Hagen Stoll Interview zum Album "Plus Minus Null" (2022)
Hagen Stoll Interview zum Album "Plus Minus Null" (2022)

Plus Minus Null“ lautet der Titel des kommenden Albums von HAGEN STOLL. Der gleichnamige Musiker und Produzent aus Berlin-Marzahn kommt mit neuen Ideen und einem wortgewaltigen Gewitter an Liedern. Hagen, oder vielen auch bekannt als Joe Rilla, ist nicht nur Sänger, sondern auch Berliner Rap-Schwergewicht, Blues-Musiker und Produzent. Mit seiner neuen Veröffentlichung meldet er sich auch im Rock zurück. Direkt, brachial und Hardcore. Mit tiefschürfenden Liedern über Leben, Liebe, Leid und Schmerz geht Hagen Stoll dahin, wo es weh tut und mit emotionaler Tiefe für Gänsehaut sorgt.

Nachdem mit der Album-Teaser einen ersten musikalischen Vorgeschmack geboten war, wollten wir genauer nachfragen. Mit dem Pressure Magazin sprach Hagen Stoll über seine Lebens-Geschichte, die Vielseitigkeit seiner Musik und seine Zeit mit der Band „Haudegen“. Am 29. Juli erscheint das neueste Studioalbum „Plus Minus Null“, im Interview gibt uns Hagen Auskunft über die Entstehung der Platte und welche Themen ihm beim Songwriting wichtig waren.

Bitte stell dich unseren Lesern vor, die bislang möglicherweise noch keine Berührungspunkte mit dir und deiner Musik hatten.

Mein Name ist Hagen Stoll und habe vor über 20 Jahren mit der Musik angefangen.
Unter dem Namen „Joe Rilla“ habe ich mir in der damals neu entstehenden Hip-Hop-Kultur meinen Namen als „die Stimme aus dem Osten“ und innovativer Produzent gemacht. Einige Zeit später landete ich gemeinsam mit anderen Rappern, wie Sido und B-Tight auf dem Berliner Label Aggro Berlin.

2009 entschied ich mich, meinen Fokus auf ein anderes Genre zu verschieben, welches mich musikalisch herausforderte. Der Rock und das Singen. Die Band Haudegen entstand und innerhalb sehr kurzer Zeit konnten wir damit die ersten Erfolge feiern. Major-Label, große Touren, eine tolle Fangemeinschaft und Top-10 Alben folgten auf dieser intensiven Reise.

Seit dem Ende von Haudegen vor 2 Jahren habe ich mit meiner Frau mein altes Label „Plattenbau Ost“ reaktiviert und veröffentliche darauf stetig meine Musik. Dabei setze ich mir keine Grenzen mehr, was das Genre angeht.

Ob Rap, Blues oder Rock, ich bin Musiker und liebe es mich, mit Musik auszudrücken.

Kürzlich ist mit „Nie wieder“ ein neuer Song erschienen. Was drückt der Song aus deiner Perspektive aus?

Für mich geht es in dem Song darum, seine eigene Stärke wiederzufinden, in dem man sich aus einem Umstand befreit, der einen unglücklich macht. Das kann eine Beziehung, eine Freundschaft, ein Arbeitsplatz oder ein Wohnort sein. Das befreiende Gefühl eine Veränderung geschafft zu haben und das Wissen darum, dass man nie wieder in einer solchen Situation landen will. Seit dem Release des Songs erreichen mich Geschichten, die teilweise wirklich ans Herz gehen. Menschen, die aus gewalttätigen Beziehungen kommen oder in ihrem Umfeld so gemobbt wurden, dass Ihre Gesundheit massiv darunter gelitten hat. Menschen, die sich aus diesen Situationen freigeschaufelt haben und ihre Stärke zurückgefunden haben. Ich finde das unheimlich beeindruckend, weil das oft stille Kämpfe sind. Manchmal möchte man die Welt anschreien, weil man das Gefühl hat allein in einer ausweglosen Situation gefangen zu sein. Und wenn man es dann doch aus der Situation geschafft hat, will man es auch in die Welt herausschreien. Und dieses Gefühl findet sich in dem Song „nie wieder“.

Warum war es dir wichtig, in diesem Song deutlich härtere Klänge anzuschlagen? Hängt diese unverblümte Direktheit und Härte auch mit weltpolitischen Krisenzeiten und Nachrichtenüberdruss zusammen?

Natürlich spielen die weltpolitischen und gesellschaftlichen Ereignisse immer eine Rolle, wenn ich Musik erschaffe, weil mich das Weltgeschehen in meinem Alltag beeinflusst und ich in meinen Songs verarbeite, was mich bewegt.

In dem Song „Nie wieder“ verarbeite ich meine persönliche Geschichte. Ich nenne den Stil „Heart-Rock“, was so viel bedeutet, wie starke Emotionen, die auf starke Gitarren treffen. Ich mochte schon immer Direktheit in meinen Songs, egal in welchem Genre.

Ein Sprichwort besagt: „In der Krise zeigt sich der Charakter“, was meinst du, wie sich Politik und Gesellschaft die vergangenen 2 Jahre entwickelt haben?

Ich denke, dass die letzten zwei Jahre eine neue Erfahrung für uns alle war, da mache ich keinen Unterschied zwischen Politik und Gesellschaft, denn beides besteht aus Menschen. Wir sprechen Zuhause viel darüber, welche Auswirkungen die Krisen der letzten Jahre jetzt schon haben und über die zukünftigen Auswirkungen, die möglicherweise noch auf uns zukommen.

Ich denke, es gibt permanent Krisen und die gab es auch schon immer. Die Art ändert sich lediglich und durch die weltweite Vernetzung bekommen wir viel mehr mit. Manchmal erschlägt es einen regelrecht. Ich habe in den letzten zwei Jahren sehr deutlich gemerkt, dass es unglaublich wichtig ist, den Fokus nicht zu verschieben. Insbesondere sollte man zusehen, dass man nicht nur noch die negativen Dinge wahrnimmt, da man sonst in ein Loch fällt, in dem nichts als Verzweiflung, Hilflosigkeit und Wut zu finden ist.

Es sind aber nicht nur negative Ding passiert in den letzten Jahren. Menschen haben sich verliebt, Kinder wurden geboren und es gab vielleicht berufliche oder private Erfolge. Ich glaube, es ist wichtig für sich persönlich eine Waage zu finden und positives wie auch negatives wahrzunehmen. Diese Überlegungen haben übrigens zu meinem Logo „Plus Minus Null“ geführt.

Was ist deiner Selbsteinschätzung nach deine stärkste Charaktereigenschaft?

Ich bin ein Mensch, der sich sehr gerne auf etwas fokussiert. Wenn ich mir etwas vornehme, dann arbeite ich sehr hart und konsequent daran, es zu erreichen. Diese Eigenschaft habe ich von meinem Vater. Das klingt zwar sehr ernst, bedeutet für mich aber auch Spaß. Zum Beispiel, das Gitarre lernen. Ich wollte es immer lernen, aber mir hat die Zeit gefehlt, mich über die üblichen drei Akkorde hinaus damit zu beschäftigen. Während des Lockdown war dann plötzlich die Zeit da und ich habe meinen Fokus darauf gelegt. Ich habe jeden Tag geübt und geübt und hatte riesigen Spaß dabei. Jetzt, zwei Jahre später, habe ich die ersten Male Live gespielt und mich selbst begleitet. Ein unglaublich schönes Gefühl, wenn man etwas schafft, was man sich gewünscht oder vorgenommen hat!

Deine Songs handeln vom Leben, der Liebe, Leid und Schmerz. Wenn du die Wahl hättest, welche Fehler oder „kleine“ Sünden würdest du nochmal und welche davon lieber ungeschehen machen?

Ungeschehen kann man nichts machen, daher habe ich mich dazu entschieden zu einigen Menschen ein ehrliches „tut mir leid“ zu sagen. Das Tolle daran ist und war, dass die Menschen, die mir wichtig sind, an meiner Seite geblieben sind, weil sie fest darauf vertraut haben, dass ich selbst auf den Trichter komme, wenn ich mal eine falsche Entscheidung getroffen habe. Sie haben mir die Zeit gegeben, meine Erfahrungen zu machen, darauf vertraut, dass ich mit der Zeit selbst merke, was wichtig ist und was ich ablegen kann. Aus diesen Erfahrungen ziehe ich meine Inspiration, also haben auch die negativen etwas Positives.

„Plus Minus Null“ ist der Titel deines angekündigten Albums. Auf welche musikalischen Einflüsse und Themenschwerpunkte dürfen wir uns freuen?

Wie hattest du gesagt? Leben, Liebe, Leid und Schmerz. Das trifft es ganz gut. Das Album ist meine Therapie, in welcher ich die unterschiedlichen Gefühlsphasen der letzten Jahre verarbeite. Texte zum Nachdenken und sich wiederfinden und Musik, die der Stärke der Gefühle Ausdruck verleiht. 

Etwas härter als der „Rock“, den man bisher von mir kennt. Im Album Snippet bekommt man, denke ich einen guten Eindruck, was einen erwartet.

Welche Ereignisse haben dich in der Schaffenszeit des Albums für das Schreiben der Songs inspiriert und was hat die Produktion diesmal besonders gemacht?

Das Beenden eines Lebensabschnitts und der Start in einen neuen war neben allem, was in der Welt passiert ist, extrem einschneidend in den letzten zwei Jahren für mich. Schreiben war für mich schon immer ein sehr persönlicher Prozess und ich habe mir endlich mal wieder richtig Zeit genommen, um meine Gedanken auf den Punkt zu bringen. Etwas, das ich in den Jahren davor immer mehr aus den Augen verloren hatte, weil ich das Gefühl hatte schnell liefern zu müssen.

Gibt es einen Veröffentlichungszeitraum und wie realistisch sind Live-Termine ab der Veröffentlichung?

Das Album erscheint am 29.07.2022. Keine große Promotion-Phase und Schnickschnack. Ich will den Leuten zeigen, woran ich gearbeitet habe und das Album für sich sprechen lassen.

Ein erster Live-Termin ist im November geplant, und ich hoffe, da kommen noch einige dazu. Die Live-Musik Branche steckt wie viele andere in einer Krise. Personal fehlt und Preise steigen, was am Ende die Besucher zu spüren bekommen. Wir versuchen trotzdem durchzuhalten und Lösungen zu finden, weil Live Musik meiner Meinung nach einfach noch immer eine besondere Erfahrung für Künstler und Publikum ist, die durch nichts digitales ersetzbar ist.

In der Vergangenheit hatten deine Alben verschiedene musikalische Einschläge von deutschsprachigem Sprechgesang, rockige Ballade oder ruhigem Jazz. Bist du mit den aktuellen Songs dabei, dich neu zu erfinden?

Neu erfinden ist, glaube ich, die falsche Beschreibung. Ich bin alles davon: Sänger, Rapper, Blueser, Produzent. Ich sammle das unter den Begriffen Musiker und Autor und habe mich nie damit wohlgefühlt in einer Schublade stattzufinden.

Der Rock ist genauso Teil von mir wie der Hip-Hop und der Blues. Ich habe das akzeptiert und merke, dass die Leute da draußen das auch tun. Ich sehe immer mehr Rockfans, die auf der RILLA Seite auftauchen und umgekehrt.

Hagen Stoll Interview zum Album "Plus Minus Null" (2022)

Meine Hörer wissen, dass ich keinen Quatsch erzähle. Egal, ob mit Gitarrenmusik oder einem Beat. Wenn man die Musik fühlt, dann muss da kein Label drauf.

Mit deiner Zeit als „Haudegen“ sind 10 Jahre vergangen. Welche Erinnerung hast du aus heutiger Sicht an diese musikalische Reise.

Ich habe unfassbar schöne Erinnerungen und auch ein paar weniger schöne Erinnerungen an die Zeit mit Haudegen. Ich habe tolle Menschen getroffen, habe tolle Orte gesehen und ich konnte von dem, was ich liebe leben. Auf der anderen Seite habe ich auch Menschen getroffen, die den Erfolg ausnutzen wollten und stand unter permanentem Druck den Status quo aufrechtzuerhalten. Eine sehr durchwachsene Reise also wie das meistens ist.

Warum ist diese gemeinsame Reise zu Ende gegangen?

Ich werde nicht darüber sprechen, was genau vorgefallen ist, dass dazu geführt hat und warum es für mich nicht mehr möglich war Haudegen fortzuführen. Zum einen, weil es eine Ansammlung privater Vorfälle war und zum anderen, um die Privatsphäre von anderen involvierten Menschen zu schützen.

Ich kann aber darüber sprechen, was für mich die Konsequenzen dieser Entscheidung waren. Vielleicht um zu verdeutlichen, dass ich diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen habe. Vielleicht, um der Trauer Raum zu geben, die mit jedem Abschied einhergeht.

Ich habe 10 Jahre all meine Kreativität in ein Projekt investiert, von dem ich dachte es bis an mein Lebensende fortzuführen. Ich habe in hunderten Songs meine Worte verewigt, Melodien komponiert und tausende Menschen erreicht, die diese gefühlt haben. Haudegen hat eine finanzielle Sicherheit bedeutet, die für Künstler heutzutage eine absolute Seltenheit ist.

Ich denke, dass niemand glauben kann, dass all das aus einer Laune heraus aufgegeben wird.

Ich lebe mit den Konsequenzen meiner Entscheidung. Dafür habe ich Frieden in meinem Kopf und meinem Herz und bin bereit etwas Neues zu schaffen.

Besteht noch Kontakt zu Sven und wie realistisch ist der Gedanke an ein weiteres gemeinsames Album?

Es besteht kein privater Kontakt mehr und es wird definitiv kein weiteres gemeinsames Album geben.

Das Hagen Stoll Interview wurde geführt von Marcus Liprecht im Juli 2022

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Mehr Infos gibt’s bei Hagen Stoll auf der offiziellen Seite

„PlusMinusNull“ erscheint am 29.07.2022

Die CD gibt’s direkt bei www.plattenbau-ost.de oder auf Amazon.de

Jetzt Reinhören in das Album „PlusMinusNull“, erhältlich ab 29.7.2022 überall Online & im Stream

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