Ska im Transit: Pflichtlektüre für Ska-Klugscheißer…

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…oder für diejenigen, welche es werden möchten. Eben solche Leute wie mich. 

Schon oft fragte ich mich, warum es so zahlreiche Vermarktungsformate und Publikationen über Punk gibt, aber kaum eine nennenswerte über Ska. Geschweige denn über die Ska-Szene in Deutschland. Das sahen die Szene-Urgesteine Emma Steel und Matt Ska ähnlich, als sie sich an das Projekt „Ska im Transit“ heranwagten. In dem fast 200 Seiten umfassenden Buch wird die Ska-Szene sowie die Bedeutung der Ska-Musik während der Wendejahre aus Sicht der damaligen Akteure geschildert.

Es kommen dabei zahlreiche Musiker wie „Dr. Ring Ding“ , „El Bosso“ und Olaf (The Busters) zu Wort, die anhand eines einheitlichen Fragenkatalogs Auskunft über ihre subjektiv erlebten Erinnerungen an die Anfänge des Ska in Deutschland, ihre ersten Berührungen mit diesem Genre und über ihre ersten „Ostkontakte“ geben. 
Es fällt auf, dass diese Anekdoten sehr unterschiedlich lang ausfallen und wie im Fall von „El Bosso“ und „Thomas“ (The Busters) nicht den Umfang erreichen, welcher angemessen wäre, wenn man sich die Bedeutung der Künstler für die Szene vor Augen hält. Dafür liegt der Fokus mehr auf der Weltstadt Berlin und seiner eigenen Ska-Bands. Und das ist angesichts des Titels wahrscheinlich auch logisch, wenn auch aus meiner Sicht eben ein bisschen schade. Nichtsdestotrotz zeichnen die Aussagen von den Berlinern „Rude-Boys“ Leander („Messer Banzani“), Wowo („The Butlers“) und  Marcus („Blechreiz“) durchaus das anschauliche Bild einer lebendigen Stand, in der gerade in den Wendejahren fast alles möglich war. Insgesamt muss wohl der gesamte Osten der neuen Bundesrepublik bis Mitte der Neunziger Jahre den Subkulturen Möglichkeiten geboten haben, die im Westen bereits seit den Achtzigern zum Teil ideologisch und strukturell verbaut waren. 

In den Interviews wird von spontanen Konzerten unter der Woche, auf der bis zu 500 Fans erschienen, bis zum großen Potsdamer Ska-Festival mit mehreren tausend Zuschauern berichtet. Kleine Szene-Clubs entstanden in Orten in der ostdeutschen Provinz, die ansonsten kulturell wenig zu bieten hatten. Hier wird auch mehrmals auf das „This is Ska-Festival“ in Dessau-Roßlau hingewiesen, das seit 1997 stattfindet und mittlerweile als größtes Ska-Festival im deutschsprachigen Raum gilt. Der Initiator Jörg („Die Tornados“) schildert sehr unterhaltsam die Anfänge dieses und anderer von ihm gegründeter Ska-Festivals, u.a. in Dortmund und Berlin. 

Nahezu alle Interviewpartner berichten- fast in Nostalgie versinkend- von der  mühevollen Kommunikation innerhalb der Szene. So wurden beispielsweise die Informationen über Ska-Konzerte und Szene-Neuigkeiten im „Vor-Internet-Zeitalter“ telefonisch, durch Flyer und manchmal sogar in Form handgeschriebener Briefe miteinander geteilt und damit Jahre vor Etablierung von Facebook und Co.erfolgreich weiter verbreitet. Das änderte sich durch die Szene-Fanzines „Oi!Reka“, „Skin Up“ und „Skintonic“, denen ein eigenes Kapitel eingeräumt wird. Diese Publikationen hatten bis Ende der Neunzigerjahre eine besondere Bedeutung für die deutschsprachige Ska-Szene und damit auch für einen Großteil der antirassistischen Skinheads  („S.H.A.R.P.“). Und natürlich darf auch die Wichtigkeit von Mailordern wie „Moskito“ nicht unterschätzt werden. Ossi, der neben dem heute noch existierenden Szene-Mailorder „Moskito“ das Ska-affine Label „Grover“ und eine Konzertagentur gründete, führt recht kurzweilig aus, dass kein Geringerer als Frank Zander ihn zum Ska geführt hätte.

Fazit: Ein echtes diy- Nischenprodukt, das wie der Ska wohl niemals massenkompatibel sein wird, aber die subkulturelle Vielfalt und Lebendigkeit der Ska-Szene darstellt und deswegen für diese von größerer Bedeutung sein dürfte. 

Nur noch zwei kleine (Rand-)Bemerkungen meinerseits: Schade, dass kein Vertreter von „NGOBO NGOBO“ interviewt wurde und bei der nächsten Veröffentlichung freue ich mich über ein Rezensionsexemplar.

Aber ansonsten: (M-)ein Geheimtipp!

Buchkritik von Sven

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