Soulleech sind als Metalcore-Band relativ neu in der Musikszene aufgetaucht. Doch ganz unbekannt sind die Musiker keineswegs. Obwohl die Formation neu ist, besteht sie aus erfahrenen Mitgliedern der Bands Let’s Kill The Captain, The Disaster Area und Nesaia. Was genau hinter ihrem neuen Projekt steckt und wie es um ihre bisherigen Bands steht, verraten uns die Jungs im Interview.
Fangen wir mal mit dem Namen an. Er klingt ziemlich eindrucksvoll: „Soulleech“, was man grob als „Seelenaussauger“ übersetzen könnte. Das ist nicht gerade ein freundlicher Name. Wie seid ihr auf diesen Namen gekommen, und was steckt dahinter?
Die Bedeutung hinter dem Namen ist tatsächlich eher vage. Wir haben uns eine Weile intensiv mit dem Brainstorming beschäftigt, verschiedene Kombinationen ausprobiert und viel gegoogelt. Unser Ziel war es, einen Namen zu finden, der einprägsam ist, sich gut visualisieren lässt und ein echtes Alleinstellungsmerkmal bietet. Nachdem wir verschiedene Optionen durchgegangen sind, sind wir schließlich bei „Soulleech“ gelandet und waren damit ziemlich zufrieden.
Tja, ihr habt auf jeden Fall erreicht, dass ich die Frage nach dem Namen stellen musste – also habt ihr schon mal Aufmerksamkeit erregt! Lassen wir das als gelungenen Anfang durchgehen und kommen wir zum nächsten Punkt.
Markus, du jonglierst ja mit ziemlich vielen Rollen: Soulleech, Nesaia, The Disaster Area, dazu noch dein Fotografenjob und natürlich dein Privatleben. Wie bekommst du das alles unter einen Hut? Hast du irgendwie mehr als 24 Stunden am Tag oder ist das ein gut gehütetes Geheimnis?
Die Frage bekomme ich oft, und ehrlich gesagt, ist es nicht immer einfach. Lange Zeit hat es gut geklappt, weil ich auch schon mehrere Projekte gleichzeitig betreut habe. Die verschiedenen Bands funktionieren so, dass ich nicht jede Woche zu Proben muss. Oft treffen wir uns nur einmal im Monat oder sogar noch seltener. Bei The Disaster Area haben wir beispielsweise nur vor Auftritten geprobt.
Soulleech ist da natürlich etwas aufwendiger, weil wir nur zu dritt sind und alles selbst koordinieren müssen. Wir wohnen ja auch recht weit auseinander – ich in Jena, Alex in München und Fynn in Kassel. Unsere Treffen sind echte Marathon-Ereignisse, bei denen wir manchmal bis spät in die Nacht arbeiten, wie beim letzten Dreh bis Mitternacht.
Mein privates Business wächst ebenfalls enorm. Ich habe mein Team von zwei auf acht Personen vergrößert, was natürlich auch eine Menge Arbeit mit sich bringt. Also, um es ehrlich zu sagen: Ich kriege es nicht immer ganz unter einen Hut und der Schlaf bleibt manchmal auf der Strecke. So sieht es momentan aus.
Okay, also auch du bist nur ein Mensch. Das ist beruhigend zu hören, aber ich hoffe, dass sich bald alles etwas entspannen wird und du wieder richtig durchatmen und durchschlafen kannst.
Kommen wir noch einmal zu einem Punkt zurück, den wir eben schon angesprochen haben. Ihr kommt aus verschiedenen Bands. Fynn, du bist noch bei Let’s Kill The Captain, und Alex und Markus, ihr wart bei The Disaster Area, und Markus, du bist auch noch bei Nesaia. Alex und Markus, die Frage geht an euch: The Disaster Area ist ja keine unbekannte Band. Ihr wart unter anderem mit Electric Callboy auf Tour und zuletzt im Dezember mit Callejon. Jetzt wurde es jedoch etwas ruhiger um euch. Geht ihr getrennte Wege, und ist Soulleech vielleicht eine Art Ersatz für euch? Alex, magst du beginnen?
Zunächst einmal möchten wir klarstellen, dass Soulleech niemals als Ersatz für The Disaster Area gedacht war. Soulleech entstand aus der Idee heraus, dass wir drei uns unglaublich gut verstehen und die Gelegenheit nicht verpassen wollten, gemeinsam ein Projekt zu starten. Das war bereits im Dezember 2022 der Fall. Natürlich ist es auch nicht zu leugnen, dass Soulleech eine neue Richtung für uns darstellt und es wäre auch vermessen zu behaupten, dass es jetzt nicht The Disaster Area für uns abgelöst hätte.
Möchtet ihr die Gründe dafür näher erläutern?
Der Hauptgrund ist, dass wir das Gefühl hatten, es lohnt sich nicht mehr, so viel Energie in The Disaster Area zu stecken, vor allem weil es einige persönliche Veränderungen gab.
Es standen schon länger Überlegungen im Raum, dass ‚The Disaster Area‚ möglicherweise nicht mehr lange bestehen bleibt.
Einige von uns haben Familien, die viel Zeit in Anspruch nehmen, und TDA hat über lange Zeit viel Energie gefordert. Markus und ich hatten andere Vorstellungen, und wir wollten ein Projekt, in dem wir unser volles Engagement einbringen können. Das haben wir in Soulleech gefunden.
Gehst du da mit, Markus?
Ja, da stimme ich absolut zu. Irgendwann gibt es einfach diesen Punkt, an dem die Lebenswege der Bandmitglieder in unterschiedliche Richtungen driften. Das ist ähnlich wie in einer Beziehung, wo sich die Ziele ändern und es irgendwann nicht mehr so gut zusammenpasst. Dann ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein und zu sagen: „Es war eine großartige Zeit bis hierhin, aber vielleicht ist es jetzt der richtige Moment, um getrennte Wege zu gehen und sich auf das zu konzentrieren, was einem am besten entspricht.“
Schauen wir uns Soulleech an. Euer Genre ist Metalcore. Ihr habt alle Metalcore-Hintergründe, aber wieso ist es genau Metalcore geworden? Warum nicht eine andere Richtung wie Rock oder Pop? Liegt eure Leidenschaft wirklich so stark im Metalcore? Alex, wie siehst du das?
Ich kann nur für mich sprechen, aber für mich ist es tatsächlich Gewohnheit. Ich höre selbst kaum Metalcore, finde aber, dass es kaum eine andere Musikrichtung gibt, die live so viel Spaß macht. Klar, Pop und ähnliche Genres wären auch live spannend, aber Metalcore bringt einfach so viel Energie und Power mit, die ich beim Live-Spielen richtig genießen kann. Für mich ist Musik vor allem das Live-Erlebnis, und da ist Metalcore einfach perfekt.
Also, wenn ich das richtig verstehe, machst du Metalcore, hörst aber nicht wirklich Metalcore?
Genau, und ich glaube, ich bin da nicht der Einzige.
Zustimmendes Nicken der Anderen.
Fynn und ich reden zum Beispiel oft über Musicals.
Metalcore und Musicals. Markus, machen wir mit M weiter. Wie ist es bei dir?
Ich stehe mega darauf die Musik zu machen. Privat höre ich jetzt so viel Metalcore auch nicht. Ab und zu schon, so die aktuellen Alben auch gerne mal. Aber bei mir laufen privat eigentlich eher ruhigere Sachen. Paula Hartmann z.B. also eigentlich Deutschrap. Das ist ganz vorne bei mir dabei. Aber ich liebe es einfach, die Art von Musik zu machen. Die Ausdrucksform spielt da eine wichtige Rolle bei mir.
Fynn, welche Musicals hörst du denn privat, wo du dich dann mit Alex drüber unterhältst?
High School Musical.
Natürlich, ist auch das beste Musical. Da ist Zac Efron dabei. Bin voll bei dir.
Neben den Klassikern wie „Tanz der Vampire“, „The Greatest Showman“ haben wir neulich auch über „La La Land“ gesprochen. Persönlich höre ich aber auch viel Deutschrap, rockige Musik, Pop und Akustik. Trotzdem liebe ich Metalcore und höre es auch ziemlich viel. Für mich bedeutet Metalcore, besonders im modernen Kontext, dass man verschiedene Elemente und Einflüsse unter einem kraftvollen Dach vereinen kann. Es erlaubt, diverse Genre-Elemente einzubringen und kreativ zu experimentieren. Deshalb habe ich mich für Metalcore entschieden – es gibt mir die Freiheit, musikalisch vielseitig zu sein.
Okay, dann kommen wir mal zu dem Elefanten im Raum. Ihr seid eine Band, die keinen Schlagzeuger hat? Wo ist der Schlagzeuger? Wer spielt das Schlagzeug in den Songs?
Das ist ein Thema, das wir intensiv diskutiert haben. Wir haben verschiedene Optionen erwogen, auch die Möglichkeit, einen Schlagzeuger hinzuzufügen. Letztendlich haben wir uns jedoch entschieden, dass die Zusammenarbeit zu dritt momentan hervorragend funktioniert und wir keine vierte Person integrieren möchten. Falls uns jemand begegnet, der sowohl menschlich als auch musikalisch perfekt passt, könnten wir das in Betracht ziehen. Aber im Moment haben wir festgestellt, dass wir keinen zusätzlichen Schlagzeuger benötigen.
Jetzt mal ehrlich, wie fühlt es sich für euch an? Ihr habt bereits in euren früheren Bands Erfolge erzielt und müsst jetzt wieder ganz neu anfangen. Ist es komisch, plötzlich wieder als Newcomer dazustehen? Alex, wie ist deine Meinung dazu?
Bis jetzt haben wir das eigentlich nicht so empfunden, aber das könnte daran liegen, dass wir mit Soulleech noch keinen direkten Kontakt zur Szene hatten. Vielleicht wird es irgendwann den Moment geben, in dem wir uns dabei erwischen, dass wir es anders sehen. Momentan ist das aber noch nicht der Fall.
Markus, wie ist es für dich, von einer renommierten Band jetzt wieder ganz neu anzufangen?
Ich sehe das eigentlich ganz anders. Hier ein Beispiel: Ein Freund von mir ist vor einiger Zeit als Bassist in eine damals recht bekannte Band in Leipzig eingestiegen. Als ich ihm dazu gratulierte, sagte er, dass es ihm komisch vorkam, weil er sich immer noch als derselbe Mensch sah wie vorher. Dieser Gedanke hat sich bei mir festgesetzt. Egal, ob ich bei The Disaster Area spiele, bei Nesaia bin, bei Pathwalker aushelfe oder mit Soulleech arbeite – wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich immer noch dieselbe Person und bringe dieselbe Erfahrung mit wie am Tag davor. Ich habe mich nie über andere gestellt, weil ich bei TDA oder in einer größeren Band gespielt habe, und das werde ich auch in Zukunft nicht tun.
Sehr schöne Geschichte und schöne Antwort. Lassen wir das als Abschluss mal so stehen, damit es nachwirken kann. Vielen Dank.
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Bandfoto Credits: Sio Motion