Was wäre, wenn die sagenhafte Karriere und das Privatleben des Superstars John Lennon mit einem diabolischen Pakt zusammenhängt, der Lennons Ringen um Frieden, seine spirituelle Suche und sein gewaltsames Ende erklärt?
In einem überraschenden Gedankenspiel verknüpft der Autor Martin Häusler in seinem Roman „Gezählte Tage“ die sagenhafte Karriere und das Privatleben des Superstars John Lennon zu einem dunklen Lebensgewebe, dessen Fäden am Todestag des Musikers im Dezember 1980 verblüffend schlüssig zusammenlaufen.
Martin Häusler sprach mit dem Pressure Magazine über seine aktuelle Buch-Veröffentlichung „Gezählte Tage“
Was hat Sie dazu inspiriert, einen Roman über John Lennon und die möglichen diabolischen Hintergründe seines Erfolgs und tragischen Endes zu schreiben?
Auslöser war diese kleine Fußnote, die ich in der deutschen Musikzeitschrift POP aus dem Jahr 1976 gefunden hatte. Sie war Teil einer Retrospektive auf die Beatles. In dieser Fußnote stand ein Zitat von Tony Sheridan, der behauptete, mit John Lennon in Hamburg bei einer Séance gewesen zu sein. Dort habe ihm Lennon erzählt, dass er genau wisse, dass die Beatles Erfolg haben werden wie keine andere Band.
„Denn dafür habe ich dem Teufel meine Seele verkauft.“
Wow, dachte ich, das wäre doch mal eine faustische Geschichte, die mir als Beatlesfan gefallen würde. Vor allem auch im Hinblick auf die satanischen Anspielungen im Werk der Beatles, die mir schon immer komisch vorkamen. Und auch Lennons ständige Todesahnungen, von denen ich wusste, passten wunderbar in dieses Narrativ.
Sie haben bereits eine Menge Sachbücher geschrieben. Wie war es, von der journalistischen Arbeit zum Schreiben eines Romans zu wechseln?
Es war ein Genuss, endlich mal mit großer schreiberischer Freiheit und voller Fantasie an eine Geschichte heranzugehen. Wobei sich die Dramaturgie an den realen biografischen Eckdaten orientierte. Die Bandhistorie und Lennons Leben konnte ich natürlich nicht neu erfinden, aber Gott sei Dank enthielt die Realität genügend spannende Wendungen, die ich nur noch inszenieren brauchte. Die Begegnungen Lennons mit den Vertretern des Guten wie des Bösen sind selbstverständlich rein fantastisch.
Was war die größte Herausforderung bei der Dramatisierung des „Lennon-Pakts“, und wie haben Sie versucht, die Fakten mit der Fiktion zu verknüpfen?
Die größte Herausforderung war sicher, mithilfe des kreativen Elements die Spannung oben zu halten und nicht in die nächste Biografie abzurutschen, die letztlich keinen interessiert. Über die Beatles ist ja eigentlich alles gesagt. Ich nahm mir vor, so zu denken, wie der Scriptwriter eines Hollywoodfilms. Ich hatte mir zu Beginn sowieso eher einen Film vorgestellt und daher viele Bilder bereits im Kopf. Ich brauchte sie nur noch aufs Papier übertragen. Viele weitere Szenen entstanden aber auch direkt im Schreibprozess.
Gibt es in Ihrem Roman auch Bezüge zu anderen Mitgliedern der Beatles oder zu ihrem Einfluss auf die Popkultur?
Absolut, das war sogar sehr wichtig, sonst hätte alles im luftleeren Raum geschwebt. Das musikalische Werk der Beatles und der Solo-Beatles wird immer wieder kontextualisiert und eingebettet ins große Ganze. Da ich den Roman aus Lennon-Perspektive angelegt habe, lasse ich ihn immer wieder die Zeitläufte kommentieren und auch die kreativen Leistungen von Paul und George.
In Ihrem Roman wird behauptet, dass John Lennon seine Seele dem Teufel verkauft hat, um den Erfolg der Beatles zu garantieren. Wie sehen Sie persönlich diese These und wie stellen Sie sicher, dass die Leser die Fiktion nicht als Fakten akzeptieren?
Das Buch ist ja ausdrücklich ein Roman, und die Geschichte ist als „Gedankenexperiment“ deklariert. Das heißt: Ja, ich nehme für 280 Seiten an, dass es den Pakt gegeben hat. Die vielen Indizien im Werk Lennons, die darauf hindeuten, sind in einer zweiten Lese-Ebene erkennbar in den Roman verwoben.
Am Ende können die Leser selbst entscheiden: Alles nur ein Spuk? Eine krasse Legende? Purer Zufall? Oder haben vielleicht wirklich höhere Kräfte gewirkt? Dazu muss ich noch anmerken, dass Lennon von der Existenz dieser höheren Kräfte ausging. Je mehr sich Lennons Leben dem Zahltag näherte, desto esoterischer und spiritueller wurde er, bis er sich am Ende Jesus Christus zuwendete und sogar christliche Lieder schrieb, die kaum jemand kennt, weil sie nie veröffentlicht wurden.
Wie haben die Beatles als Band und ihre Musik Ihre eigene Arbeit als Reporter und Musikredakteur beeinflusst?
Die Beatles – und im Speziellen John Lennon und George Harrison – haben mit ihrer Musik und ihren Botschaften meine grundsätzliche Sicht aufs Leben beeinflusst. Zwei ihrer wichtigsten Botschaften: „Folge keinen falschen Führern, vertraue dir selbst!“ Und: „Alles, was du brauchst, ist Liebe!“ Ein so globales Phänomen wie die Beatles fällt nicht einfach vom Himmel. Alles passiert aus einem Grund. Ich glaube, John Lennon hatte eine Aufgabe zu erledigen: die Menschheit daran zu erinnern, dass sie Frieden haben kann, jederzeit, wenn sie es nur will. Es geht um Bewusstheit und Ermächtigung.
Die Faszination für diese Band war so groß, dass ich bei den Medien, für die ich tätig war, immer wieder entsprechende Themenvorschläge ins Rennen geschickt habe – und am Ende mit Paul McCartney beim Interview saß. Ich bin aber kritisch genug, um zu realisieren, dass die Beatles und gerade auch Paul McCartney einigen Mist komponiert haben. Auch konnte ich nie verstehen, warum McCartney sich mit dem Ruhm, der Bewunderung, der Beachtung, die er heute noch genießt, so wenig ins politische Geschehen einmischt. Das ist fast schon empörend. Lennon wäre heute viel sichtbarer.
Wie viel Forschung und Recherche waren notwendig, um eine so komplexe Geschichte zu entwickeln und gleichzeitig den historischen Kontext und die Biografie von John Lennon zu berücksichtigen?
Da sich über die Jahre eine Menge Literatur angesammelt hat in meinen Regalen, viele Bookmarks in der Lesezeichenliste meines Computers und ich auch bei der musikalischen Rezeption immer auf dem Laufenden war, musste ich gar nicht mehr so lange graben. Ja, für so ein Buch braucht es eine gehörige Tiefe in der Durchdringung des Stoffs. Aber ich wusste von Anfang an genau, wo ich was finden würde.
Wie denken Sie, dass Ihr Buch das Vermächtnis von John Lennon beeinflussen wird, und sind Sie besorgt, dass es als Versuch angesehen werden könnte, den Ruf eines verstorbenen Künstlers zu schädigen oder zu verunglimpfen?
Ich habe mir natürlich immer wieder die Frage gestellt: Was würde John dazu sagen? Ich glaube, dass er – und im Übrigen auch Yoko Ono – das Buch mögen würden. Es ist in ihrem Sinne geschrieben und im Sinne ihrer Friedensbotschaft. In keinster Weise war es meine Absicht, das Ansehen der beiden zu schädigen. Nach der Stelle, an der ich gegen ihr Denkmal gepinkelt haben könnte, sucht man, denke ich, vergeblich.
Was mein Buch allerdings bewirken könnte, ist, das Werk der Beatles und John Lennons aus einer anderen, einer neuen, einer ganzheitlicheren Perspektive zu sehen.
Wie, denken Sie, hat John Lennon als Mensch und Künstler die Beatles als Band geprägt? Und wie hat er sich im Laufe der Jahre entwickelt?
Natürlich in extremem Maße. Der für Lennon sehr wichtige menschliche Aspekt trifft auf die Songs der frühen Beatles, die zur Beatlemania führten, kaum zu. Das war Teenager-Liebe voll auf Masse getrimmt. Aber mit der Zeit wurde es immer kreativer und persönlicher. Mit „I’m A Loser“, „Help“, „Girl“ oder „In My Life“ öffnete sich Lennon als Mensch, zeigte sich ganz ohne Scham als verletzliches, sensibles, angstvolles und höchst fantasievolles Wesen. Der Blick in seine Seele ging noch tiefer in der psychedelischen Phase mit „Strawberry Fields“, „A Day In The Life“ oder „I Am The Walrus“, auch wenn – oder gerade weil – manches davon unter Drogen komponiert wurde.
Gegen Ende und nach den Beatles traute sich Lennon völlig aus sich heraus. Die Alben „John Lennon / Plastic Ono Band“, „Imagine“ und „Walls And Bridges“ sind einfach phänomenal. Es ist diese Seelenschau, die seine Musik so besonders macht, gebettet in einprägsame Melodien, die mal äußerst zart, mal äußerst hart sind. Und zwischendurch wurde Lennon ja immer wieder auch sehr politisch. Er nannte das „musikalischen Journalismus“. Wer wagt das heutzutage noch?
Wie würden Sie die Bedeutung der Beatles und ihrer Musik in der heutigen Zeit beschreiben, und welche Auswirkungen hatten sie auf die Musikindustrie und die Popkultur im Allgemeinen?
Die Beatles haben in einem relativ kurzen Zeitfenster von zehn Jahren der gesamten Musikbranche zu einem extremen Evolutionssprung verholfen. Ihre Musik ist absolut zeitlos und gerade in ihrer Experimentierfreude immer noch prägend für viele junge Bands und Einzelkünstler.
Solange es die Menschheit gibt, solange werden die Beatles und die Solo-Beatles gehört, verlegt und Folgegenerationen im Herzen treffen und inspirieren – während 99 Prozent der digitalisierten Industriemusik im Hintergrundrauschen verschwinden wird. Die neuere Vermarktung über Computerspiele und Musicals gefällt sicher nicht jedem, aber wahrscheinlich ist auch sie nötig, um das Phänomen der Beatles in die Zukunft zu tragen. Vielleicht trägt ja auch mein Buch ein bisschen dazu bei.
Was sind Ihre zukünftigen Pläne im Hinblick auf die Literatur – und planen Sie weitere Romane zu schreiben?
Das hängt natürlich vom Erfolg des Lennon-Romans ab. Die Handlung für einen zweiten Teil habe ich jedenfalls schon im Kopf. Im April wird als nächstes jedoch wieder ein Sachbuch erscheinen, das das große Thema unserer Zeit, die Nachhaltigkeit, sehr freudvoll und kreativ transportieren wird. Bücher müssen heute auffallen mit starken Botschaften und coolem Design, sonst gehen sie ebenso unter im Rauschen, wie schlechte Musik.
Das Interview mit dem Buchautor Martin Häusler führte Marcus Liprecht im März 2023
Jetzt bestellen: „GEZÄHLTE TAGE“ gibt es u.a. im Online Shop bei Amazon
Lesung in München am 25.03.2023
Die Lesung findet in der „Buchhandlung am Partnachplatz“ in München statt.
Lesung „Gezählte Tage“ (Golkonda Verlag)
25.03.2023, 19:00 Uhr
Buchhandlung am Partnachplatz
in der Albert-Roßhaupter-Str. 73a, 81369 München
Der Eintritt kostet 10,00 EUR (ermäßigt 7,00 EUR). Anmeldung erwünscht unter: Tel. 089 7605315 oder Mail info@buchhandlung-partnachplatz.de
Über den Autor
Martin Häusler, 1974 geboren, studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Geographie und Soziologie und arbeitet seit 25 Jahren als Journalist. Er hat bereits mehrere Sachbücher geschrieben, darunter ein Portrait über visionäre Denker und Aktivisten, eine Sammlung über Utopien, eine Biografie über Martin Schulz und die Memoiren von Lothar Matthäus. Die Dramatisierung des Lennon-Pakts ist sein erster Roman. Als Reporter und Musikredakteur und durch Begegnungen mit Paul McCartney, Yoko Ono oder Dhani Harrison gilt Häusler als ausgesprochener Beatles-Kenner.