Manche Künstler prägen nicht nur eine Musikrichtung – sie prägen Generationen.

Moses Pelham ist einer von ihnen. Mit jeder Zeile, jedem Beat und jeder Kollaboration hat er den Deutschrap nicht nur bereichert, sondern ihn mitgeformt, ihm eine Seele gegeben. Nach über drei Jahrzehnten im Rampenlicht steht er nun am Ende einer Reise, die so viel mehr ist als nur Musik. Es ist eine Geschichte von Kämpfen und Triumphen, von Glauben und Überzeugung, von Schmerz und Hoffnung.

In diesem Interview blickt Pressure-Chefredakteur Marcus Liprecht gemeinsam mit Moses Pelham zurück auf eine Karriere, die mit Worten Welten erschuf. Wir sprechen über die letzten Worte, die er auf seinem Abschiedsalbum festgehalten hat, über die bewegenden Momente auf seiner letzten Tournee und über das Vermächtnis eines Mannes, der es immer geschafft hat, in einer lauten Welt still und doch unüberhörbar zu sein.

Dies ist kein gewöhnliches Interview. Es ist ein Dialog über Kunst, Leidenschaft und das Ende eines Kapitels – und vielleicht auch der Anfang von etwas ganz Neuem. Sein Abschied von der Bühne markiert das Ende einer Ära – nicht nur für ihn, sondern für alle, die seine Musik über die Jahre begleitet hat.

Anlässlich seines letzten Studioalbums „Letzte Worte“ blicken wir sowohl auf die beeindruckende Karriere von Moses Pelham zurück als auch auf die emotionalen und künstlerischen Herausforderungen, die den Frankfurter Rapper auf seinem Weg begleitet haben. Nicht weniger als eine Reise durch sein gesamtes Werk.

Reflexion und Bewusstwerdung

Was hat es für dich bedeutet, nach über drei Jahrzehnten im Musikgeschäft deine „letzten Worte“ zu formulieren? Welche Gefühle haben dich beim Schreiben und Produzieren begleitet?

MP: Getrieben ist der ganze „Letzte Worte“-Gedanke natürlich davon, mein Werk selbstbestimmt, nach meinen Vorstellungen, im vollen Besitz meiner Kräfte zu vollenden und nicht irgendwelchen Dritten die Deutung meines Werkes zu überlassen. Mir erscheint das vor dem Hintergrund, dass ich über drei Dekaden für dieses Werk gekämpft habe und dabei so manches entbehrte, sehr naheliegend. Ich halte das für meine Pflicht. Meinem Werk und meinen Hörern gegenüber.

Das hier ist nicht irgendeine Spielerei, aus irgendeiner Laune heraus. Das ist mein Lebenswerk. 

Ich will nicht leugnen, dass während der Arbeiten am Album immer wieder Wehmut aufkam, aber da ist – Baruch HaShem – so viel mehr an Gefühlen, vor allem Dankbarkeit. 

Welche Botschaft möchtest du mit „Letzte Worte“ an deine Fans und die Musikindustrie weitergeben?

MP:„Letzte Worte“ hat, wie jedes andere Album an dem ich je arbeitete, nicht diese eine Botschaft. Schon gar nicht an die Musikindustrie. Das Ganze ist ja vor allem eine Auseinandersetzung mit mir selbst und noch immer die Suche nach den letzten Wahrheiten.

War es schwer zu entscheiden, welche Songs auf das Album kommen? Gibt es Tracks, die du bewusst weggelassen hast, obwohl sie dir wichtig sind?

MP: Ja, das ist mir sehr schwer gefallen. Ich habe noch Stücke, die ich ebensogut finde, wie die, die nun auf dem Album sind, die es aber nicht aufs Album schafften. Beispielsweise weil sie irgendwie nicht in den Ablauf passten oder zu nah an einem anderen Stück waren, inhaltlich oder musikalisch. Das schmerzt mich sehr und ich werde einen Weg finden, diese Stücke noch mit meinen Leuten zu teilen.

Eines dieser Stücke ist „Ca3sar & Moses (feat. Ca3sar)“, das wir auf der Tour spielten, ein anderes „One Love (feat. Curse)“.

Wenn du auf deine Karriere zurückschaust, wie siehst du deine Rolle in der Entwicklung des Deutschraps? Gibt es Momente, die für dich echte Wendepunkte waren?

MP: Ich glaube, dass – neben gewissen handwerklichen Fähigkeiten – mein größter Beitrag zur Entwicklung Deutschraps eine gewisse Öffnung war, also die Bereitschaft etwas mit meinen Hörern zu teilen, das man einem Dritten in einer normalen Unterhaltung niemals sagen würde. Das liegt aber natürlich daran, dass ich meine Kunst immer als Möglichkeit sah, mich mit mir und meinen Gefühlen – vielleicht besonders den unangenehmen – auseinanderzusetzen. 

Baruch HaShem gab es in den letzten 31 Jahren einige Momente, die ich als Wendepunkt bezeichnen würde. Das ganze Album „Direkt aus Rödelheim“, das übrigens auf den Tag genau 31 Jahre vor „Letzte Worte“ veröffentlicht wurde, ist ja ein einziger Wendepunkt, was Deutschrap angeht. „Schnaps für alle“ auf „Geteiltes Leid I“ ist ein Wendepunkt. Das Album „Geteiltes Leid 3“, das noch immer mein liebstes meiner Alben ist, ist ein einziger Wendepunkt.

Das Abschiedsalbum „Letzte Worte“

Wie hat sich der kreative Prozess für „Letzte Worte“ von deinen früheren Alben unterschieden? Hat es sich anders angefühlt, weil es dein letztes Album ist?

MP: Ich sammele ja immer, bevor es in die heiße Phase der Produktion geht, alles mögliche an Material: Zitate, Zeilen, Akkordfolgen, Sounds, einfach alles. Aber für kein Album habe ich so lange gesammelt, wie für „Letzte Worte“. Es gibt hier ganze Stücke, die ich dafür zur Seite legte, weil ich sie erst auf diesem Album veröffentlichen wollte. 

Das Wissen darum, dass das hier das letzte Album ist, schwebte tatsächlich immer über allem. Allerdings muss ich sagen, dass sich das Ganze nochmal veränderte, als wir dann wirklich in die heiße Phase gingen.

In meiner Vorstellung war „Letzte Worte“ ein sehr schweres Album, das nur Stücke wie „Der Anfang vom Ende“, „Alles verschwimmt“ oder „Besseres für uns“ enthält und sehr von der Frage, was ich hinterlassen möchte, geprägt ist.

Während der Produktion wurde aber die Frage, was ich vor dem Hintergrund, dass dies die letzte Gelegenheit ist, gerne nochmal machen würde, immer wichtiger. So entstanden Stücke wie „Sound Good“, „Alles was Du brauchst“ und „Kackvogel“, die mir in meiner ursprünglichen Vorstellung von „Letzte Worte“ zu infantil gewesen wären.

Aber erstens halte ich es für ein Abbild des Lebens, dass sich die Dinge anders darstellen, wenn man sie tatsächlich erlebt und da dann nochmal ganz andere Kräfte wirken, die man nicht antizipiert hatte und zweitens entstand so eine viel abwechslungsreichere Platte, die – wie mein Freund der Musikjournalist Jan Wehn bemerkte – irgendwie auch an eine Reise durch mein gesamtes Werk erinnert. Das gefällt mir gut, ohne, dass ich es geplant hätte, was ich übrigens für einen ganz wesentlichen Punkt im Umgang mit Kunst und erneut für ein Abbild des Lebens halte.

Viele Songs auf dem Album sind Kollaborationen. Warum hast du genau diese Künstler ausgewählt? Gab es Momente, in denen du überrascht warst, wie andere deine Ideen interpretiert haben?

MP: Bei Beiträgen anderer Menschen bin ich oftmals überrascht, wie sie meine Ideen interpretieren oder wie das Ganze dann letztlich klingt, so auch hier. Vor allem bin ich aber unglaublich dankbar, dass Menschen, deren Kunst ich sehr schätze, sonst hätte ich sie ja nicht um eine Kollaboration gebeten, mir diesen Gefallen taten und so zu meinem letzten Werk beitrugen.

Das ist ganz wundervoll, nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich. Es ist gut fürs Herz.

Einige Songtitel wie „Twilight Zone“ in Anlehnung an Raining Rhymes oder „Der Anfang vom Ende“ klingen sehr symbolisch. Wie spiegeln sie deine aktuelle Lebensphase wider?

MP: Im Moment ist es ja eher so, dass meine Lebensphase sich an diesen Stücken orientiert, als umgekehrt.

Gibt es einen Song auf dem Album, dessen Entstehung für dich besonders emotional oder schwierig war? Was war daran so besonders?

MP: Emotional war das alles und wenn es das nicht ist, hat es aus meiner Sicht überhaupt keinen Wert. Irgendwelche Schwierigkeiten gibt ja es immer, aber gerade bei diesem Album keine Besonderen, an die ich mich erinnere.

Abschiedstournee und Konzerte

Du hast gleich mehrere Shows in der Frankfurter Batschkapp gespielt – ein klares Statement zu deiner Heimat. Was bedeutet dieser Ort für dich, und wie hast du die Energie des Publikums dort erlebt?

MP: Für mich waren alle fünfzehn Konzerte dieser Tour sehr bewegend und etwas Besonderes, aber Frankfurt is´ halt Frankfurt und so waren die neun Konzerte, die wir hier spielten, nochmal ganz besonders.

Ich hatte dabei manchmal das Gefühl jeden einzelnen Menschen im Publikum zu kennen und natürlich ist die Batschkapp selbst auch irgendwie Geburtsort des Rödelheim Hartreim Projekts, wie wir es heute kennen, weil wir 1992, als wir dort zum ersten Mal auftraten, nach der Show ein anderes Verständnis davon hatten, was das RHP eigentlich ist, als vor der Show.

Wie ging es dir körperlich und mental, so viele Konzerte hintereinander zu spielen? Was hat dich motiviert, trotz aller Anstrengungen weiterzumachen?

MP: Ich wusste ja schon ein gutes Jahr vorher, was das für ein harter Ritt wird und hatte so genügend Zeit, mich dafür fit zu machen. Ich hab´ wirklich 26 Kilo abgenommen, um diese Tour spielen zu können und war tatsächlich, wie ich es in „Sound Good“ formuliere, in der Form meines Lebens.

Gab es einen bestimmten Moment auf der Tour, der dir besonders naheging oder in Erinnerung geblieben ist?

MP: Auf der Bühne zu stehen ist für mich immer besonders, aber diese Tour war natürlich nochmal ganz besonders, die Liebe von der das Ganze getragen war wird mir ewig in Erinnerung bleiben und bestärkt mich in meiner Entscheidung.

Wie hat es sich angefühlt zu wissen, dass diese Tour deine letzten Live-Auftritte sind? Fiel es dir schwer, das Kapitel Live-Musik zu beenden?

MP: Auch hier: Natürlich gibt es ein Gefühl der Wehmut, das will ich keinesfalls verhehlen, aber es war mir ein solches Anliegen, das Ganze ordentlich zu Ende zu bringen und so überwiegt auch hier bei weitem die Dankbarkeit.

Zukunft und persönlicher Wandel

In unserem kurzen Gespräch nach der München-Show sagtest du, dass du dich in Zukunft möglicherweise anderen Projekten wie „Podcasts“ oder „kleineren Musikformaten“ widmen möchtest. Wie stellst du dir dieses neue Kapitel vor?

MP: Ich war die letzten anderthalb Jahre ganz und gar damit beschäftig, diese Sache ordentlich zu Ende zu bringen und hatte so noch überhaupt keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen, wie es für mich danach weitergeht.

Was möchtest du jungen Künstlern, wie etwa deinem Tour-Support CA3SAR mitgeben, die eine musikalische Karriere vor sich haben?

MP: CA3SAR ist mit seinem Talent in Kombination mit seiner Hingabe, seiner Zuverlässigkeit, seiner Akribie und seinem unermüdlichen Arbeitswillen ein ganz und gar spezialgelagerter Sonderfall und ganz allgemein habe ich nicht den Eindruck, jungen Künstlern irgendetwas mitgeben zu müssen.

Welche Rolle haben die Erinnerungen und die Energie der Fans bei der Verarbeitung dieses Abschieds gespielt?

MP: Eine sehr große natürlich, ich habe die Liebe, die ich bei jedem der Konzerte erfuhr, sehr genossen.

Was möchtest du den Menschen sagen, die dich seit den Anfängen begleitet oder deine Musik erst kennengelernt haben?

MP: Ich glaube, dass meine Kunst viel besser formuliert, was ich zu sagen habe, als ich es hier je könnte.

Wenn man in zehn Jahren über Moses Pelham spricht – was wünschst du dir, dass über dich und deine Musik gesagt wird?

MP: Frei nach Hermann Hesse: Moses Pelhams Kunst erwies ihre Daseinsberechtigung daran, daß sie nicht nur Vergnügen machte, sondern auch direkt ins Leben wirkte, als Trost, als Klärung, als Mahnung, als Hilfe und Stärkung beim Bestehen des Lebens und Überwinden des Schweren.

Das Moses Pelham Interview führte Marcus Liprecht im Januar 2025

Die Song-Features von „Letzte Worte“: Eine Hommage an Wegbegleiter und musikalische Vielfalt

Auf seinem Abschiedsalbum „Letzte Worte“ präsentiert Moses Pelham eine beeindruckende Featureliste, die nicht nur die Vielfalt seines musikalischen Schaffens, sondern auch die tiefen Verbindungen zu seinen Wegbegleitern widerspiegelt. Jeder Gast auf diesem Album steht für eine Phase, einen Stil oder eine besondere Beziehung in Pelhams Karriere. Von langjährigen Gefährten wie Xavier Naidoo, der auf „Der Anfang vom Ende“ und „Sound Good“ seine unverkennbare Stimme beisteuert, bis hin zum Offenbacher Haftbefehl und der Punchline-Legende Peppa, die in „Benelli M4“ die Brücke zwischen Tradition und moderner Straßenpoesie schlagen, zeigt Pelham seine Offenheit und seinen Einfluss über Genregrenzen hinweg.

Ein weiteres Highlight ist die Zusammenarbeit mit Michael Patrick Kelly auf „Callin‘ The Other Side“, die eine sanfte, melodische Note in das Album bringt und Pelhams Hang zu emotionalen Tiefen unterstreicht. Ebenso kraftvoll ist die Verbindung zu den Böhsen Onkelz in „Besseres für uns“, einem Track, der Provokation und Reflexion zugleich verspricht. Neben etablierten Künstlern wie Cassandra Steen und Illmat!c, die auf „Alles was Du brauchst“ harmonieren, zeigt Pelham mit Features wie Hagen Stoll und Snaga, dass er auch abseits des Mainstreams starke Allianzen schmiedet.

Diese Featureliste liest sich nicht wie eine zufällige Ansammlung von Namen, sondern wie eine bewusste Auswahl von Künstlern, die in Pelhams Leben und Werk eine Rolle gespielt haben. Sie spiegelt nicht nur Respekt und Freundschaft wider, sondern auch die musikalische Vielfalt, die Moses Pelham über Jahrzehnte hinweg definiert hat. Jedes Feature ist mehr als ein Gastauftritt – es ist ein Teil seiner Geschichte, seiner Abschiedsbotschaft, seiner „letzten Worte“.

Mehr zum Abschied von MOSES PELHAM im Pressure Mag:

Unseren Konzertbericht zur Abschiedstournee aus München lest hier HIER.

Moses kocht: Mehr über das vegetarische Rezeptbuch des Rappers erfahrt ihr HIER.

Checkt die offizielle Künstlerseiten mosespelhamletzteworte.de und 3-p.de

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