Freitag, März 29, 2024

Extrabreit: Sänger Kai Havaii im Interview

Das Pressure Magazine hatte nach Ihrem Auftritt beim diesjährigen Deutschrock Monster Festivals die Gelegenheit mit Kai Havaii, dem Sänger von EXTRABREIT ein Interview zu führen. Bekannt wurde die Band in den 80er Jahren mit Songs wie „Polizei“, „Hart wie Marmelade“ und dem „Flieger“, mit denen sie eine ganze Musikepoche geprägt haben. Zur Sprache kam aber nicht nur Vergangenes, sondern auch Zukunftspläne, Wünsche und Sehnsüchte. Doch lest selbst…

Vielen Dank, dass Du Dir so kurz nach Eurem Auftritt hier beim F.E.K.9  die Zeit für ein Interview mit uns genommen hast. Ihr seid in den Zeiten der neuen deutschen Welle großgeworden und habt Musikgeschichte geschrieben, das kann man echt so sagen.

Kai Havaii: Ja, das kommt von manchen Leute und ich muss auch sagen, das höre ich nicht ungern (lächelt) und macht einen auch ein bisschen stolz. Es ist sicher richtig, dass wir ein ganz bestimmtes Genre, dass man als Punk, Deutschpunk, Pop-Punk bezeichnet mitbegründet haben.

Ihr hattet Auflösungen, ihr hattet Reunions, ihr seid wie ein Bumerang, ihr kommt immer wieder. Und ich finde mit Eurem heutigen Auftritt habt Ihr das echt fett bestätigt. Wie war‘s für Euch?

Kai Havaii: Es war sehr spannend für uns, eine Szene und ein Genre, dass wir gar nicht so kennen. Ich hab mich im Vorfeld auch erst ein bisschen schlau gemacht wer Kärbholz, wer Frei.Wild und die anderen sind. Es gibt eine ganz neue Art von Deutschrock Szene, sicherlich auch in Folge der Böhsen Onkelz, die bei vielen Leuten eine Lücke hinterlassen haben und diese Szene blüht ganz offensichtlich.

Für uns war das heute natürlich interessant und ein richtiges Experiment, als alte Band hier zu stehen und zu sehen wie wir ankommen. Aber ich muss sagen es hat uns gut gefallen.

Ihr spielt regelmäßig auf Festivals, aber das Deutschrockfestival ist Neuland. Wie kam es dazu?

Kai Havaii: Ja,  so etwas  gab es früher nicht. Der Veranstalter hat uns einfach gefragt und wir haben ja gesagt. Wir wollten das machen weil es uns interessierte und weil wir wissen wollten, ob wir nach all den Jahren mit all der Tradition im Rücken, wirklich auch jüngere Menschen, die auf Deutschrock stehen, noch ansprechen können. Und da bin ich ganz zufrieden. Natürlich kennen viele die Nummern, die wir am Anfang gespielt haben, nicht. Ich würde aber sagen das Experiment ist geglückt.

Nach dem Auftritt kamen dann auch einige der anderen Musiker auf uns zu und sagten: Wir fanden es echt gut, dass ihr da wart!

Immer wieder werden Deutschrock-Gruppen und Fans mit der rechten Szene in Verbindung gebracht. Habt ihr euch im Vorfeld des F.E.K.9 dazu Gedanken gemacht? Fühlt ihr Euch hier wohl?

Kai Havaii: Wir haben uns sehr gut aufgenommen gefühlt. Das ist alles wunderbar organisiert, sehr professionell, mit viel persönlicher Ansprache – wirklich gut. Und zu der anderen Sache: ich denke da werden oft viele Dinge missverstanden. Es gibt eine deutsche Musikszene, eine deutsche Rockmusik, die auf Deutsch singt. Und das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob man rechte Tendenzen hat. Und ein gewisser Patriotismus ist außerdem erlaubt!

Eine deutsche Band zu sein ist nun wirklich kein Makel. Es geht auch für uns darum, dass man hier zu Hause ist, heimatverbunden und dass man authentisch und sich nicht von vorgefertigten Formaten à la Hollywood überschwemmen lässt.

Wo seht ihr den Unterschied zwischen Pop-Punk, wie ihr ihn macht und Deutschrock? Gibt es überhaupt einen?

Kai Havaii: Ja es gibt einen. Und zwar in der Art, wie das heute definiert wird. Wir als Extrabreit hatten immer eine Popaffinität. Wir wollen auch gerne Songs machen die eine Menge Leute hören, welche die breite Masse ansprechen, wollen nicht nur Nischenanbieter sein. Da sind wir anders als manche Bands des heutigen Abends, die eben ausschließlich ein bestimmtes Genre bedienen.

Wie lange hat das Schreiben von „Hurra, hurra die Schule brennt“ gedauert?

Kai Havaii: Unser Drummer hat uns auf der Gitarre ein paar Akkorde vorgespielt, irgendwie fand ich das gut, aber es kam mir so kindermäßig vor. Also dachte ich, es muss auch ein Text dazu, der auch Kinder betrifft,  und so entstand „Hurra, Hurra die Schule brennt“ in 5 Minuten. Was daraus wurde, konnten wir uns nicht vorstellen.

Video: EXTRABREIT – „Hurra, hurra, die Schule brennt“

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Wie haben sich Eure Fans im Laufe der Zeit verändert?

Kai Havaii: Es gibt die alten Fans, die seit 20 Jahren dabei sind, die straight  und steinehrlich sind und immer noch zu uns halten. Wir spielen aber auch auf Stadtfesten, da gibt es ein Publikum, die kennen 2-3 Hits. Aber auch die machen gerne  mit. Und dann gibt es die ganz besonderen Experten, die zu wissen glauben, was Extrabreit ist und was es sein darf. Aber wir haben uns immer die Freiheit genommen uns zu verändern.

Das heißt nicht immer nur „Hurra, Hurra…“

Kai Havaii: Das ist für uns heute nicht mehr zeitgemäß, Als ich „Hurra“ geschrieben habe war ich 23 Jahre alt – Ich könnte mich heute nicht mehr hinsetzen und sagen ich mache einen Text für Teenies – das wäre doch albern! Also machen wir unser Ding weiter.  Wir versuchen aber auch einen Schritt in eine für uns neue Zeit zu tun. Und gerade jetzt – wir haben eine neue Veröffentlichung im November.

Kannst Du ein bisschen mehr darüber erzählen, wird es eine ganze CD?

Kai Havaii: Es wird zunächst eine Maxi-Single geben, voraussichtlich im November 2011 und die heißt „Ewigkeit. Aber es gibt aber auch ein paar andere Titel, die da drauf sind und für uns keine klassischen B-Seiten sind. Es ist wichtig für uns wie das angenommen wird, weil es natürlich auch in Richtung geht ein neues Album aufzunehmen.

Willst Du uns etwas über den neuen Stil verraten? Wie ist Ewigkeit? Was erwartet uns?

Kai Havaii: Gut ich will etwas verraten…

… Es wird Deutsch gesungen?

Kai Havaii: Ja, das ist ja wohl logisch! (lacht). Es gibt die Elemente die es immer gab. Es gibt den Beat, es gibt die Gitarren, es gibt den Bass. Aber es gibt auch ein bisschen Elektronik – das schadet ja nicht. Aber es ist schwer darüber zu reden – es ist ein bisschen wie zu Architektur tanzen.

Wenn ihr im Radio „Hurra, Hurra die Schule brennt“ hört, schaltet ihr weiter oder dreht ihr lauter?

Kai Havaii (lacht): Erst einmal geben wir uns Küsse und feuern uns an. Und dann drehen wir schnell weiter.

Ihr macht seit über 30 Jahren Musik. Ihr habt am Anfang eurer Karriere unglaublich viel abgeräumt. Und heute noch grölen Menschenmassen eure Lieder mit. Wovon träumt ihr noch?

Kai Havaii: Davon vielleicht noch eine abschließende oder zukunftsweisenden Sache zu machen, die die Band oder die Talente der Band in die Jetztzeit transportiert.

Deswegen der Titel „Ewigkeit“?

Kai Havaii: Ja. Es ist ein bisschen anders, es klingt ein bisschen anders als das was wir früher gemacht haben. Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, ewig auf den alten Songs rumzureiten wie auf einem Kaugummi. Wir wollen etwas machen wo jeder sagt, klar das ist Extrabreit, aber doch eben anders – moderner. Und das ist ein Wunsch eine Sehnsucht, dass das vielleicht erkannt wird.

Es gibt angeblich ein Zitat von Euch: „Extrabreit – nie waren wir so wertvoll wie heute“.

Kai Havaii: Ja, es war ein Slogan. Es kommt ein bisschen daher, dass es ganz wenige Gruppen gibt, die nach 33 Jahren noch spielen, die eine innere Konsistenz behalten haben tatsächlich als Produkt und Person klar da sind . Und das fasziniert uns selbst. Es gab so viele Schwierigkeiten, Drogenprobleme,  Brüche, Streits.  Das ist eigentlich das wirklich faszinierende für uns, dass wir heute so zusammen spielen.

Eure Bandgeschichte zeigt ja gerade in der Anfangsgeschichte so viele „Ups and Downs“, Skandale – ihr habt ja dabei einige Dinge erlebt.

Kai Havaii: Wir haben uns damals gar nicht viel dabei gedacht, und früher war es auch einfacher Skandale zu machen. Aber Extrabreit war nie eine Band, die mit reinen Popmaßstäben zu messen war.  Wir waren mehr als ein Produkt, nie nur eine Band, die dumpf dem eigenen Rock verpflichtet war und es gibt nichts zu bereuen.

Wie bereitet ihr euch auf einen Auftritt vor? Seid ihr nervös? Habt ihr eine Art Ritual?

Kai Havaii: Nicht nervös zu sein vor Auftritten bringt nichts, sonst kommt der Push, der Kick nicht, sonst gibt man nicht alles. Und wir machen das, was Fußballmannschaften inzwischen auch so machen:  Wir stellen uns in einen Kreis, reißen die Augen auf und schreien uns an. Und das ist der Moment wo wir uns Glück wünschen, da wird nicht viel geredet, da wird nur geschrien, man liegt sich in den Armen und dann geht es los!

Schlußfrage: Welche Botschaft hat Extrabreit im 21. Jahrhundert in Zeiten von Finanzkrisen, Rettungsschirmen und Stuttgart 21 an die Welt?

Kai Havaii: Die Botschaften von Extrabreit sind: 1) locker bleiben 2) kritisch bleiben.

Was ich damit meine ist, das man nicht an seinen vorgefertigten und festgestanzten Weltbildern hängen  darf, sondern dass man immer wach bleiben muss. Offen für die Veränderungen der Welt und die eigenen, aber diese auch zulassen soll. Ich hasse nichts mehr als diese Art von konservativen Menschen, die irgendwann mal fortschrittlich waren und heute strunz langweilig geworden sind. Erdbremser, weil sie einfach nicht in der Lage sind, sich nochmal  neu und immer wieder neu mit der Welt auseinander zu setzen.

Das bedeutet für mich Extrabreit: Nämlich eine extrabreite Wahrnehmung und nicht in erster Linie nur voll und high zu sein. Damit haben wir auch kein Problem, das haben wir immer gerne gehabt und gemacht. Aber die Welt zu sehen ohne Vorurteile. Das ist Extrabreit!

Und wir finde mit dieser Einstellung passt Ihr hervorragend auf diese Festival – Danke, das war ein super Schlusswort von Dir! Und wir freuen uns auf mehr, auf November und auf Eure neue Single „Ewigkeit“!

Interview von Mostly Harmless im Oktober 2011

Mehr zum Thema:

Offizielle Homepage: die-breiten.de

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