Blut, Gemetzel, Mord und Todschlag. Damit haben Sarah „Sin“ Blackwood und ihre Bandkollegen täglich zu tun. The Creepshow gehört international zu den erfolgreichsten Bands in ihrem Genre. Auf ihrer Welttournee besuchten die kanadischen Horrorpunks auch Berlin. Redakteurin Diana Ringelsiep vom Pressure Magazine führte das Interview.
Zitternd sitzt sie im Backstage-Bereich eines Berliner Clubs. Es ist kalt in dieser Novembernacht und die Heizung ist kaputt. Sie trägt einen schwarzen Pullover, der ihr mindestens drei Nummern zu groß ist – er gehört ihr nicht. Hellblonde Strähnen ragen unter ihrer Kapuze hervor, immer wieder versucht sie, die Haare wegzupusten. Als der Veranstalter den Kopf zur Tür hereinstreckt, wandern ihre grünen Augen blitzschnell zu ihm hinüber. Mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen gibt sie ihm zu verstehen, dass es gerade ungünstig ist. Er wirft einen Blick auf das Diktiergerät, das auf dem Tisch vor ihr liegt und verschwindet ohne ein Wort.
Ihre zierlichen Hände schieben lautlos die viel zu langen Ärmel des schwarzen Pullovers zurück und sie greift nach einem Löffel. Noch immer zitternd vor Kälte, versucht sie umständlich, damit den Teebeutel aus ihrer Tasse zu fischen. Dann hat sie ihn. Balanciert ihn auf dem Löffel Richtung Aschenbecher, doch auf halber Strecke fällt der kleine, nasse Sack mit einem Platsch auf den Tisch. Sie muss lachen: „Oops!“, dann nimmt sie einen Schluck Tee und wärmt ihre Hände an der Diddl-Tasse – das Zittern lässt nach.
Die Kanadierin Sarah „Sin“ Blackwood ist die Frontfrau einer der erfolgreichsten Horrorpunk-Bands weltweit. Das einmal von sich behaupten zu können, war wohl das Letzte, woran sie bei der Gründung von The Creepshow dachte. Jedoch nicht aus Bescheidenheit, wie man nun vielleicht vermuten mag. Denn Sarah hatte mit der Bandgründung vor fünf Jahren schlicht und einfach nichts zu tun. Es war ihre ältere Schwester Jennifer, die mit drei Freunden The Creepshow ins Leben rief, um über den Tod zu singen.
Sarah fieberte von der ersten Stunde an mit, und als schließlich das Debüt-Album erschien, war sie mächtig stolz auf ihre große Schwester. Denn als Sängerin einer Horrorpunk-Band, war diese eine echte Rarität. Das Album „Sell Your Soul“ kam dementsprechend gut an und auch auf Konzerten bekam die Band durchweg positives Feedback seitens des Publikums. Knappe zwei Jahre später, wurde Jennifer schwanger. Sie konnte nicht weiter touren, Ersatz musste her. So kam Sarah zur Band wie die Jungfrau zum Kind. Überraschend, jedoch wie für die Rolle gemacht. Schon nach wenigen Wochen gingen sie in neuer Zusammensetzung auf Tour. Von da an war es sowohl um Sarah, als auch um das Publikum und ihre männlichen Bandkollegen geschehen – es sollte einfach sein.
Sarah liebt es, in diese Rolle zu schlüpfen und jegliche Moralvorstellung und Sittlichkeit über Bord zu werfen.
Monster, Zombies, Gruselkram – all das bedeutet für sie unbeschwerte Fröhlichkeit: „Wir lieben dieses Horrorzeugs, schließlich sind wir in unseren Herzen doch alle noch Kinder!“, sagt sie lächelnd und ihre Augen strahlen wie die, einer Zehnjährigen an Halloween. Horrorpunk ist ein Rückzugsort, eine fiktive Traumwelt, in der es noch möglich ist, sich über Grenzen hinwegzusetzen.
Plötzlich fällt ihr eine Geschichte von der letzten Tour ein und sie muss lachen. Es war eine dieser Shows mit viel Horror-Make-Up und Kunstblut. Nach dem gemeinsamen Auftritt mit der Band Demented Are Go sind dann noch alle zusammen in eine Bar gegangen. Als Stan, von der besagten anderen Band, müde wurde, ist er allein ins Hotel zurückgekehrt und dort in der Lobby eingeschlafen. Natürlich hatte auch er noch überall Make-Up-Reste im Gesicht und als der Rezeptionist bemerkte, dass dem schlafenden Gast Blut aus den Ohren läuft, hat dieser sofort einen Krankenwagen gerufen. So kam es dann, dass der betrunkene Stan schließlich im Krankenhaus wach wurde und echte Schwierigkeiten hatte, den Leuten dort zu erklären, dass mit ihm alles in Ordnung sei. Sarah reibt sich lachend die Oberschenkel, irgendwann würde sie all diese Tour-Storys einmal aufschreiben und als Buch herausbringen.
Eifersüchtig sei ihre Schwester nicht auf all die Dinge, die Sarah mit der Band erlebt oder auf die Orte, die sie während einer Tour besucht. Jennifer habe sich damals bewusst für ein anderes Leben entschieden und sei sehr glücklich mit ihrer kleinen Familie. Doch die unbeschwerte Fröhlichkeit, die Sarah bis eben umgab, ist nun verschwunden. Unkonzentriert versucht sie, ihren Nagellack abzuknibbeln – schwarze Teilchen rieseln auf ihren Schoß. Ihr Blick wandert zu der Wand hinter dem alten, braunen Sofa. Viele bekannte Bands, die vor ihr hier waren, haben sich dort bereits verewigt. „Weißt du“, sagt sie plötzlich, „ich bin mittlerweile länger ein Teil dieser Band, als meine Schwester es je war. Es macht mich müde, immer wieder nach ihr gefragt zu werden…“.
Vielleicht ist es auch genau diese Müdigkeit gewesen, die Sarah vor zwei Jahren dazu bewegt hat, ihr erstes Solo-Album herauszubringen.
„Way Back Home“ heißt die Debüt-CD, die damals fast zeitgleich zum zweiten The Creepshow Album „Run For Your Life“ erschienen ist. Seitdem lebt sie in zwei Welten. Sarah „Sin“ Blackwood auf der einen Seite – die Rockröhre, die in heißen Outfits und mit Kunstblut beschmiert, von Zombies und Dämonen singt und damit ganze Konzertsäle zum Kochen bringt. Und Sarah Blackwood, auf der anderen Seite – die Folk-Sängerin, die sich musikalische Unterstützung von ihrem Daddy Mike und ihren Geschwistern Ian und Jennifer holt und von Heimweh und Liebe singt. Von „Sin“ keine Spur.
Gedankenverloren sitzt sie da, lässt den mittlerweile kalten Teebeutel über dem Aschenbecher kreisen und beginnt von der anderen Seite einer Welttournee zu erzählen – der Einsamkeit.
Auf ein Konzert zu gehen, ist toll. Denn für gewöhnlich geht man mit Freunden hin, trinkt zusammen und hat Spaß. Eine Band ist dagegen oft für Monate von Familie und Freunden getrennt. Sie sitzen den ganzen Tag im Bus, wissen manchmal nicht einmal, in welcher Stadt sie sich gerade befinden und vor allem, sind sie niemals allein. Es ist eben nicht immer lustig, nicht immer Rock’n’Roll. „Die Dusche ist auf Tour oft der einzige Ort, an dem man ganz für sich allein sein kann, also gehst du rein, drehst das Wasser auf, kauerst dich hin und weinst solange, bis es dir besser geht“, lacht sie traurig und lässt den Teebeutel in den leeren Aschenbecher fallen. Zuhause bekäme sie dann aber immer sehr schnell Tourweh, fügt sie schulterzuckend hinzu.
Eine halbe Stunde später wird The Creepshow angekündigt.
Sprechchöre erfüllen den Saal. Sarah und ihre Jungs stürmen auf die Bühne. Die Menge kocht. Die Sarah von eben ist nicht wieder zu erkennen. Den übergroßen Pullover hat sie gegen ein schwarzes Corsagen-Top mit einem Monster-Aufnäher getauscht. Sie trägt eine Netzstrumpfhose zum Minirock und eine Kette mit kleinen Handschellen baumelt ihr im Dekolletée. Lautstark begrüßt sie das Publikum und schlägt die Saiten ihrer E-Gitarre zum ersten Lied an. Ihre hellblonden Haare fallen ihr ins Gesicht – und plötzlich ist es ihr vollkommen egal. Sie singt, sie schreit, sie rockt und es besteht kein Zweifel mehr: Heute hat Berlin es mit Sarah „Sin“ Blackwood zu tun.
Interview von Diana Ringelsiep für Pressure Magazine am 28.12.2010
Mehr über The Creepshow:
Offizielle Homepage: www.thecreepshow.org
MySpace Seite: www.myspace.com/thecreepshow
Bilder: The Creepshow Pressefotos / Rebecca Hammer (www.beckstage.biz)
selten so einen blödsinn gelesen….