeey, das ist doch super!“ Um auf deine Frage zurück zu kommen, ich meine es schon ernst, aber es ist nicht böse gemeint. (lacht)
Costa: Es ist natürlich so, dass wir keine Kostverächter sind. Heißt, wir wollen danach meistens noch was machen. Und dabei wollen wir natürlich neue Leute kennenlernen, denn die anderen Jungs sieht man ja jeden Tag… Wir gehen dann zum Beispiel auch gerne mal über den Zeltplatz, hauptsache die Leute sind cool und wir haben Spaß dabei.
Costa: Ja, das gibt es tatsächlich. Im Osten sind die Leute zum Beispiel von Grund auf offener und ehrlicher. Die feiern einfach total ab, anders herum kann es einem dort natürlich auch passieren, dass es ihnen nicht gefällt und dann klatschen sie noch nicht mal! Wir haben vor acht Jahren mal zusammen mit den Kassierern in Cottbus gespielt und da hat echt niemand geklatscht, weil alle die Kassierer sehen wollten. Im Ruhrgebiet ist es so, da zeigt man noch gern, wat man im Arm hat. Da geht es verbal härter zur Sache und die Leute feiern auch krasser.
Pressure Magazine: Am Ende habe ich Costa -großzügig wie ich bin- dann doch noch an das wartende Kamerateam entlassen, dem wegen des Auftritts dann allerdings nur noch wenige Minuten blieben. Das Sondaschule-Konzert was dann folgte, war der perfekte Festival-Einstieg, auch wenn es mir so manchen Ohrwurm bescherte, der sich für Tage in meinem Gehirn festsetzte… Und als dann auch das Konzert sein Ende genommen hatte und ich die Band backstage wiedertraf, untermauerten wir gemeinsam Costas These, dass es die Ruhrgebietler und Berliner sind, bei denen es feiertechnisch besonders hart zur Sache geht.
Interview: Diana Ringelsiep
Fotos: Sondaschule, Diana Ringelsiep