Rage sprechen beim Masters of Rock 2024 über 40 Jahre im Musikgeschäft, ihre Highlights und die Veränderungen in der Branche.
Rage, eine Power-Metal-Band aus Herne in Nordrhein-Westfalen, sind seit 1984 eine feste Größe im Heavy- und Progressive-Metal. Zum 40-jährigen Jubiläum geben sie eine ganze Reihe Jubiläumskonzerte und waren dieses Jahr auch beim 20-jährigen Jubiläum des Masters of Rock 2024 dabei. Dort hatte unsere Redakteurin Mia die Gelegenheit, der Band RAGE ein paar Fragen zu stellen.
Euch gibt es jetzt schon 40 Jahre, aber ihr habt auch ein bisschen gewechselt und frischen Wind reingebracht. Hat sich die Dynamik in der Band dadurch verändert und wenn ja, wie sehr?
Peavy: Ja, klar, es hat natürlich diverse Line-up-Wechsel gegeben. Ich bin eigentlich der Einzige, der seit 40 Jahren dabei ist. Aber Lucky ist schon seit 1988 involviert. Damals war er noch 15. Du hast gerade den damaligen Schlagzeuger der Band, Chris, begrüßt, der dir die Hand gegeben hat. Lucky war sein Schüler, sein Freund, und er hat jahrelang mit uns als Techniker getourt. Im Grunde gehört er also seit den 80ern zur Band, und seit 10 Jahren ist er auch der offizielle Schlagzeuger. Aber nicht nur das, er ist eigentlich auch der Macher im Hintergrund.
Ohne Lucky würde es die Band heute wahrscheinlich gar nicht mehr geben. Er ist auch Manager und hat eine Agentur aufgebaut, die unter anderem Rage vertritt. Vor fünf Jahren haben wir dann Jean dazugeholt, der so in dem Alter meines imaginären Sohnes ist – den Sohn, den ich leider nie hatte. Aber jetzt bin ich total stolz und glücklich, mit ihm arbeiten zu können. Er ist ein wunderbarer Musiker, ein großartiger Gitarrist, der unheimlich viel frischen Wind in die Band gebracht hat. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Sache, um die Musik frisch zu halten. Mit Jean haben wir wirklich einen Glücksgriff gemacht. Ich bin sehr glücklich mit dem, wie wir drei jetzt zusammenarbeiten.
40 Jahre, und in dieser Zeit hat sich ja wirklich viel getan, auch in der Musikbranche und bei den sozialen Medien. Wie steht ihr zu den sozialen Medien? Fluch oder Segen?
Jean: Das ist eine schwierige Frage. Es geht mittlerweile einfach nicht mehr ohne, das muss man sagen. Ich glaube, dass die sozialen Medien und alles, was damit einhergeht – wie zum Beispiel Spotify – die Musikbranche massiv beeinflusst haben, sowohl positiv als auch negativ. Es werden weniger Platten verkauft, aber man kann viel leichter neue Bands entdecken. Das sind zwei Punkte, die sowohl gut als auch schlecht sind. Facebook, Instagram, TikTok und all diese Plattformen sind heutzutage unfassbar wichtig, aber auch unglaublich aufwendig zu betreiben. Wir haben das bei uns so geregelt, dass ich als Teil von Lucky Bob Music Agency – der Firma und Bookingagentur von Rage, die Lucky vor fast 10 Jahren gegründet hat – für die Social Media von Rage zuständig bin. Wir merken einfach, wie viel Aufwand das ist, wenn man es richtig machen will. Am Ende kann man wirklich nur sagen, es ist sowohl Fluch als auch Segen. Es ist schön, sich um die Außenkommunikation zu kümmern und mit den Fans in Kontakt zu treten, das machen wir sehr gerne. Aber es ist auch wahnsinnig anstrengend.
Lucky: Es ist nicht nur in der Musikindustrie so, sondern überall, dass man mit der Zeit gehen muss. Man muss offen für Veränderungen sein. Es macht keinen Sinn, ausschließlich an alten Strukturen festzuhalten und nicht zu akzeptieren, dass sich die Zeit, der Zeitgeist und die Infrastruktur ändern. Man muss mit der Zeit gehen. Natürlich muss man nicht alles mitmachen und sollte sich selbst treu bleiben, aber man muss sich eben anpassen. Das betrifft nicht nur die musikalische Seite, sondern auch die Kommunikation, die Strategie und die Finanzen – all das, was ein Geschäft letztendlich ausmacht. Wenn man versteht, dass all diese Komponenten wichtig sind und dass es heute nicht mehr nur darum geht, einen guten Song zu schreiben, wie vielleicht vor 40 Jahren, als es wenige Bands und wenig Angebot gab, dann ist man auf dem richtigen Weg.
Heute gibt es ein Überangebot von allem und eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Man muss das respektieren, denn nur so respektiert man auch die heutige Generation.
Tut man das nicht und ignoriert diese Entwicklungen, respektiert man auch diese Generation nicht und das darf nicht sein. Wir müssen respektvoll mit dem Zeitgeist umgehen und deshalb setzen wir auf all diese Bereiche – genauso wie eine junge Band, die gerade entdeckt wird.
Natürlich haben wir unsere Geschichte und bieten unseren Fans das, was sie von Rage kennen und lieben. Wir nutzen den Nostalgiefaktor, integrieren den Zeitgeist, die Stilistik und auch die Moderne. So hoffen wir, weiterhin im Gespräch zu bleiben und neue, junge Fans zu gewinnen.
Schön gesagt. Das war sehr berührend und auch sehr eloquent. Ich habe dir wirklich gerne zugehört. Jetzt habe ich eine ganz andere Frage: Wie geht ihr mit Bootlegs um?
Peavy: Gibt es sowas noch?
Ich denke schon. Gerade im Zusammenhang mit Social Media sieht man immer wieder Konzertmitschnitte oder, sagen wir mal, inoffizielle Aufnahmen. Wenn ich jetzt hier im Backstage-Bereich etwas aufnehme und veröffentliche – wir sitzen ja hier jetzt ganz legitim –, aber sowas passiert ja auch immer wieder inoffiziell.
Peavy: Da würde ich unterscheiden. Wenn es um Bootlegs von Konzertmitschnitten geht, die von Leuten veröffentlicht werden, ist das irgendwo auch ein bisschen Werbung für uns. Das sehe ich nicht so negativ. Aber auf der anderen Seite, was wirklich problematisch ist, sind Bootlegs, bei denen Leute einfach unsere regulären Alben nachpressen und dann verkaufen. Das geht komplett an uns vorbei und das ist einfach Diebstahl. Das eine kann man als Cross-Promotion betrachten, aber das andere ist schlichtweg illegal.
Letzte Frage an dich, Peavy. 40 Jahre Rage – du bist von Anfang an dabei. Gehst du immer noch mit der gleichen Leidenschaft an die Sache heran?
Peavy: Es ist natürlich anders als früher, klar. Aber ich habe mich mein ganzes Leben daran gewöhnt, und diese grundlegende Leidenschaft ist nach wie vor da. Besonders, wenn man eine neue Idee hat, sie umsetzt und sieht, wie aus einer Idee im Kopf ein fertiger Song wird, der dann richtig gut klingt und großartige Resonanz erhält – das begeistert mich immer noch wie damals. Auch das Gefühl, auf der Bühne zu stehen und die Musik direkt an die Fans zu bringen, ist unverändert. Sollte sich das irgendwann ändern, dann ist es vielleicht an der Zeit, aufzuhören.
Was sind denn für euch die besten Momente auf der Bühne? Ist es der Moment, auf die Bühne zu gehen, das Publikum zu sehen, das mitsingt, oder was sind die schönsten Augenblicke für euch, wenn ihr dort oben steht?
Jean: Im Prinzip beginnt die Show für uns, sobald wir am Veranstaltungsort ankommen – wie gestern, als wir hier ankamen. Von da an, bis wir morgen wieder nach Hause fahren, sind wir im Modus. Wir bereiten uns mental und physisch auf den Auftritt vor, und dieser ganze Prozess gehört für uns dazu. Oft stecken wir im Alltag fest, da wir neben der Musik auch arbeiten müssen. Deshalb genießen wir diese Zeit besonders. Vor und nach dem Auftritt haben wir die Möglichkeit, miteinander zu reden und eine tolle Zeit zu haben. Die Zeit auf der Bühne ist dann nochmal etwas ganz anderes – sehr intim.
Die schönsten Momente sind für mich nicht, wenn das Publikum am Ende eines Songs applaudiert. Diese Zwischenmomente auf der Bühne, wenn ich mich umdrehe und Lucky Grimassen ziehe oder wir uns gegenseitig zum Lachen bringen, sind die, die für mich am wertvollsten sind.
Peavy: Dieses Zusammenspiel, das wir auf der Bühne erleben, haben wir auch, wenn wir proben. Es entsteht eine besondere Verbindung, wenn man gemeinsam in der Musik aufgeht.
Lucky: Darüber hinaus gibt es noch einen wichtigen Aspekt, wenn wir über die schönsten Momente auf der Bühne sprechen. Wenn man sich in die Musik fallen lässt und intensiv dabei ist, entsteht eine Verbindung mit dem Publikum. Das ist eine unsichtbare Ebene – man sieht sie nicht direkt, aber man spürt sie. Es ist fast so wie Liebe, schwer zu erklären, aber es passiert und fühlt sich großartig an. Es elektrisiert einen und lässt einen in dem Moment verschwinden. Deshalb brauchen wir auch eine Weile, um nach der Show wieder in den Normalzustand zurückzukehren, weil diese Erfahrung so mächtig ist. Dieser Zustand ist schwer zu beschreiben, aber er ist das, was es ausmacht, auf der Bühne zu stehen.
Das ist sehr schön gesagt. Ich könnte euch stundenlang zuhören – wirklich wunderbar. Danke für eure Worte, danke für eure Zeit, und weiterhin viel Spaß und Erfolg
Interview von Mia Lada-Klein
Foto: Pressebild Rage